Die Postfinance zieht die Schrauben an: Seit Anfang Februar zahlen Privatkunden einen Negativzins von 0,75 Prozent, wenn sie mehr als 100 000 Franken auf ihren Konten und keine weiteren Produkte haben. Eingeführt hat die Postfinance die Negativzinsen vor vier Jahren. Seither hat sie den Freibetrag kontinuierlich gesenkt.
Recherchen von K-Tipp zeigen jetzt: Für Geschäftskunden kommt es noch dicker. Zurzeit gesteht ihnen die Postfinance noch einen individuell berechneten Freibetrag auf dem Konto zu. Das heisst: Firmen dürfen so viel Geld darauf halten, dass sie gerade noch die Löhne und die Rechnungen für einen Monat zahlen können. Auf die Summe, die den Freibetrag übersteigt, zahlen sie Negativzinsen – also eine Gebühr auf ihrem Guthaben.
Ab April greift die Postfinance Firmen nun noch mehr in die Kasse: Sie müssen auf ihren Postfinancekonten neu vom ersten Franken an eine Gebühr von 0,3 Prozent zahlen. Zudem senkt die Staatsbank per Mai die Schwellenwerte für jene Beträge auf dem Konto, die mit 0,75 Prozent belastet werden. Diese Kosten treffen Grossunternehmen ebenso wie Bäcker, Beizer oder Coiffeure.
Die Postfinance begründet die Gebühren gegenüber dem K-Tipp so: «Neu wird Liquidität bereits ab dem ersten Franken bepreist.» Im Klartext: Firmen mit Kontoguthaben werden bestraft. Die Bank werde «die negativen Marktzinsen verstärkt an Firmenkunden weitergeben». Die Höhe der Negativzinsen sei je nach Firma individuell und betreffe «einige tausend unserer 275 000 Geschäftskunden».
140 Millionen Franken Gewinn in 9 Monaten
Die Postfinance erhöht die Negativzinsen ohne Not. Denn 2019 steigerte sie den Gewinn auf 246 Millionen Franken. Auch 2020 sieht sehr gut aus: Allein in den ersten neun Monaten des letzten Jahres erwirtschaftete die Postbank 140 Millionen Franken Gewinn. Die Postfinance erhöht also die Gebühren auf den Konten, obwohl sie tiefschwarze Zahlen schreibt. Die Gewinne erstaunen nicht:
Die Postfinance zahlt der Nationalbank immer weniger Negativzinsen. 2016 waren es 24 Millionen Franken, 2019 nur 5 Millionen.
Trotzdem knöpft sie ihren Kunden und den Banken immer mehr Negativzinsen ab. Die Einnahmen aus Negativzinsen stiegen laut Geschäftsbericht in der gleichen Zeit von 12 auf 65 Millionen Franken.
Die Nationalbank kam den Banken sogar noch entgegen: Im November 2019 erhöhte sie den Freibetrag, auf dem die Postfinance keinen Negativzins entrichten muss, von 35 auf 45 Milliarden. Trotzdem lebt auch die Nationalbank sehr gut von den Negativzinsen: Für 2020 rechnet sie mit einem Gewinn von 21 Milliarden – davon stammen 2 Milliarden aus Negativzinsen.
Die Postfinance erhöhte in den letzten Jahren die Gebühren immer wieder und verschärfte die Negativzins-Bedingungen. Resultat: Die Zahl der Privatkunden ist seit 2016 rückläufig (minus 7 Prozent), die Zahl der Geschäftskunden schon seit 2014 (minus 10 Prozent).
Aber im Moment gilt die Sorge der Postfinance-Verantwortlichen offenbar weniger dem Wohl der Kunden als vielmehr der angepeilten Privatisierung. Bereits 2016 sagte Postfinance-Chef Hansruedi Köng: «Ein Börsengang wäre eine intelligente Lösung.» Ende Januar beschloss auch der Bundesrat, dass er die Postfinance privatisieren will.
Je mehr Gewinn die Postfinance macht, umso attraktiver wird sie für künftige Aktionäre. Und umso mehr Geld geht an den Bund für den Verkauf der Aktien.
Da trifft es sich gut, dass der Verwaltungsratspräsident der Postfinance Rolf Watter heisst. Er ist Rechtsanwalt und hat nach eigenen Angaben «breite Erfahrung in allen Arten» von Fusionen und Unternehmensverkäufen.
«Zinspolitik ist Sache der Postfinance»
Der K-Tipp wollte von der für die Postfinance zuständigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga wissen, ob sie bei der Bundestochter Einfluss nehmen werde, damit diese die Strafzinsen für Firmen rückgängig mache. Die Bundesrätin liess ausrichten, die Zinspolitik falle
«in die Zuständigkeit und Verantwortung der Postfinance».
Höhere Gebühren muss man nicht akzeptieren
Führt die Postfinance neue Negativzinsen oder andere Gebührenerhöhungen ein, handelt es sich dabei um eine Vertragsänderung. Sie ist nur mit dem Einverständnis der Kunden möglich. Falls diese das ablehnen, gilt betreffend Kontogebühren der bisherige Vertrag weiterhin, bis ihn eine der beiden Parteien kündigt («Saldo» 15/2019).