Am 4. März erledigten Walter und Elena Tavernier wie gewohnt in der Migros «Passage» in Frauenfeld TG ihren Wocheneinkauf. Wie immer benutzten sie eine bediente Kasse: Der 70-jährige Walter Tavernier legte die Waren aufs Band und bezahlte, seine 54-jährige Frau packte die Einkaufstaschen.
Dann passierte es: Beim Hinausgehen stellten sich ihnen zwei Ladendetektivinnen in den Weg. Das Ehepaar wurde aufgefordert, in einen separaten Raum zu kommen und alle Taschen auszupacken. Die Migros-Angestellten kontrollierten die Waren und den Kassenbon. Sie hatten nichts zu beanstanden.
Doch damit war die Sache nicht erledigt. Die Detektivinnen beschuldigten das Paar, 15 Tage zuvor an der Fleischtheke Rindfleisch für Fr. 35.90 entgegengenommen, aber nicht bezahlt zu haben. Das Paar war sich keines Unrechts bewusst und fragte, weshalb sie des Diebstahls bezichtigt würden. «Die Migros legte uns keine Belege vor, die uns konkret mit dem unbezahlten Fleisch in Verbindung brachten», sagt Walter Tavernier. Dennoch bezahlte er den verlangten Betrag: Er fühlte sich durch die Detektivinnen dazu gedrängt.
Migros verteidigt das fragwürdige Vorgehen
Walter Tavernier reklamierte schriftlich bei der Migros-Generaldirektion. Die Migros Ostschweiz verteidigte das Verhalten der Ladendetektivinnen – erneut ohne einen einzigen Beleg für ein allfälliges Fehlverhalten der Kunden: Das Vorgehen sei «korrekt, verhältnismässig und der Situation angepasst gewesen». Der Fall sei für die Migros nun «erledigt», weil die Taverniers die Fr. 35.90 bezahlt hätten.
Auch für das Ehepaar ist der Fall erledigt: Es kauft seither nicht mehr in der Migros ein. «Einfach jemanden ohne Beweis des Diebstahls zu beschuldigen, befremdete mich sehr», sagt Walter Tavernier.
Wichtig zu wissen: Ladendetektive haben keine polizeilichen Befugnisse. Kunden können deshalb frei entscheiden, ob sie mit ihnen reden, in einen separaten Raum mitgehen oder ihnen den Inhalt ihrer Taschen zeigen wollen. Nur Polizisten dürfen Leibesvisitationen durchführen, jemanden kontrollieren oder verhaften.
Ausnahme: Ertappt ein Detektiv jemanden auf frischer Tat bei einem Diebstahl, darf er die Person festhalten, bis die Polizei eintrifft.
Tipp: Betroffene sollten sich auf keinen Fall dazu drängen lassen, etwas Wahrheitswidriges zu unterschreiben oder ohne Fehlverhalten eine Umtriebsentschädigung zu bezahlen. Wurde ein Artikel versehentlich von einer Kassierin nicht getippt, muss der Kunde nur den Warenwert zahlen, keine zusätzliche Gebühr.
Eine Umtriebsentschädigung ist höchstens geschuldet, wenn ein Artikel durch Verschulden des Kunden nicht bezahlt wurde – sei es fahrlässig oder absichtlich. Ein Diebstahl liegt nur dann vor, wenn ein Kunde vorsätzlich Ware an sich nimmt, ohne sie zu bezahlen.