Die Geldvernichtungs-Karte
Die Cornèr Bank lanciert eine wiederaufladbare Visakarte für Kinder und Jugendliche. Doch im Gegensatz zu Bargeld schmilzt das Guthaben schon bevor man einkauft.
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K-Tipp 16/2005
05.10.2005
Otto Hostettler - otto.hostettler@ktipp.ch
Das Design der Visa-Karte ist poppig, das Angebot verführerisch, das Zielpublikum sind Jugendliche. Die Cornèr Bank lanciert eine Prepaid-Visakarte. Mit der Unterschrift eines gesetzlichen Vertreters erhalten bereits 14-Jährige die Karte und können an weltweit 15 Millionen Stellen bargeldlos bezahlen, in der Schweiz an 910 000 Geldautomaten Bargeld beziehen und im Internet shoppen.
Aufladen kostet jedes Mal 5 Franken
«Sie haben Ihre Ausgaben immer im Gr...
Das Design der Visa-Karte ist poppig, das Angebot verführerisch, das Zielpublikum sind Jugendliche. Die Cornèr Bank lanciert eine Prepaid-Visakarte. Mit der Unterschrift eines gesetzlichen Vertreters erhalten bereits 14-Jährige die Karte und können an weltweit 15 Millionen Stellen bargeldlos bezahlen, in der Schweiz an 910 000 Geldautomaten Bargeld beziehen und im Internet shoppen.
Aufladen kostet jedes Mal 5 Franken
«Sie haben Ihre Ausgaben immer im Griff», verspricht die Cornèr Bank. Und: «Eine Überschreitung des Saldos auf der Karte ist ausgeschlossen, da sämtliche Transaktionen elektronisch erfasst werden.»
Doch warum ein Jugendlicher eine Visakarte braucht, um die Ausgaben im Griff zu haben, ist nicht nachvollziehbar. Auch mit Bargeld kann man nur so viel ausgeben, wie man besitzt. Im Gegensatz zur «Visa Electron Reload»-Karte behält Bargeld aber seinen Wert. Denn ist die Karte leer, muss sie neu geladen werden - was jedes Mal 5 Franken kostet. Wer am Geldautomaten Bargeld bezieht, liefert 4 Prozent Kommission ab. Und wer über die Hotline den Kartensaldo abfragen will, bezahlt Fr. 1.90 pro Minute. Die Karte ist drei Jahre gültig - Jahr für Jahr kostet sie 50 Franken Grundgebühr.
Da lässt Kritik nicht lange auf sich warten. Bei der Basler Beratungsstelle für Budgetfragen und Schuldensanierung nimmt Reno Sami kein Blatt vor den Mund: «Ich sehe keinen Sinn darin, 14-Jährige bargeldlos einkaufen zu lassen.» Gerade für Teenager sei es wichtig, dass sie mit Eltern über Geld reden. Und dazu sei der «physische Akt» beim Einkauf mit Bargeld wichtig.
Die Cornèr Bank in Lugano - mit rund 16 Prozent Marktanteil im Kreditkartengeschäft gehört sie neben UBS und Credit Suisse zu den grossen Anbietern - geht noch einen Schritt weiter. Neben der Reload-Karte brachte sie eben erst eine Visa-Karte auf den Markt, die nicht einmal ein Mindestalter voraussetzt: die «Emotion Card» - mit einem fixen, im Vorfeld zu bezahlenden Betrag, aber nicht wiederaufladbar.
«Eine moderne Form des Geschenkgutscheins», sagt Alessandro Seralvo, Chef des Cornèr-Bank-Kartencenters. In der Werbung heissts:
«Eine tolle Geschenkidee - das Sackgeld für Ihre Kinder einmal anders.» Doch auch bei dieser Karte schmilzt das Geld: Sie kostet 15 Franken. Wird eine persönliche Mitteilung aufgeprägt, kostet sie 20 Franken. Laden kann man sie mit Beträgen zwischen 50 und maximal 1000 Franken.
«Ausnahmsweise» Saldorückerstattung
Und wer die Gültigkeitsdauer der «Emotion Card» nicht realisiert hat, wird mit der Karte tatsächlich Emotionen erleben - allerdings negative: Ist das Geld auf der Karte nach einem Jahr nicht aufgebraucht, verfällt der Saldo.
Bei der Reload-Visakarte besteht immerhin die Hoffnung, nicht ausgegebenes Geld zurückzuerhalten. Sollte ein Inhaber die Visakarte nicht mehr benützen wollen, «kann er ausnahmsweise die Rückerstattung des Saldos beantragen», heissts bei der Cornèr Bank.
Noch aggressiver als in der Schweiz läuft derzeit in Deutschland die Anwerbung junger Kunden. Die Landesbank Berlin wendet sich brieflich an die «lieben Eltern». Mit einer Visa-Karte habe das Kind ein «finanzielles Polster für die Klassenfahrt», könne Musik herunterladen oder Online-Spiele wie Xbox bezahlen. Und weil die Visakarte zusammen mit Microsoft lanciert wurde, heisst sie in Anlehnung an das Microsoft-Spiel sinnigerweise «Xbox live».
Den Eltern verspricht die Landesbank Berlin: «Es ist ausgeschlossen, dass sich Ihr Kind verschuldet.» Dazu sollten die Eltern doch am besten per Dauerauftrag das Kartenguthaben monatlich auffüllen, empfiehlt sie.
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