Ende August 2005 war der UBS-Kunde noch stolzer Besitzer von 100'000 Franken. Sie lagen auf seinem Konto. Doch dann ging Markus Wiener (Name geändert) in eine UBS-Filiale, weil er in Wertpapiere investieren wollte. Dort empfahl man ihm, die ganze Summe in einen einzigen Fonds zu legen.
Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise von 2008 verkaufte Wiener seine Anteile wieder – mit einem Verlust von exakt 32,9 Prozent. Der Sparer wurde auch Opfer der massiven Börsentaucher. Anhand seines Falls lassen sich jedoch typische Regeln ableiten, die man bei Börseninvestitionen beachten sollte.
Tückische Risikotoleranz
Zum Beratungsprozess der Banken gehört heute zwingend die Ermittlung des Risikoprofils – unter anderem mit der Frage an den Kunden: «Wie viel darf Ihre Anlage höchstens verlieren, damit Sie trotzdem noch ruhig schlafen können?» So wird die Risikotoleranz ermittelt, oft auch «tolerierte Bandbreite» genannt. Im konkreten Fall wurde sie von der Bank zusammen mit dem Kunden bei 10 Prozent fixiert.
Viele Anleger betrachten das als echte Verlustgrenze – und wiegen sich in falscher Sicherheit. Denn die Risikotoleranz gibt nur einen Durchschnittswert an. Die Erfahrung und die Statistik zeigen: In der Hälfte der Fälle fällt der Verlust kleiner aus – oder auch grösser. Die Risikotoleranz kann also nicht verhindern, dass der Verlust dramatischer ausfällt. Sie ist keine Garantie, sondern nur ein Mittelwert. Die Banken wissen das genau – aber in der Anlageberatung ist das meist kein Thema.
Produktenamen, die zu viel versprechen
Wiener liess sich von der UBS einen hausgemachten sogenannten «Absolute Return»-Fonds andrehen. Das sind Fonds, die «unabhängig von der allgemeinen Markttendenz eine absolute, positive Rendite anstreben». So steht es noch heute auf der Werbeplattform des Fondsverbands. Doch das Konzept (positive Rendite in jedem Marktumfeld) hat völlig versagt.
In der Finanzkrise von 2008 büssten diese Fonds – wie die meisten anderen – massiv an Wert ein. Besonders schlimm hat es die Absolute-Return-Fonds der UBS erwischt. Die Anteile des Fonds, den Wiener hatte, sackten innerhalb von gut zwei Jahren von 104 auf 63 Franken hinab. Die UBS schrieb ihrem Kunden, schuld seien die «ausserordentlichen Marktverwerfungen» und die «geradezu abnormale, extreme Krise der Finanzmärkte». Tipp: Lassen Sie sich nicht von den Verlockungen und blumigen Marketingsprüchen der Banken blenden. Denn Krisen und Börsenabstürze gibt es immer wieder.
Nur hauseigene Produkte zur Auswahl
Wer sich von einer Bank einen Anlagevorschlag machen lässt, muss damit rechnen, dass der Berater nur die hauseigenen Produkte empfiehlt – egal, ob sie gut sind oder nicht. Damit haben die Banken nicht das Wohl des Kunden im Blick, sondern nur den eigenen Profit. In Deutschland gibt es dazu den Begriff der «AD-Kunden». Das sind gemäss dem Nachrichtenmagazin «Spiegel» Kunden, die von den Bankberatern so bezeichnet werden, weil sie «alt» und «doof» genug sind, um sich all das aufschwatzen zu lassen, was sich die Produktentwickler des eigenen Hauses ausdenken.
Seien Sie also auf der Hut! Gerade von UBS-Fonds ist bekannt, dass sie in den einschlägigen Ranglisten eher selten auf vorderen Plätzen auftauchen. Die UBS sagt dazu, ihr Fonds habe «dem ermittelten Bedürfnis des Kunden» entsprochen.
Keine Alternativen
Dem Kunden wurde nur ein einziger UBS-Fonds vorgeschlagen – und keinerlei Alternative. Die Bank schreibt dazu: «Alternativen aus dem Drittfonds-Bereich hätten bezüglich Rendite/Risiko- erwartungen nicht in die Empfehlung gepasst» – eine äusserst billige Ausrede. Damit wurde alles auf eine Karte gesetzt, und das widerspricht dem Grundsatz der Diversifikation, der sinngemäss lautet: «Lege nicht alle Eier in den gleichen Korb.»
Zwar sind Fonds in sich selber diversifiziert, weil sie das anvertraute Geld in viele Titel, Anlageklassen und Märkte investieren. Doch im Nachhinein kann man feststellen: Hätte der Anleger bei der UBS Obligationenfonds gezeichnet, hätte er im exakt gleichen Zeitraum mit einem bestimmten Fonds nur 9,94 Prozent verloren, mit einem anderen gar ein leichtes Plus von 0,81 Prozent erzielt. Auch in diesem Punkt ist für Wiener klar: «Die UBS hat mich enttäuscht.»
Falsche Entscheide
Wer Geld in Anlagefonds investiert, sollte einen längeren Anlagehorizont haben und nicht die Nerven verlieren, wenn die Kurse zwischenzeitlich sinken. In der Regel lohnt es sich, beim ursprünglich gefällten Anlageentscheid zu bleiben und Verluste, die dann ja nur auf dem Papier existieren, auszusitzen.
Der Anleger kaufte die Anteile zu einem Preis von 101 Franken und verkaufte sie Ende 2008 bei 69 Franken. Ende Januar 2010 standen sie wieder bei rund 82 Franken. Die UBS sagt, sie habe dem Kunden während der Abwärtsphase mehrfach vergebens einen Verkauf empfohlen.
«Ich war nicht bereit, diesen Verlust auf meinem Ersparten hinzunehmen», sagt der Mann heute. Beim tiefen Kurs von 69 Franken verloren sowohl die Bank als auch der Anleger die Nerven. Der Kunde verkaufte schliesslich – im ungünstigsten Moment und auf Anraten der Bank. Während sich der Sparer falsch beraten fühlt, sieht die UBS bei sich keinen Fehler.
Der UBS könnte man entgegenhalten: Wenn eine Bank kurzfristig zum Verkauf rät, dann hält sie sich selber nicht an das Gebot der Langfristigkeit – oder sie gesteht damit indirekt ein, dass sie dem Kunden das falsche oder ein schlechtes Produkt verkauft hat. Tipp: Wer glaubt, mit seinem Börsen-Investment grundsätzlich einen richtigen Entscheid getroffen zu haben, sollte auch in Krisenzeiten dabeibleiben und nach vorne schauen. Dann erübrigen sich regelmässige Gespräche mit dem Bankberater.