Das Parlament in Bern beschäftigte sich in den vergangenen vier Jahren insgesamt 160 Mal mit Anträgen, welche die teils massiven Aufschläge bei Krankenkassenprämien, Mieten, Energie, Post, Bahn und Bus ins Visier nahmen.
Das erstaunt nicht. Denn viele Preiserhöhungen gehen auf politische Entscheide zurück: Die Krankenkassenprämien müssen jeweils vom Bundesamt für Gesundheit bewilligt werden, die Mehrwertsteuererhöhung für 2024 geht auf einen Parlamentsentscheid zurück. Und die hohen Energiepreise haben ihren Ursprung teils bei Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die der Bundesrat von den USA und der EU übernahm.
Andere Aufschläge wie die steigenden Preise bei Post und SBB sind von den Bundesbetrieben hausgemacht. Und die Mieten steigen vor allem aufgrund der Leitzinserhöhungen der Nationalbank.
Bei vielen Geschäften wurde nur geredet
160 Geschäfte zu steigenden Preisen – das tönt nach viel. Nur: Bei 49 davon gab es zwar viel zu reden und zu schreiben, aber nichts zu beschliessen. Denn es handelte sich dabei um Interpellationen und einfache Fragen aus dem Parlament.
Solche muss der Bundesrat bloss beantworten. Sie zwingen ihn nicht, etwas zu unternehmen. Von den Geschäften, die konkrete Massnahmen gegen Preisaufschläge forderten, sind 29 im Parlament noch hängig. Und 64 blieben in den eidgenössischen Räten auf der Strecke.
Immer wieder Nein zu Entlastungen
So verlangte zum Beispiel FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (VS), den Parallelimport von Medikamenten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum zuzulassen, um Krankheitskosten zu sparen. Der Nationalrat stimmte deutlich zu, doch der Ständerat versenkte den Vorstoss oppositionslos.
Nein sagte der Ständerat auch zur Forderung der SP, den Beitrag des Bundes an die Prämienverbilligung für das Jahr 2023 um 30 Prozent zu erhöhen. Der Nationalrat hatte knapp zugestimmt dank SP, Grünen und der geschlossenen Mitte-Partei. Im Ständerat war ein Teil der Mitte-Leute dagegen.
SP-Nationalrat Christian Dandrès (GE) wiederum wollte die Heizkosten für Mieter plafonieren lassen, scheiterte damit aber im Nationalrat am Widerstand von Mitte-Rechts. Und die Forderung von Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri (TI), der Post höhere Schaltergebühren zu verbieten, wurde vom Rat auf die lange Bank geschoben und nach zwei Jahren ergebnislos abgeschrieben.
Interessenvertreter gegen tiefere Kosten
Erfolgreich waren im Parlament fast nur «harmlose» Begehren – etwa die Aufforderung von FDP-Ständerat Damian Müller (LU) an den Bundesrat, die Ursachen für die tiefe Leerwohnungsquote in der Schweiz zu untersuchen. Die Räte überwiesen im Herbst 2022 mit knappem Mehr auch einen Vorstoss, der den sofortigen vollen Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten forderte. Zur konkreten Gesetzesänderung sagten sie im Frühling 2023 dann aber knapp Nein.
Das Unvermögen des Parlaments, die Bevölkerung rasch und wirksam zu entlasten, kritisiert Mitte-Präsident Gerhard Pfister gegenüber dem K-Tipp scharf: Die Akteure des Gesundheitssystems wie Ärzte, Pharmafirmen, kantonale Gesundheitsdirektoren und Krankenkassen sowie deren Interessenvertreter im Parlament würden es regelmässig schaffen, Massnahmen zur Kostensenkung zu verhindern. «Ausbaden müssen das die Prämienzahler», sagt Pfister.
SP und SVP mit den meisten Vorstössen
Die meisten Vorstösse, die Preisaufschläge ins Visier nahmen, stammten von der SP (56) und der SVP (31). Dahinter folgten Grüne (27), Mitte (19) und FDP (13). Die SVP war einzig beim Thema der steigenden Mieten zurückhaltender als die SP – in der Regierung ist SVP-Bundesrat Guy Parmelin für das Dossier zuständig. Von der SP kamen 23 Vorstösse in dieser Sache.
So kritisierte etwa Nationalrätin Samira Marti (SP, BL) in einer Interpellation die Leitzinserhöhungen der Nationalbank, die «zu Reallohnsenkungen und zu steigenden Wohnkosten führen». Vom Bundesrat wollte sie wissen, was er zum Schutz der Kaufkraft zu tun gedenke. Einstweilen nichts, antwortete dieser sinngemäss. Damit war der Vorstoss erledigt.
Bei den steigenden Tarifen der Post hielten sich die Sozialdemokraten auffällig zurück. Auf Anfang 2024 erhöht der Bundesbetrieb trotz hohen Gewinnen nicht nur die Paketpreise, sondern – zum zweiten Mal innert zwei Jahren – auch die Porti für die A-Post (auf Fr. 1.20) und die B-Post (auf Fr. 1.–).
Aus der SP kam kein einziger kritischer Vorstoss zu Aufschlägen bei der Post, seit ihr früherer Präsident Christian Levrat im Dezember 2021 das Amt des Post-Verwaltungsratspräsidenten übernahm.
Bundesrat bleibt untätig
Beim Bekämpfen von Preissteigerungen zeigte der Bundesrat in den vergangenen vier Jahren nur selten Eigeninitiative. So schickte er etwa zum Problem der hohen Krankheitskosten zwei Vorlagen ins Parlament. Die eine ist dort noch hängig. Der anderen zogen die Räte einige Zähne: Sie strichen unter anderem den Vorschlag, für Generika Maximalpreise in der Grundversicherung festzusetzen – und verhinderten so jährliche Einsparungen bis zu 500 Millionen Franken.
Für den Sparvorschlag hatten vor allem Mitglieder der SP und der Mitte gestimmt, die anderen Parteien waren mehrheitlich dagegen. Als Reaktion beschloss der Bundesrat: Ab 2024 müssen Patienten 40 Prozent der Kosten selber bezahlen, wenn sie auf einem teuren Originalmedikament beharren.
Zu den steigenden Mieten schrieb die Regierung in Antworten auf parlamentarische Vorstösse immer wieder: «Der Bundesrat verfolgt die Entwicklung aufmerksam.» Fast alle Vorstösse aus dem Parlament empfahl die Regierung aber zur Ablehnung. Was Inflation und steigende Strompreise betrifft, sagte sie mehrmals, sie sehe «keinen Bedarf für dringende Massnahmen».
Bei den Tarifaufschlägen von Post und öffentlichem Verkehr begnügte sich der Bundesrat mit dem Hinweis, er erwarte, «dass die zuständigen Gremien der Branche Preisanpassungen mit Bedacht vornehmen». SBB und Post sind Bundesbetriebe. Der Bundesrat könnte den Preiserhöhungen also entgegentreten – wenn er denn wollte.