Jean-Luc Maag aus Birsfelden BL hat ein Konto bei der Postfinance. Wie viele andere Kunden erhielt er kürzlich ein Schreiben der Postbank. Sie wollte wissen, welchen Beruf er ausübt, wo er arbeitet und wie viel er brutto verdient.
Die Postfinance begründet ihre Fragen damit, sie sei gesetzlich verpflichtet, Kundendaten regelmässig zu prüfen und zu aktualisieren. Maag weigerte sich, diese Angaben zu liefern: «Das geht zu weit – ich denke nicht, dass diese Angaben für die Geschäftsbeziehung nötig sind.»
Postfinance-Kunde Hans Rudolf Schmutz aus Langnau BE hat das Gleiche erlebt. Auch er beantwortete den Brief der Postbank nicht. Darauf drohte ihm die Postfinance: «Sollten wir keine Rückmeldung von Ihnen erhalten, sehen wir uns gezwungen, die Geschäftsbeziehung aufzulösen.»
2,5 Millionen Kunden sind betroffen
Gegenüber dem K-Tipp erklärt Postfinance, sie erhebe die Daten über Beruf, Arbeitgeber und Lohn zeitlich gestaffelt von allen Kunden – also von insgesamt rund 2,5 Millionen Personen. Sie begründet dies mit dem Geldwäschereigesetz: «Wir kommen so unserer Sorgfaltspflicht nach.» Die Finanzmarktaufsicht Finma äussert sich zu dieser Begründung nicht. Auch Post-chef Christian Levrat (SP) nahm zum Vorgehen der Postfinance nicht Stellung.
«Rechtsgrundlage fehlt»
Fakt ist: Die Postfinance kann ihr Vorgehen weder auf ein Gesetz noch eine Verordnung stützen – sofern ein Kunde nicht zusätzlich zum Konto eine Kreditkarte beantragt. Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Uni Bern, bestätigt: «Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Postfinance, ohne besonderen Anlass von Kunden den Namen des Arbeitgebers, den Beruf und den Lohn zu verlangen.»
Die Postfinance kann sich laut Kunz auch nicht auf das Geldwäschereigesetz berufen. Es erlaubt eine Nachforschung nur im Einzelfall, wenn bei einem Kunden verdächtige Transaktionen beobachtet werden. Das Gesetz schreibt Banken vor, bei einer unüblichen Transaktion oder einem Verdacht auf ein Finanzdelikt den Grund der Zahlung und die Geschäftsbeziehung genauer abzuklären. Dann dürfte die Bank vom Kunden weitere Informationen einfordern.
Was Kundendaten betrifft, sind andere Banken zurückhaltender. Ina Gammerdinger von der Zürcher Kantonalbank: «Wir erheben solche Daten nicht flächendeckend. Bankeninstitute sind dazu nicht verpflichtet.» Auch die Credit Suisse sagt, sie hole solche Daten «nur situationsbezogen» ein, wenn «ein geldwäschereirelevantes Risiko» bestehe.
Rechtlich haltlos ist auch die Drohung der Postbank, die Geschäftsbeziehung aufzulösen, wenn Kunden die gestellten Fragen nicht beantworten. Denn die Postfinance hat einen Grundversorgungsauftrag des Bundes. Sie muss laut Gesetz jeder in der Schweiz wohnhaften Person ein Zahlungskonto zur Verfügung stellen. Das hielt das Bundesgericht letztmals in einem Urteil vom 25. März 2022 fest.
Mit Erfolg geklagt hatte der in der Schweiz wohnhafte russische Milliardär Viktor Vekselberg, weil ihm die Postfinance das Konto gekündigt hatte – als Folge von Sanktionen der USA gegen Bürger von Russland. Das Gericht verpflichtete die Postfinance, die Geschäftsbeziehung mit Vekselberg weiterzuführen. Für das Vorgehen der Post fehle eine Rechtsgrundlage.
Kundendaten lassen sich zu Geld machen
Der Bankenombudsmann Andreas Barfuss vermutet, dass die Postfinance die zusätzlichen Kundendaten auch deshalb sammelt, um «das Marketingprofil der Kunden zu schärfen» – vor allem wenn spezifische Daten abgefragt würden, ohne dass ein Kunde besondere Dienstleistungen wie etwa eine Kreditkarte beantrage.
Für die Postfinance sind die Kundendaten mit Angaben zur Kaufkraft bares Geld wert. Die Postbank versichert zwar, sie verkaufe die Daten nicht weiter. Sie benutzt diese laut der eigenen Datenschutzerklärung aber, um Produkte anderer Unternehmen wie Versicherungen oder Hypotheken zu vermitteln. Wie viel die Unternehmen dafür zahlen, sagt die Postfinance nicht.
Die Postbank kündigte einmal einem Kunden das Konto, weil er nicht wollte, dass seine persönlichen Zahlungsdaten für Werbezwecke analysiert werden (K-Tipp 14/2015). Das Bundesamt für Kommunikation erklärte das Vorgehen der Post für unzulässig.
So können sich Postfinance-Kunden wehren
Kunden müssen der Postfinance keine Angaben zu ihrem Beruf, zu Arbeitgeber und Lohn machen. Sie können den entsprechenden Brief deshalb einfach unbeantwortet lassen oder der Postfinance mitteilen, dass sie die geforderten Angaben nicht liefern. Darin kann man darauf verweisen, dass es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.
Falls die Postfinance das Konto ohne zulässige Begründung kündigen sollte, bietet der K-Tipp Rechtsschutz. Unterlagen sind erhältlich bei: K-Tipp, Postfach, 8024 Zürich oder via redaktion@ktipp.ch.
«Das Erheben solcher Kundendaten geht zu weit»
Das sagen Parlamentarier der für die Post zuständigen Nationalratskommission zum Datenhunger der Postfinance:
Katja Christ, GLP, BS
«Das Erheben solcher Daten durch die Postfinance ist nur zulässig, wenn aussergewöhnliche Geldflüsse stattfinden oder wenn es das Bankgeschäft rechtfertigt, etwa bei Krediten oder Hypotheken.»
Christian Wasserfallen, FDP, BE
«Flächendeckende Erhebungen bei Kunden ohne erkennbares Risiko gehen klar zu weit. Ich war vor einigen Jahren selber davon betroffen und habe mein Postkonto unter anderem deswegen aufgelöst.»
Florence Brenzikofer, Grüne, BL
«Weder das Gesetz noch die Verordnungen schreiben eine derart detaillierte Überprüfung aller Bankkunden vor. Der Postfinance empfehlen wir, keine solchen Daten auf Vorrat zu sammeln.»