Fritz Ulmer (Name geändert) wohnt seit über drei Jahrzehnten in einer Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung in Dübendorf ZH. Er zahlte pro Monat einen Mietzins von 1303 Franken netto. Sein Vermieter, ein Versicherungskonzern, liess nach über 30 Jahren die heruntergekommene Liegenschaft mit Dutzenden Wohnungen sanieren. Danach verlangte die Versicherung von ihren Mietern massiv höhere Mieten. Ulmer sollte 1928 Franken netto bezahlen – ein Aufschlag von 48 Prozent.
Das liess sich Ulmer nicht gefallen und ging gerichtlich dagegen vor. Denn eine Mietzinserhöhung ist nur gerechtfertigt, wenn die Wohnungen nach einer Renovation einen höheren Wert haben. Die Kosten für Arbeiten, die den Wert einer Liegenschaft nicht vermehren, dürfen nicht an die Mieter überwälzt werden. Denn der Unterhalt ist im Mietzins inbegriffen.
Vor Gericht musste die Versicherung ihre Investitionen in den Mehrwert beweisen und die Bauabrechnung vorlegen. Die Kosten der Sanierung bezifferte sie auf 16 Millionen Franken.
Die Bauabrechnung war fehlerhaft
Das Mietgericht stellte fest, dass die Abrechnung zahlreiche unzulässige Posten enthielt:
413 000 Franken für Baukreditzinsen, obwohl der Versicherungskonzern gar keinen Baukredit aufnehmen musste.
426 000 Franken für die Projektleitung, die in einer Bauabrechnung nichts zu suchen haben.
207 000 Franken für Parkettböden, die nicht verlegt wurden.
788 000 Franken für die Reinigung, die sechs Mal so teuer war wie in der Offerte angegeben. Offensichtlich fehlte hier eine effiziente Kostenkontrolle.
Mieterverband kritisiert Investoren
«Die Investoren haben keinen Anreiz, wirtschaftlich zu sanieren, denn sie profitieren von höheren Kosten», sagt Sarah Brutschin, Vizepräsidentin des Mieterinnen- und Mieterverbandes Deutschschweiz. «Jeder Franken, den sie investieren, bringt ihnen eine Verzinsung von fast vier Prozent, welche die Mieter bezahlen müssen.»
Das Gericht strich 1,54 Millionen Franken aus der Bauabrechnung, die die Grundlage für die Überwälzung von Renovationskosten auf die Mieter bildet. Die Versicherung wollte 60 Prozent davon mit höheren Mieten hereinholen.
Bei umfassenden Sanierungen erlaubt das Gesetz, dass 50 bis 70 Prozent der Kosten auf die Mieter überwälzt werden können. Dieser Anteil gilt als wertvermehrende Investition. Doch der Satz ist veraltet und zu hoch – nur 34 bis 58 Prozent wären gerechtfertigt. So hoch ist der durchschnittliche Anteil der wertvermehrenden Investitionen bei Sanierungen tatsächlich. Das ergab eine Studie der Bundesämter für Energie und Wohnungswesen, die vor zwei Wochen veröffentlicht wurde. Basis war die Analyse von 20 renovierten Liegenschaften und Überbauungen.
Der Mieterverband Schweiz fordert aufgrund dieser Studie, dass nicht mehr als 35 bis 55 Prozent der Sanierungskosten auf die Mieter überwälzt werden dürfen. Bei der Wohnung von Fritz Ulmer akzeptierte das Mietgericht einen Anteil von 55 Prozent als wertvermehrende Investition. «Das ist zu viel», sagt Sarah Brutschin. «Bei einer Liegenschaft, an der über 30 Jahre lang nichts gemacht wurde, ist eine Sanierung hauptsächlich werterhaltend. Diese Kosten wurden mit dem Mietzins bereits abgegolten.»
Die Anfechtung zahlt sich aus
Fritz Ulmer muss nun «nur» 1856 Franken Miete für seine Wohnung zahlen. Dank der Anfechtung des Mietzinses spart er 72 Franken pro Monat.
Die Renovation dauerte neun Monate. Fritz Ulmer und die anderen Mieter waren in dieser Zeit Baulärm und Dreck ausgesetzt. Regelmässig stellten Handwerker Wasser und Strom ab. Zehn Wochen lang hatten die Mieter keine Küche und kein eigenes Bad. Sie mussten sich mit einer Etagendusche und gemeinsamer Toilette begnügen. Sie verlangten deshalb eine Mietzinsreduktion um drei Monatsmieten. Das Gericht bewilligte zwei Monatsmieten.
So können sich Mieter wehren
Wer eine Mietzinserhöhung nach einer Sanierung als zu hoch erachtet, kann von seinem Vermieter die Bauabrechnung und die Berechnung der Erhöhung verlangen. Es kann sich lohnen, diese vom Mieterverband prüfen zu lassen.
Die Mietzinserhöhung kann man bei der Schlichtungsbehörde anfechten. Und zwar innerhalb von 30 Tagen nach Empfang der Mitteilung über die Erhöhung. Die Mietzinsanfechtung sollte mit einem eingeschriebenen Brief erfolgen.
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