Die «Leichten» habens schwer
Je weniger Alkohol, desto sicherer die Strassen - doch das scheint die Brauer nicht zu kümmern: Sie leisten ihren Leichtbieren kaum Starthilfe.
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K-Tipp 12/2004
16.06.2004
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Andere Länder sind strenger mit ihren Autofahrern: Ungarn, Tschechien und die Slowakei zum Beispiel tolerieren keinen Tropfen Alkohol am Steuer. In der Schweiz hingegen hat sich der Gesetzgeber im März 2003 nur durchringen können, den Blutalkoholgrenzwert im Strassenverkehr per Anfang 2004 von 0,8 auf 0,5 Promille zu senken.
Die Bierbrauer allerdings brachte das in Zugzwang. Sie witterten die «Gefahr, weniger Bier abzusetzen, da eine Sensibilisierung der Kunden auf die Senkung...
Andere Länder sind strenger mit ihren Autofahrern: Ungarn, Tschechien und die Slowakei zum Beispiel tolerieren keinen Tropfen Alkohol am Steuer. In der Schweiz hingegen hat sich der Gesetzgeber im März 2003 nur durchringen können, den Blutalkoholgrenzwert im Strassenverkehr per Anfang 2004 von 0,8 auf 0,5 Promille zu senken.
Die Bierbrauer allerdings brachte das in Zugzwang. Sie witterten die «Gefahr, weniger Bier abzusetzen, da eine Sensibilisierung der Kunden auf die Senkung der Promillegrenze anzunehmen ist», wie es Armin Broger, Direktor der Rorschacher Brauerei Löwengarten, formuliert.
Also mussten sie sich etwas einfallen lassen, um vorab die Feierabend-Biertrinker in den Beizen bei der Stange halten zu können.
Kaum Leichtbiere im Detailhandel
So kamen sie auf die Idee, Leichtbier zu brauen. Bis November 2003 lancierten gleich sieben Brauereien ihr «Légère», «Minus», «Das Leichte» und wie sie alle heissen. Deren Alkoholgehalt variiert zwischen 2,4 und 2,8 Volumenprozent, ist also ungefähr halb so hoch wie bei herkömmlichem Lager- und Spezialbier.
Trotzdem fristen die neuen «Leichten» ein Schattendasein. Der Grund: Ende November 2003 hat der Bundesrat beschlossen, die Senkung der Promillegrenze um ein Jahr auf den 1. Januar 2005 zu verschieben. Das genügte, um das Engagement der Brauer für ihre alkoholreduzierten Biere wieder erlahmen zu lassen.
Plakat-, Zeitungs- und Zeitschriftenwerbung etwa ist seither nur mehr selten zu sehen - am ehesten noch jene des Brauereigiganten Feldschlösschen für sein neues «2.4». Die Brauereien Müller in Baden («Müller Leicht») und Schützengarten in St. Gallen («Edelspez 2,8») begnügen sich mit unspektakulären Verkaufshilfen wie Tischsteller und Bierdeckel. Und Eichhof in Luzern macht laut Marketingleiter André Briw für «Das Leichte» überhaupt keine Werbung.
Vor diesem Hintergrund fragt sich schon, wem es denn in der Beiz oder im Laden in den Sinn kommen könnte, Leichtbier zu kaufen. Im Detailhandel sind die «Leichten» ohnehin nur spärlich präsent - zumindest im Vergleich zu herkömmlichem Bier. «Müller Leicht» findet man laut Brauerei-Geschäftsführer Rolf Betschart in gar keinen Läden, Eichhofs «Das Leichte» nur in den Getränkeshops der firmeneigenen Kellerei. Aber auch «Feldschlösschen 2.4» gibts längst nicht überall.
Entsprechend mager sind die Absatzzahlen: Vom gesamten Bierausstoss der Brauerei Löwengarten entfallen gerade mal 0,6 Prozent auf das Leichtbier «Minus». «Müller Leicht» schaffts ebenfalls bloss auf Werte im Promillebereich, während Locher in Appenzell den Anteil seines «Légère» auf 1 Prozent beziffert.
Gar keine Zahlen liefern die Brauereien Feldschlösschen und Falken in Schaffhausen. Auch Eichhof will sich nicht in die Karten blicken lassen; Marketingleiter André Briw räumt aber ein: «Die Mengen sind noch bescheiden.»
Dabei gäbe es aus Sicht von Präventionsfachleuten gute Gründe, Biertrinkern möglichst rasch wenn schon nicht alkoholfreies, so doch wenigstens alkoholreduziertes Bier schmackhaft zu machen: «Wer umsteigt, konsumiert weniger Alkohol und vermindert dadurch alle Risiken, die mit dem Alkoholkonsum zusammenhängen», bringts Ruedi Löffel von der Fachstelle für Suchtprävention des Blauen Kreuzes auf den Punkt.
Alkoholgehalt nicht unterschätzen
Das sieht Michel Graf, Direktor der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme, auch so. Wie Ruedi Löffel warnt er aber gleichzeitig davor, Leichtbier zu unterschätzen: «Schon geringe Mengen Alkohol beeinflussen das Fahrverhalten negativ. Das wirkt sich vor allem in schwierigen Verkehrssituationen aus, die man nüchtern - dank automatisierter Bewegungsabläufe - noch beherrschen würde.»
Damit ist klar: Vor dem Fahren Leichtbier zu trinken ist keineswegs harmlos. Aber immer noch besser, als gewöhnliches Bier zu bechern. Nur: Die Brauer bewegt das nicht. Auf Anfrage des K-Tipp kündigen die meisten an, für ihre «Leichten» erst dann wieder mehr zu tun, wenn die Senkung der Promillegrenze unmittelbar bevorsteht.
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