Chiara hat heute schon wieder andere Kinder angegriffen.» Solche Informationen erfuhren Eltern früher von den Kinderbetreuerinnen persönlich.Heute erhalten sie oft nur noch eine Nachricht via Handy-App. Diese speziell für Kindertagesstätten entwickelten Anwendungen heissen etwa «Nubana», «Kidesia», «Parent», «Famly» und «Leandoo».
Viele Eltern schätzen das. Doch nicht allen sind Apps geheuer. «Uns wurde sie an einer Infoveranstaltung vorgestellt – und ich war schockiert, welch heikle Daten da erhoben werden», erzählt ein Vater dem K-Tipp.
Die Aufklärungen der Apps zum Datenschutz sind sehr unterschiedlich: Die Schweizer Apps «Nubana» und «Kidesia» erläutern näher, welche Art von Daten gespeichert werden. Neben dem Geschlecht und dem Geburtsdatum der Kinder sind das etwa Angaben zu Krankheiten, Impfstatus, Allergien, Informationen zum Tagesablauf, zu spezifischen Interessen sowie Gewohnheiten und Entwicklung der Kinder. Bei den Apps «Parent» (Dänemark), «Famly» (Dänemark) und «Leandoo» (Deutschland) heisst es nur, dass die «zum Betrieb der App nötigen Daten» gespeichert werden.
Sensible Informationen beim App-Betreiber
Aus den von den Apps aufgezeichneten Angaben können die Betreiber der App oder Dritte ein detailliertes Verhaltensprofil des Kindes und der Familie erstellen: Herauslesen lässt sich nicht nur, wer das Kind wann abholt. Sondern etwa auch, wann und wie häufig die Familie in den Ferien ist.
Früher blieben solch sensible Daten in Papierdossiers vor Ort in der Kita. Heute werden die Informationen beim App-Betreiber zentral gespeichert, auf Servern in der Schweiz oder der EU. Die Firmen beteuern zwar, andere Eltern oder Dritte hätten keinen Zugang zu den persönlichen Informationen. Ob das stimmt, lässt sich aber nicht überprüfen.
Oft werden Daten unfreiwillig durch Datenlecks öffentlich. Erst kürzlich zeigte sich bei der deutschen Lern-App «Anton» eine gravierende Sicherheitslücke: Alle privaten Informationen zu Schulkindern, etwa zu ihren Interessen oder ihrem Lernfortschritt, waren ungeschützt abrufbar.
Eltern können via Kita Daten löschen lassen
Viele Kita-Verantwortliche halten die Apps trotzdem für sicher. «Die Daten bleiben in einem in sich geschlossenen System», sagt Claudia Stucki von der Kita Lilu in Pfäffikon ZH, welche die «Parent»-App nutzt.
Das Beispiel einer Kita in Zwingen BL zeigt, dass Eltern trotzdem skeptisch sind: Die Kita plant nämlich, künftig die App «Kidesia» einzusetzen. Geschäftsführerin Tanja Lienhard führte vorher eine Umfrage unter den Eltern durch. «Die Resonanz war sehr gemischt» sagte sie dem K-Tipp. Sie würde akzeptieren, dass einige Eltern die App nicht einsetzen möchten – auch wenn das für die Kita einen Mehraufwand bedeute.
Eltern können solche Kinderüberwachungs-Apps ohne Weiteres ablehnen. Charlotte Volery, Sprecherin des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten: «Eltern müssen die Wahl haben, auf eine solche App verzichten zu können. Und sie dürfen dadurch keine Nachteile haben.» Eltern können auch jederzeit über die Kita die Löschung der erfassten Daten verlangen.