«Die Renten werden auch morgen sicher sein»
Was vor Abstimmungen in Inseraten und auf Plakaten behauptet wird, stimmt häufig nicht. Das zeigt die millionenschwere Kampagne der Befürworter der Rentenkürzung.
Inhalt
K-Tipp 04/2010
21.02.2010
Letzte Aktualisierung:
23.02.2010
Beatrice Walder K-Tipp
Diese Todesanzeige war unübersehbar: «Ihre Rente ist heute in ihrem 26. Lebensjahr dem ideologischen Streben von Gewerkschaftsbund, Unia und K-Tipp zum Opfer gefallen.» Mit diesem Inserat im «Blick am Abend» (siehe Bild im pdf-Artikel) prophezeiten die Jungfreisinnigen des Kantons Zürich den Verlust der Pensionskassenrente, falls am 7. März an der Urne kein Ja eingelegt wird.
In zahlreichen anderen Inseraten und Plakaten wird seit Monaten f&uu...
Diese Todesanzeige war unübersehbar: «Ihre Rente ist heute in ihrem 26. Lebensjahr dem ideologischen Streben von Gewerkschaftsbund, Unia und K-Tipp zum Opfer gefallen.» Mit diesem Inserat im «Blick am Abend» (siehe Bild im pdf-Artikel) prophezeiten die Jungfreisinnigen des Kantons Zürich den Verlust der Pensionskassenrente, falls am 7. März an der Urne kein Ja eingelegt wird.
In zahlreichen anderen Inseraten und Plakaten wird seit Monaten für die Ja-Parole zur Senkung des Umwandlungssatzes geworben. Dabei werden die Tatsachen auf den Kopf gestellt, die Stimmbürger mit Falschbehauptungen absichtlich verwirrt. Dies das Fazit der drei Vorsorge-Spezialisten (siehe unten), die fünf Anzeigen der Befürworter der Rentenkürzung unter die Lupe genommen haben.
Behauptet wird: Die Renten werden aufgehoben.
Tatsache ist:
Brändli: «Die Jungfreisinnigen bezichtigen ihre Gegner des Rentenmords. Das ist eine böswillige Unterstellung. Das Umgekehrte ist richtig: Es ist nicht notwendig, dass die Renten gekürzt werden. Die Pensionskassen haben schon immer Renten über dem gesetzlichen Minimum erwirtschaftet. Statt einer Senkung der Renten sind risikogerechte Vermögensanlagen gefordert.»
Häberli: «Die Verwaltungskosten der 2. Säule betragen offiziell fast 4 Milliarden Franken pro Jahr. Inoffiziell sind es laut ‹Bilanz› weitere 4 Milliarden, die von den Banken kassiert werden. Deshalb müssen die Renten nicht gekürzt werden.»
Behauptet wird: Die Renten sind nicht mehr sicher.
Tatsache ist:
Häberli: «Diejenigen, welche die Altersguthaben auf diesem Bild für sich in Sicherheit bringen, sind die Manager und die Vermögensberater. Wie Motten fressen diese zurzeit Löcher in die Vorsorgekassen und nehmen sich laut ‹Bilanz› zehnmal mehr, als durch die Senkung des Umwandlungssatzes eingespart werden kann.»
Piller: «Die Linke stiehlt nichts, sie will nur verhindern, dass gestohlen wird. Die Pensionskassenrenten sind heute sicher und werden es auch noch morgen sein.»
Brändli: «Mit einem Ja sollen wahrscheinlich die Einnahmen der Versicherer im Vorsorgegeschäft gesichert werden. Versicherungsgesellschaften sind aber fürs Pensionskassengeschäft nicht geeignet.»
Behauptet wird: Die Jungen müssen die 2. Säule sanieren, sonst gehen sie leer aus.
Tatsache ist:
Brändli: «Auch hier ist das Gegenteil der Fall: Die Jungen haben nur dann einen Nachteil, wenn sie mit einem Ja am 7. März zustimmen, dass ihre spätere Rente gekürzt wird. Tatsache ist: Pensionskassen sind äusserst risikofähig. Sie eignen sich für langfristige Anlagestrategien und halten vorübergehenden Marktschwankungen stand. Das Vermögen der Kassen ist in der Vergangenheit viel stärker gewachsen, als Altersguthaben ausbezahlt werden mussten. Ein vorauseilender Rentenverzicht ist darum – auch bei momentan tiefen Zinsen – nicht angezeigt.»
Piller: «Diese Aussage ist falsch. Die steigende Lebenserwartung wurde ohnehin bereits bei der letzten Gesetzesrevision berücksichtigt. Eine weitere Senkung führt zu massiven Rentenkürzungen – auch und gerade bei den Jungen.»
Behauptet wird: Es entsteht ein Schuldenberg, den die Erwerbstätigen finanzieren müssen.
Tatsache ist:
Brändli: «Diese Behauptung ist falsch. Die Altersrenten der Pensionskassen werden durch die eigenen Beiträge der Erwerbstätigen sowie Zinsgutschriften finanziert. Wenn der Umwandlungssatz hingegen weiter schrumpft, müssen die Lohnabzüge erhöht werden, damit das Ziel der 2. Säule erreicht wird: eine Altersrente in der Höhe von 60 Prozent des letzten Einkommens vor der Pensionierung zu erhalten.»
Piller: «Es gibt keinen Schuldenberg – und es wird auch keiner entstehen. Das Einzige, was an Berg vorhanden ist, sind aufgeblasene Verwaltungskosten.»
Behauptet wird: Es entsteht ein Rentenloch, das die Jungen finanzieren müssen.
Tatsache ist:
Brändli: «Junge graben sich ihr eigenes Rentenloch, wenn sie am 7. März voreilig mit einem Ja auf ihre berechtigten Ansprüche verzichten. Die Erfahrung zeigt, dass Pensionskassen hohe Renten erwirtschaften können und trotz der zunehmenden Lebenserwartung problemlos zu Rande kommen.»
Häberli: «Für die künftigen Renten reicht das angesparte Geld, wenn es zu fairen Bedingungen angelegt werden kann. Mit den hohen Verwaltungskosten wird den Jungen unnötig viel weggenommen.»
Piller: «Wer seriös rechnet, stellt fest, dass es kein Rentenloch gibt. Das bestätigen auch namhafte Vertreter der grössten autonomen Pensionskassen in der Schweiz, wie jene der Post und der Novartis.»
Kürzung kostet die Steuerzahler Millionen
Können Rentner von ihrem Einkommen nicht leben, muss der Staat aushelfen. Bei einer Senkung des Umwandlungssatzes müssten die Steuerzahler für Rentenausfälle aufkommen.
Ende 2008 waren in der Schweiz 159‘000 AHV-Rentner auf Ergänzungsleistungen (EL) angewiesen. Insgesamt erhielten sie rund 2 Milliarden Franken. Auf EL haben Pensionierte Anspruch, wenn ihre Rente von AHV und Pensionskasse nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese EL werden vom Bund und von den Kantonen – also von den Steuerzahlern – finanziert.
Pro Jahr kommen in der Schweiz rund 20‘000 Personen neu ins Rentenalter. Würde ihre Pensionskassenrente wegen einer Senkung des Umwandlungssatzes auf 6,4 Prozent in Zukunft tiefer ausfallen, müssten entsprechend mehr EL ausbezahlt werden. Denn die kleinere Rente würde die Zahl der EL-Berechtigten erhöhen. Und die durchschnittliche Höhe der EL würde steigen.
Nach Berechnungen des K-Tipp müssten die Steuerzahler bei einem Ja am 7. März mit jährlichen Mehrausgaben in zweistelliger Millionenhöhe rechnen. Tendenz steigend.
Herbert Brändli
Pensionskassenexperte und Geschäftsleiter der B+B Vorsorge AG
Christoph Häberli
Mitglied des Stiftungsrats der Pensionskasse des schweizerischen Baumeisterverbandes
Otto Piller
Ehemaliger Direktor des Bundesamts für Sozialversicherungen