Die Antenne des Transistorradios sei plötzlich abgebrochen, erzählt Gabriela Graf. Sie habe das Gerät erst kurz zuvor geschenkt bekommen. Die Luzernerin wollte in einem Elektrogeschäft eine Ersatzantenne besorgen, doch der Kundenservice half ihr nicht weiter: «Die Serviceleute rieten mir, das 30-jährige Gerät zu entsorgen, dabei funktionierte es noch tadellos.»
Gabriela Graf ist nicht die Einzige, die an diesem Samstag das Repair-Café in Luzern besucht. Etwa 40 Freiwillige schrauben, löten und flicken hier an Geräten, die sonst im Abfall landen würden. Alles, was sich mit vernünftigem Aufwand reparieren lässt, wird angenommen. Die Werkstatt ist an zwei Samstagen pro Monat geöffnet.
Pensionierte Profis und Hobbyhandwerker
Graf meldet sich an und wird zu Jens Gerboth geschickt. Auf seinem Reparaturtisch türmen sich Werkzeug und defekte Geräte. Mit offensichtlicher Freude kümmert sich der Ingenieur um den Radioempfänger. Gerboth gehört zum harten Kern des Vereins Repair-Café – einer bunten Mischung aus berufstätigen und pensionierten Fachleuten sowie Hobbyhandwerkern.
Vereinspräsidentin Mirjana Lawless versichert: «Wir finden fast immer einen Spezialisten für die Geräte, die man uns bringt – egal, ob es um den Bereich Elektronik, IT, Mechanik, Metall, Holz oder Textilien geht.»
Gerboth muss nicht lange nach einer Lösung suchen: Anstelle der fehlenden Antenne verlötet er einen Kupferdraht. «Es ist zwar nur ein Provisorium. Aber das funktioniert bestens, bis wir eine Ersatzantenne beschafft haben.»
Ein Kollege am Nebentisch sucht das fehlende Ersatzteil mit dem Laptop im Internet. Rasch wird er fündig: Die Ersatzantenne ist lieferbar. Allerdings muss Gabriela Graf mit einer Wartefrist von zwei bis vier Wochen rechnen.
Techniker Gerboth arbeitet mit geübten Handgriffen, effizient und entspannt. Graf ist beeindruckt. Die beiden prüfen, ob die «Notantenne» funktioniert. «Wunderbar, der Empfang ist wieder perfekt», vermeldet die Besitzerin.
Laut Vereinspräsidentin Lawless sind Geräte normalerweise innert einer halben Stunde geflickt. Bei komplizierten Fällen dauert es länger: etwa beim elektrischen Zwiebelhacker, den eine Frau vorbeibringt. Auf den ersten Blick ein leichter Fall, denn nur das Stromkabel muss ersetzt werden. An einer Stelle ist unter der beschädigten Isolierung der nackte Kupferdraht sichtbar.
Felix Kaufmann, gelernter Werkzeugmacher und pensionierter Lokführer, nimmt sich der Sache an. Zuerst klemmt die Abdeckung. Mittels Spezialwerkzeug und einer Dosis Gewalt lässt sich das Gerät öffnen. Dann passt das neue Kabel nicht in die Fassung. Kaufmann improvisiert und verlötet die Drähte an beiden Kabelenden.
Die Erfolgsquote liegt bei fast 70 Prozent
Als Knacknuss erweist sich auch die Reparatur eines Kindervelos. Der Besitzer möchte nur den Rahmen höher stellen. Doch die Schraube, die gelöst werden muss, ist verklemmt. «Rost», meint Repair-Café-Mitarbeiter Werner Aeschlimann, während er mit dem stärksten Steckschraubenzieher und viel Schmieröl sein Möglichstes versucht.
Schliesslich bricht der pensionierte Elektromechaniker ab: Er befürchtet, dass der Holzrahmen kaputtgehen könnte. Der Vater ist enttäuscht, doch Aeschlimann gibt ihm die Adresse eines Spezialisten, der die verklemmte Metallschraube ersetzen kann.
Das Beispiel zeigt: Nicht jede Reparatur gelingt. Laut Mirjana Lawless liegt die Erfolgsquote bei fast 70 Prozent. Manchmal scheitern die Helfer daran, dass die benötigten Ersatzteile nicht mehr erhältlich sind. Oder daran, dass Geräte «reparaturresistent» gebaut wurden, wie Aeschlimann sagt.
Er zeigt einen Toaster, dessen Kunststoffgehäuse total verschweisst ist. Der Elektromechaniker kann das Gerät nur mit Gewalt öffnen, dann muss er aufgeben. Denn für die Schrauben, die er im Toaster vorfindet, fehlt ihm das geeignete Werkzeug. «Der Toaster muss entsorgt werden», lautet sein Urteil.
Manchmal ist es auch eine ganze Industrie, die Lösungen verhindert. Mirjana Lawless erwähnt Kaffeemaschinen mit defekten Dichtungen. «Bei den bekannten Marken sind die nötigen Ersatzteile nur innerhalb der Fachbranche erhältlich.» Das heisst: Die Hersteller wollen dafür sorgen, dass der Fachhandel mit Reparaturen viel Geld verdient – oder aber die Kunden die Geräte entsorgen und neue kaufen.
Besucher lernen, selbst zu reparieren
Die Vereinspräsidentin empfiehlt den Besuchern, wenn möglich mit Ersatzteilen ins Repair-Café zu kommen. Dann gehe die Reparatur schneller. Ersatzmaterial finde man vielfach via Internet.
Den Mitarbeitern des Repair-Cafés in Luzern geht es nicht nur darum, kaputte Geräte zu reparieren. Die Besucher sollen bei der Reparatur zusehen und nach Möglichkeit mithelfen, sagt Lawless: «So ermuntern wir die Leute, ihre handwerklichen Fähigkeiten zu verbessern und mehr Selbstvertrauen zu gewinnen.» Und dann, so hoffen die Tüftler, wagen die Leute vielleicht beim nächsten Defekt selbst den Versuch, das Gerät zu flicken.
Repair-Café: So findet man den richtigen Spezialisten
- Auf der der Website Repair-cafe.ch findet man eine Liste von 212 Repair-Cafés in der ganzen Schweiz – inklusive Öffnungszeiten. Auch können Fachleute für bestimmte Gerätekategorien gesucht werden.
- Vor dem Gang ins Repair-Café sollte man klären, ob für das defekte Gerät noch ein Garantieanspruch besteht. Falls ja, kann man sich an den Laden wenden, der das Gerät verkauft hat.
- Eine Anmeldung ist nicht nötig. Interessierte können den defekten Gegenstand direkt ins Repair-Café mitbringen. Bedienungsanleitungen, Kabel und allfällige Ersatzteile mitnehmen.
- Repariert werden fast alle Alltagsgegenstände: Computer, Handys, Föhne, Mixer, Velos, Koffer, Gegenstände aus Stoff, Leder und Papier, aber auch Möbel und Schmuck.
- Die Reparaturen sind kostenlos. Die Repair-Cafés erwarten aber, dass man etwas spendet.
- Nützlich ist auch Reparaturfuehrer.ch. Auf der Website findet man Spezialisten für diverse Gerätekategorien. Die Vermittlung ist kostenlos, der Spezialist stellt aber die Reparatur nach den üblichen Ansätzen in Rechnung.