Einer Aargauerin flatterte eine Busse von 100 Franken ins Haus, weil sie in Ennetbaden AG durch eine Strasse mit Fahrverbot gefahren war. Sie wehrte sich mit einer Einsprache. Das Bezirksgericht Baden AG sprach sie vergangenen Herbst frei. Begründung: Die Polizei habe alle Autonummern gefilmt und mit einem Computer überprüft, ob die Lenker die Strasse befahren durften. Fahrer ohne Befugnis hätten automatisch eine Busse erhalten. Ein solche Überwachung sei aber nur mit einer klaren Gesetzesgrundlage zulässig. Diese fehle im Aargau.
Rechtliche Lücken bei Videoüberwachung
Das Bezirksgericht Baden stützte sich auf einen Entscheid des Bundesgerichts von 2019. Es hatte die automatische Videoüberwachung im Kanton Thurgau als unzulässig beurteilt. Diese sei nur erlaubt, wenn das Gesetz genau bestimme, welche Daten die Behörde für welchen Zweck bearbeite. Zudem müsse das Gesetz festhalten, wie lange die Polizei die Bilder speichern darf.
Auch in Basel-Stadt filmte die Polizei den Verkehr ohne die notwendige Gesetzesgrundlage. Ein Motorradfahrer wurde 2020 vom Appellationsgericht Basel-Stadt freigesprochen.
In der Deutschschweiz ist die Verkehrsüberwachung nur in Bern, Baselland, Graubünden, Schwyz und Wallis genauer geregelt. Dort steht im Gesetz, wofür Nummerschildscanner eingesetzt werden dürfen – etwa für Fahndungen oder das Aufspüren von Fahrern ohne Führerausweis. Festgelegt ist auch, dass die ermittelten Daten sofort gelöscht werden müssen, sofern sie in der Datenbank keinen Treffer ergaben.
Die Aargauer Regionalpolizei verwendet die Kameras mit Nummernscanner inzwischen nicht mehr. In anderen Kantonen sind ähnliche Geräte jedoch im Einsatz: etwa in Baselland, Bern, Freiburg, Schwyz und in der Stadt Zürich. Mehrere Kantone überarbeiten zurzeit ihre Polizeigesetze, um Autofahrer vermehrt überwachen zu dürfen: etwa Baselstadt, Freiburg, Luzern, Nidwalden, St. Gallen und Thurgau.
Auch der Zoll setzt die Kameras ein
Die meisten Kameras zur Überwachung des Verkehrs setzt der Zoll ein. Knapp 400 Geräte sind an der Grenze und von dort bis zu 25 Kilometer ins Landesinnere im Einsatz.
Laut der Zollverwaltung werden mobile und fix installierte Kameras verwendet, um etwa Schmuggelei aufzudecken. Das zeigt der Fall eines Schweizer Wirts: Er fuhr mit dem Auto beim Grenzübergang Rheineck SG von Österreich in die Schweiz. Die Zöllner durchsuchten das Auto und erwischten ihn beim Schmuggel von 74,3 Kilo Hackfleisch und 12 Kilo Wurst. Die Computerdaten zur Kameraüberwachung zeigten, dass der Mann innert 22 Tagen 15 Mal über die Grenze gefahren war. Das sei ein Indiz für ein «gewerbs- oder gewohnheitsmässiges Vorgehen», urteilte das Bundesverwaltungsgericht.
Heute heisst es lediglich in der Zollverordnung, zu welchem Zweck der Zoll die Kameras einsetzen darf – und dass er die Daten nach 30 Tagen löschen muss. Das reicht dem Zürcher Anwalt Viktor Györffy, Präsident des Vereins Grundrechte.ch, nicht: «Es müsste im Gesetz geregelt sein, was mit den Daten passiert, wofür sie verwendet und mit welchen Daten sie verknüpft werden.» Daher dürfe der Zoll die Daten nicht verwenden, sagt Györffy.
Die Zollverwaltung sieht dies anders. Sie schreibt, die Datenbearbeitung erfolge gemäss Gesetz und Verordnung und sei verhältnismässig.
Das kann man bei einer Busse tun
Bei einer Verkehrsbusse sollten Autofahrer zuerst prüfen, ob der Vorwurf zutrifft. Gebüsste können von der Polizei genauere Auskünfte über den Sachverhalt anfordern und nachfragen, ob die Busse aufgrund eines automatischen Autonummernscanners erfolgte.
Wer die Busse bestreitet, muss keine Einsprache machen. Es reicht, nicht zu zahlen. Der Fall geht dann an die Amtstatthalter oder Polizeirichter.
Wer vom Zoll Auskunft erhalten will über Filmaufnahmen seines Autos beim Grenzübertritt, kann das mit einem Formular beantragen. Es ist zu finden auf Ktipp.ch -> Service -> Musterbriefe -> Auskunfts- und Löschungsbegehren.