Die Postcard ist beliebt - auch bei Dieben
Für Diebe ist die Kontokarte der Post besonders attraktiv: Sie können innert kürzester Zeit bis 8000 Franken abheben - falls sie den Code kennen.
Inhalt
K-Tipp 20/2002
27.11.2002
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Offensichtlich waren hier professionelle Diebe am Werk», ist Viviane Hunziker aus Oberrieden ZH überzeugt. «Die wissen genau, wie leicht man mit einer gestohlenen Postcard zu Geld kommt.»
Sie spricht aus leidvoller Erfahrung. Nachdem ihr der oder die Täter das Portemonnaie und damit auch die Kontokarte des Postkontos gestohlen hatten, plünderten sie ihr Konto in Kürze um insgesamt 7996 Franken:
- Rund 10 Minuten nach dem Diebstahl hoben sie an einem nahe gele...
Offensichtlich waren hier professionelle Diebe am Werk», ist Viviane Hunziker aus Oberrieden ZH überzeugt. «Die wissen genau, wie leicht man mit einer gestohlenen Postcard zu Geld kommt.»
Sie spricht aus leidvoller Erfahrung. Nachdem ihr der oder die Täter das Portemonnaie und damit auch die Kontokarte des Postkontos gestohlen hatten, plünderten sie ihr Konto in Kürze um insgesamt 7996 Franken:
- Rund 10 Minuten nach dem Diebstahl hoben sie an einem nahe gelegenen UBS-Automaten 1000 Franken ab. Das war um 15.19 Uhr.
- Innerhalb der nächsten 44 Minuten tätigten sie an der Poststelle im Zürcher Hauptbahnhof sechs Barbezüge zu je 500 Franken.
- Anschliessend machten sie bei Interdiscount und Swisscom-Shop innert sechs Minuten drei Einkäufe für total 2325 Franken.
- In Luzern erfolgten weitere Einkäufe innert zwölf Minuten für 623 Franken.
- Drei Minuten nach Mitternacht schliesslich war der Weg frei, um den 1000-Franken-Bargeldbezug des nächsten Tages zu tätigen.
Hinzu kamen Kleinbeträge für Billettautomat und Telefonzelle.
Das Opfer ist überzeugt: «Ich war kurz vorher in der EPA am Zürcher Bellevue. Man hat mir dort beim Einkaufen über die Schulter geschaut und so den Pin-Code in Erfahrung gebracht. Ich habe ihn nirgends notiert.»
Der Fall Hunziker erinnert an einen Artikel, den der K-Tipp in Nummer 16/01 unter dem Titel «Leichtes Spiel für Diebe» veröffentlichte. Damals stahlen die Diebe mit der Postcard innert 65 Minuten 6684 Franken vom Postkonto. Und auch damals schrieb die Post: «Wir müssen davon ausgehen, dass Sie bei der Pin-Eingabe beobachtet wurden.»
Solch hohe Bezüge sind möglich, weil die geltenden Bezugslimiten die Postcard für Diebe sehr attraktiv machen:
- An Postomaten und Bancomaten kann man mit Postcard und Pin-Code pro Tag 1000 Franken abheben.
- Für Einkäufe stehen den Postcard-Inhabern zusätzlich 3000 Franken pro Monat zur Verfügung. Auch hier braucht es den Code. Eine Unterschrift wird im Geschäft nicht verlangt. Neuerdings können Diebe mit Postcard und Pin-Code (wie übrigens auch mit Kreditkarten) an SBB-Billettautomaten ihre Handy-Prepaykarten aufladen.
- Am Postschalter kann man mit der Postcard über das ganze Guthaben verfügen - und zwar bis zum Betrag von 4000 Franken ebenfalls ohne Ausweis und Unterschrift. Postcard am Kartenlesegerät einschieben, den Code eintippen, die gewünschte Summe nennen - schon schiebt das Schalterpersonal das Geld rüber.
Mit anderen Worten: Wenn auf dem Konto genügend Geld liegt, können gewiefte und schnelle Diebe mit der Postcard an einem einzigen Tag 8000 Franken erbeuten. Bei den Banken liegen die Limiten tiefer (siehe K-Tipp 16/01).
Diebe erspähen den Code beim Eintippen
Damit ist ein Ärgernis angesprochen, das viele Konsumentinnen und Konsumenten kennen: Die Apparate, an denen man beim Einkaufen den Code eintippen muss, sind oft so postiert, dass Böswillige den Code beim Eintippen problemlos erspähen können.
Das gilt nicht nur für die gelbe Postcard, sondern auch für die diversen Bank- und Kreditkarten und für den Barbezug an Geldautomaten.
So kann sich die Post elegant aus der Affäre stehlen. «Die Endplatzierung in den Geschäften ist Sache des Handels», schreibt Post-Mediensprecher Alex Josty - ohne zu erwähnen, dass auch die Lesegeräte in vielen Poststellen den Einblick problemlos zulassen.
«Dieses Problem wurde zum Teil sträflich vernachlässigt», bestätigt Pierre-André Steim vom Verband Elektronischer Zahlungsverkehr. Er will nun das Malaise anpacken und den Ladengeschäften Empfehlungen abgeben für das vor den Blicken Dritter geschützte Aufstellen der Lesegeräte.
Unabhängig davon müssen sich Konsumentinnen und Konsumenten auch selber schützen - indem sie die Karte wie Bargeld hüten und sie nur mit äusserster Sorgfalt verwenden.
Schreiben Sie Ihren Code nirgends auf
Das sind die wichtigsten Tipps:
- Ändern Sie den Code gleich nach Erhalt in eine Zahlenkombination, die Sie sich gut merken können. Wählen Sie aber niemals leicht zu eruierende Kombinationen wie Telefonnummern oder Geburtstage.
- Hüten Sie Ihren Code so streng wie ein persönliches Geheimnis. Behalten Sie ihn nur im Kopf. Notieren Sie ihn nirgends - auch nicht in verschlüsselter Form. Nennen Sie den Code nie einer anderen Person - selbst wenn diese sich am Telefon als Polizist, als Mitarbeiter des Card-Centers oder einer Bank ausgibt.
- Bedecken Sie das Kartenlesegerät mit Ihrem Körper oder mit Ihrer Hand, wenn Sie den Code eintippen.
- Lassen Sie sich beim Bargeldbezug an Automaten nicht von Fremden ansprechen oder ablenken. Trickdiebe versuchen oft, bei Bedienungsproblemen am Automaten zu «helfen». Vermeiden Sie es in einer solchen Situation, den Code noch einmal einzutippen. Brechen Sie die Transaktion sofort ab, wenn Sie von Unbekannten angesprochen werden.
- Melden Sie den Kartenverlust sofort der Sperrhotline, falls der Automat die Karte anscheinend nicht mehr herausgibt. Immer häufiger manipulieren Diebe den Automaten so, dass er die Karte später doch wieder ausspuckt.
- Achten Sie darauf, ob Sie nach einer Transaktion angerempelt werden. Dann ist die Gefahr am grössten, dass man Ihnen das Portemonnaie oder die Karte stiehlt.
- Lassen Sie eine gestohlene Karte sofort sperren. Notieren Sie die Nummer der Sperrhotline der zuständigen Bank an verschiedenen Orten, damit Sie sie schnell zur Hand haben. Speichern Sie sie auch in Ihrem Handy. Die jeweiligen Sperrhotlines sind 24 Stunden am Tag erreichbar.
- Sie können die Bezugslimiten nach unten setzen, um das Verlustrisiko zu begrenzen. Bei der Postcard kann man aber nur die erwähnte Monatslimite von 3000 Franken für Einkäufe begrenzen, die anderen Limiten sind fix. Auch bei Bankkarten ist es möglich, die Bezugslimite zu senken.
Die Entschädigungspraxis der Post ist undurchsichtig
Der Besitzer haftet für unrechtmässige Bezüge mit seiner Karte - solange sie nicht gesperrt ist.
Besitzer aller Karten zum Geldbezug oder Einkauf haften grundsätzlich voll für unrechtmässige Bezüge mit ihrer Karte, solange sie eine gestohlene oder verlorene Karte nicht sperren lassen. Im Prinzip haben sie also für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Rückerstattung.
Der Grund: Post und Banken schieben in solchen Fällen das Risiko einseitig dem Konsumenten in die Schuhe. Wenn ein Bezug mit Code möglich war, kann der Dieb ihrer Ansicht nach nur durch Nachlässigkeit des Besitzers zum Code gekommen sein. Den Code mit technischen Mitteln zu eruieren sei nicht möglich. Der Kunde müsste beweisen, dass es anders war - und das ist in der Regel nicht möglich.
Banken und Post haben aber so genannte Schadenkommissionen, die dem Kunden auf freiwilliger Basis einen Teil des Schadens dennoch ersetzen.
Die Banken übernehmen in der Regel 80 Prozent des Schadens auf freiwilliger Basis - aber nur, falls der Karteninhaber die geforderte Sorgfaltspflicht beachtet hat, also zum Beispiel den Pin-Code nirgends notiert und den Verlust der Karte sofort gemeldet hat.
Die dem K-Tipp vorliegenden Fälle mit der Postcard lassen den Schluss zu, dass sich Hartnäckigkeit für die Betroffenen auszahlt:
- Bei der im Artikel erwähnten Viviane Hunziker offerierte die Post zuerst 25 Prozent, ging dann aber auf 50 Prozent hoch, nachdem Hunziker reklamiert hatte.
- Im Fall, den der K-Tipp in Nummer 16/01 schilderte, erhielt die Betroffene von der Post am Schluss 60 Prozent des Schadens ersetzt - obwohl ihr Post-Konzernleiter Ulrich Gygi vorgängig persönlich geschrieben hatte, 40 Prozent seien «grosszügig» und es bleibe dabei. Das sei ein interner Fehler gewesen, sagt Sprecher Alex Josty.
- In einem anderen, ähnlich gelagerten Fall ersetzte die Post nur 20 Prozent. Die betroffene Frau hatte das erste Entschädigungsangebot der Post akzeptiert.
Jeder Fall werde «einzeln beurteilt», sagt Josty. Im Normalfall ändere die Post ihren Entscheid nicht, wenn der Kunde mit dem ersten Entschädigungsvorschlag nicht einverstanden sei.