Die Post - im Dienste von Abzockern
Seriöse Firmen lassen sich von zwielichtigen Geschäftemachern einspannen. Anders als die Post gehen UBS, Raiffeisenbanken und Appenzeller Kantonalbank jetzt auf Distanz.
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K-Tipp 9/2003
07.05.2003
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Der Brief von Rechtsanwalt Jürgen Maul tönt verheissungsvoll: «Ich habe den Auftrag, Ihnen mitzuteilen, dass Sie anlässlich des Europäischen Gewinn-Kongresses in Wien einen der Preise 1 bis 4 gewonnen haben», schreibt er in einem Brief, den unzählige K-Tipp-Leser erhalten haben. Auftraggeber ist das berüchtigte österreichische Versandhaus Friedrich Müller, das neuerdings auch unter den Namen V.H.U. respektive U.S.G. auftritt.
Die frohe Botschaft ist auch Monica Wachter i...
Der Brief von Rechtsanwalt Jürgen Maul tönt verheissungsvoll: «Ich habe den Auftrag, Ihnen mitzuteilen, dass Sie anlässlich des Europäischen Gewinn-Kongresses in Wien einen der Preise 1 bis 4 gewonnen haben», schreibt er in einem Brief, den unzählige K-Tipp-Leser erhalten haben. Auftraggeber ist das berüchtigte österreichische Versandhaus Friedrich Müller, das neuerdings auch unter den Namen V.H.U. respektive U.S.G. auftritt.
Die frohe Botschaft ist auch Monica Wachter ins Haus geflattert. Doch die Frau aus Degersheim SG ärgert sich: «Diese Ankündigung ist perfid, weil die Gewinner zuerst einen "fakultativen Organisationsbeitrag" von 100 Franken einzahlen sollen. Das ist doch Bschiss.»
Der Bschiss erfolgt mit freundlicher Unterstützung der schweizerischen Post. Denn dort hat der Friedrich-Müller-Versand ein Konto. Und auf dieses Konto fliessen die «Organisationsbeiträge», die naive Empfänger des Gewinnversprechens einzahlen - in der Hoffnung, damit ihre Gewinnchancen zu erhöhen.
«Unproblematische Geschäftsbeziehung»
Die Post denkt nicht daran, das Konto zu schliessen. «Die Geschäftsbeziehung mit dem Friedrich-Müller-Versand ist unproblematisch», wiegelt Postfinance-Sprecher Alex Josty ab. Zwar heisse die Post das Geschäftsgebaren des Versandhauses «in keiner Weise» gut. Aber: «Die Aufhebung einer Kundenbeziehung muss sich gegenüber dem Kunden rechtfertigen lassen, sonst müsste sich die Post Willkür vorwerfen lassen.»
Mit anderen Worten: Solange eine Abzockerfirma ihre Verpflichtungen gegenüber der Post einhält, hat sie von Seiten des gelben Riesen nichts zu befürchten.
Auch dass das Untersuchungsamt St. Gallen gegen die verantwortlichen Personen des Versandhauses ein Strafverfahren eröffnet und das fragliche Konto gesperrt hat, beeindruckt Josty nicht: «Wir wollen nicht Richter spielen. Es ist möglich, dass der Richter die Sperrung wieder aufhebt.»
Weniger locker sehen das die Raiffeisenbanken, bei denen das Versandhaus Friedrich Müller ebenfalls ein Konto hatte. «Wir haben die Geschäftsbeziehung Anfang Februar zum Schutz des guten Namens von Raiffeisen abgebrochen», sagt Mediensprecher Franz Würth.
Die Post setzt derweil auch in einem anderen Fall ihren seriösen Ruf aufs Spiel. Zu ihren Kunden gehört nämlich auch der zweifelhafte Time-Sharing-Vermittler Club Touristik GmbH in Olten. K-Tipp-Leser wissen: Diese Firma setzt Konsumenten in mehrstündigen Verkaufsgesprächen massiv unter Druck, um ihnen überteuerte Nutzungsrechte für Ferienwohnungen im Ausland anzudrehen.
Übertölpelte Kunden müssen vor Ort einen Zahlungsauftrag unterschreiben, der ihre Bank anweist, eine Vermittlungsgebühr von 2000 Franken zu überweisen - und zwar auf das Postkonto der Club Touristik. Mediensprecher Josty nimmt auch dies gelassen: «Der Zahlungsverkehr der Firma unterliegt der normalen Überwachung. Ein sofortiger Abbruch der Kundenbeziehung ist nicht opportun.»
Sensibler reagierte die Appenzeller Kantonalbank. Geschäftsleiter Bruno Dörig bestätigt, dass die Bank per Ende Mai ein Konto des deutschen Treuhänders Peter Landisch schliessen wird. Landisch verwahrt im Auftrag der beiden Time-Sharing-Firmen Club Touristik und Viva Tours die Gelder, die neue Kunden für ihr Nutzungsrecht einzahlen.
Inkassohelfer für Reiseorganisatoren
Landischs Geschäfte waren auch der UBS nicht ganz geheuer. Die Bank kündigte ihm das Konto vor gut einem Jahr. Landisch nahm gegenüber dem K-Tipp innert nützlicher Frist nicht Stellung.
Unklar ist, ob der deutsche Treuhänder nach wie vor zu den Kunden der St. Gallischen Creditanstalt und der Verwaltungs- und Privat-Bank in Vaduz (FL) zählt. Beide Institute berufen sich aufs Bankgeheimnis.
Doch nicht nur als Zahlungskanal lassen sich seriöse Firmen von luschen Geschäftemachern einspannen, sondern auch als Inkassohelfer. So hat die Aarauer Firma Schatzmann Inkasso und Treuhand AG seit Anfang Jahr rund 3000 Mahnungen für das Reisebüro Express Tours verschickt. Dieses auf der Insel Malta domizilierte Büro organisierte in den letzten Jahren Reisen für «Gewinner» des Friedrich-Müller-Versands. Die Reisen fielen oft nicht nur durch mangelnde Qualität auf, sondern auch durch andere Ungereimtheiten (siehe auch Kasten).
Schlechte Erfahrungen von Reisegewinnern
So war auf dem «Reisegutschein für zwei Personen» plötzlich von einem Saisonzuschlag die Rede, der dann auch noch für jeden Teilnehmer einzeln verrechnet wurde. Von der Buchungsgebühr von 40 Franken erfuhren die Gewinner erst beim Erhalt der Rechnung. Und wer annullieren wollte, kam per Telefon oder Fax meist nicht durch. Solche Erfahrungen meldeten 14 Betroffene dem K-Tipp.
Express-Tours-Chef Albert Sigl räumt ein, «dass wir zu Spitzenzeiten schlecht zu erreichen sind». Es sei jedoch in der Reisebranche üblich, dass Zuschläge pro Person verrechnet würden. Mit dem Friedrich-Müller-Versand arbeite sein Büro seit Mitte 2002 nicht mehr zusammen.
Sigl ist im letzten Januar via Internet auf das Inkassobüro Schatzmann gestossen. Dessen Inhaber Christian Schatzmann räumt am Telefon ein, der Bezug zum Friedrich-Müller-Versand sei ihm «unsympathisch» gewesen und die Reklamationsquote aufgrund der Mahnungen liege «deutlich über der Norm».
Später verbietet Schatzmann dem K-Tipp, diese mündlichen Zitate zu verwenden; sie seien «ungenau und teilweise falsch». Den Vorwurf, er lasse sich für wenig seriöse Zwecke einspannen, weist Schatzmann zurück. Und überhaupt: «Nachdem sich keine der Reklamationen auf unsere Firma bezieht, gibt es keinen Grund, mich zu rechtfertigen.»
Express Tours täuscht Reisewillige
Das maltesische Reisebüro wiegt Schweizer Kunden in falscher Sicherheit.
Franz Estermann aus St. Gallen hatte bei Express Tours eine Busreise nach Monaco gebucht. Auf der Rechnung hiess es: «Die Reise wird von der italienischen Firma Timber Class durchgeführt. Timber Class ist bei der Helvetia Assicurazioni gemäss den gesetzlichen Bestimmungen versichert.»
Wer nun denkt, es handle sich um eine Reisegarantie für den Fall eines Konkurses, irrt. «Helvetia Assicurazioni Italien betreibt die Reisegarantie-Versicherung nicht und hat sie nie betrieben», schreibt die hiesige Helvetia Patria dem K-Tipp. Und weiter: «Die deutschen Verbraucherzentralen warnen davor, bei Express Tours zu buchen und Vorauszahlungen zu leisten.»
Express-Tours-Chef Albert Sigl gibt den schwarzen Peter an Timber Class weiter: «Sollte Timber Class nicht alle gesetzlichen Vorschriften zum Insolvenzschutz eingehalten haben, wäre dies eine Verletzung des mit uns abgeschlossenen Vertrages.»