Alain Moix aus Forel VD ist bei der Assura versichert. Seit Mai bezahlte die Assura die von ihm eingereichten Arztrechnungen nicht mehr: «Ein Dutzend Anrufe und eine schriftliche Reklamation brachten nichts», erzählt Moix dem K-Tipp. Ende August war ihm Assura insgesamt 3411 Franken schuldig. «Das Loch im Familienbudget macht sich bemerkbar.»
Moix’ Erfahrung mit seiner Krankenkasse ist kein Einzelfall: Auch Dominique Rey aus Ecublens VD wartet seit Mai auf die Erstattung der Arztrechnungen durch die Assura. Telefonisch konnte Rey die Kasse nicht erreichen, deshalb besuchte er im Juni die Filiale in Le Mont-sur-Lausanne VD. Dort habe man ihm versprochen, er werde das Geld Anfang August auf dem Konto haben, sagt Rey. Ende August wartete er aber immer noch auf 2031 Franken. Die Assura überwies das Geld erst, nachdem sich der K-Tipp eingeschaltet hatte.
Für solche Erfahrungen geben die Versicherten ihrer Krankenkasse keine guten Noten. Kein Wunder, landete die Assura in der repräsentativen Umfrage des K-Tipp zur Kundenzufriedenheit abgeschlagen auf dem letzten Platz – wie jedes Jahr seit 2009.
Swica holt sich den Spitzenplatz zurück
Das Luzerner Institut Link befragte im Auftrag des K-Tipp jene Krankenkassenkunden, die in den vergangenen zwei Jahren Leistungen von ihrer Versicherung beansprucht hatten. Denn: Nur wer persönliche Erfahrungen mit dem Kundendienst hat, kann dazu ein zuverlässiges Urteil abgeben. Die Fragen an die Versicherten lauteten: «Wie zufrieden waren Sie mit dem Service?» Und: «Welche Probleme gab es bei der Abwicklung?»
Das Ergebnis der aktuellen Umfrage: Am meisten sehr zufriedene Kunden hat dieses Jahr die Swica. Im Vorjahr hatte diese Krankenkasse den Spitzenplatz an die Sanitas verloren. Diese belegt nun den zweiten Platz, mit 5,5 Prozent weniger sehr zufriedenen Kunden als vergangenes Jahr (siehe Grafik im PDF).
Die Unterschiede beim Kundenservice der Kassen sind gross: Mit der Siegerin Swica sind gegen 74 Prozent sehr zufrieden, mit dem Schlusslicht Assura nur knapp 43 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr verbesserte sich die Assura aber leicht. Häufiger als bei anderen Krankenkassen bemängeln Kunden der Assura, dass sie Rechnungen zu spät zahle sowie lästige und ärgerliche Nachfragen stelle.
Assura-Sprecherin Karin Devalte bedauert den Ärger ihrer Kunden Alain Moix und Dominique Rey. Sie räumt ein, es seien Fehler passiert, die Kasse habe die Zahlungsdaten nicht korrekt hinterlegt. Das sei «weder üblich noch akzeptabel» und entspreche nicht dem normalen Service der Assura. In 90 Prozent der Fälle würden Arztrechnungen innert 30 Tagen erstattet. Assura arbeite daran, den Kundenservice zu verbessern, unter anderem durch die Entwicklung digitaler Lösungen. Das sei laut dem aktuellen Umfrageresultat auch gelungen.
Die Groupe Mutuel belegt mit nur 48,4 Prozent sehr zufriedenen Kunden in der aktuellen Umfrage wie in den zehn Jahren zuvor den zweitletzten Platz. Der Anteil der Versicherten, die mit dem Service «wenig zufrieden» oder «gar nicht zufrieden» sind, ist bei der Groupe Mutuel mit 10,8 Prozent sogar höher als bei der Assura (9,6 Prozent). Wie bei dieser ärgerten sich Kunden der Groupe Mutuel am häufigsten über lästige Nachfragen und unbezahlte Rechnungen. Laut Lisa Flückiger, Sprecherin der Groupe Mutuel, hat die Kasse dieses Jahr unter anderem die Abrechnungen neu gestaltet, um die Zufriedenheit der Versicherten zu erhöhen.
Grosse Unterschiede nach Alter und Region
Die K-Tipp-Umfrage zeigt auch grosse Unterschiede zwischen Altersgruppen und Regionen. So waren 73 Prozent der 60- bis 79-Jährigen mit dem Service ihrer Krankenkasse sehr zufrieden, bei den 15- bis 29-Jährigen waren es nur 42 Prozent. Der Anteil sehr zufriedener Kunden ist in der Deutschschweiz mit 64 Prozent wesentlich höher als in der Romandie: Dort sind nur 48 Prozent der Versicherten sehr zufrieden.
Übrigens: Kleinere Krankenkassen fehlen in der Auswertung der Umfrage, weil zu wenig Versicherte die Fragen beantwortet hatten. Bei ihnen wäre das Ergebnis nicht repräsentativ, also zu wenig aussagekräftig.
Ständig höhere Krankenkassenprämien: Viele Versicherte verzichten auf freie Arztwahl
Die durchschnittliche Krankenkassenprämie pro Jahr für die Grundversicherung betrug im Jahr 1996 1539 Franken. Im vergangenen Jahr waren es 3788 Franken – weit mehr als das Doppelte. Auch die Beteiligung der Versicherten an Arztkosten und Medikamenten stieg im gleichen Zeitraum stetig: von durchschnittlich 232 Franken auf 565 Franken pro Jahr.
Die steigenden Kosten hatten zur Folge, dass immer mehr Versicherte auf Leistungen verzichteten. 76 Prozent der Grundversicherten wählten 2021 eine Sparvariante, zum Beispiel das HMO- oder das Hausarztmodell. Als die Krankenkasse 1996 obligatorisch wurde, waren es erst 1,7 Prozent der Versicherten. Im Jahr 2006 verzichteten 18 Prozent auf die freie Arztwahl –
fünf Jahre später waren es bereits 53 Prozent der Grundversicherten. Das zeigt die 2021er-Statistik für die obligatorische Krankenversicherung des Bundesamtes für Gesundheit.