Ende November vergangenen Jahres schickte der Bundesrat wieder einmal einen Vorschlag zur Reform der 2. Säule ans Parlament. Es handelt sich dabei um den dritten Anlauf seit 2010. Und wie schon bei den ersten beiden Versuchen in den Jahren 2010 und 2017 will die Regierung auch diesmal wieder den Umwandlungssatz senken, und zwar von 6,8 auf 6 Prozent. Das sei nötig, weil die Menschen immer älter und die Aussichten auf gute Anlagerenditen immer schlechter würden, lautet nach wie vor die Begründung.
Es drohen niedrigere Renten
Eine Reduktion des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent hätte rund 12 Prozent niedrigere Renten zur Folge. Beispiel: Wer bis zur Pensionierung in der 2. Säule 300 000 Franken anspart, würde eine Rente von nur noch 18 000 statt 20 400 Franken pro Jahr erhalten.
Das ist noch nicht alles: Gleichzeitig schlägt der Bundesrat in seiner Reform vor, die Lohnabzüge für alle Erwerbstätigen um 0,5 Prozent zu erhöhen, um die Rentenkürzungen etwas zu reduzieren. Die Hälfte müssen die Arbeitgeber bezahlen.
Tiefere Renten, höhere Lohnabzüge: Für die Versicherten sind das keine attraktiven Aussichten. Und dies in Zeiten, in denen die Pensionskassen ganz und gar nicht am Hungertuch nagen müssen. Denn in den letzten Jahren erzielten sie mit den Altersguthaben der Versicherten stattliche Erträge. Ihre Nettorenditen betrugen von 2009 bis 2019 im Durchschnitt rund 5 Prozent pro Jahr – trotz Tiefzinsperiode. Selbst im Corona-Jahr 2020 waren es noch 3,3 Prozent. Das zeigen sowohl die aktuellen Pensionskassenbarometer der Grossbanken UBS und CS als auch der Vorsorgeindex BVG-25 der Genfer Privatbank Pictet.
Nur noch 1 Prozent Zins fürs Altersgeld
In dieser Zeitspanne mussten die Kassen den Erwerbstätigen für ihre Altersguthaben im Obligatorium nie mehr als 2 Prozent Zins bezahlen, seit 2017 sogar nur noch 1 Prozent. So erwirtschafteten die Pensionskassen mit den Altersguthaben ihrer Versicherten weit mehr an Ertrag, als sie ihnen weitergeben mussten.
Da erstaunt es nicht, dass die Kassen immer reicher wurden. Ende 2019 betrugen die Kapitalreserven der Pensionskassen und Lebensversicherungen in der 2. Säule insgesamt 164,7 Milliarden Franken. Das sind Gelder, die nicht den Versicherten gutgeschrieben werden, sondern den Kassen gehören.
Deren Vermögen lag damit um 48,3 Milliarden Franken oder 41,5 Prozent höher als vier Jahre zuvor. Das lässt sich aus der Pensionskassenstatistik des Bundes und aus Erhebungen der Finanzmarktaufsicht Finma berechnen. Zum Vergleich: Das Gesamtkapital der aktiven Versicherten und der Rentner in der 2. Säule wuchs im gleichen Zeitraum nur um gut 17 Prozent.
Umverteilung zugunsten der Kassen
Angesichts der steigenden Reserven der Pensionskassen hielt die Zeitschrift «Saldo» schon im Mai 2019 fest: «In der 2. Säule wird viel Geld umverteilt. Aber nicht wie immer wieder behauptet von den Erwerbstätigen zu den Rentnern – sondern zu den Pensionskassen.» Daran hat sich nichts geändert.