Stickoxide (NOx) können die Lungenfunktion beeinträchtigen. Autos mit Dieselmotoren sind für Stickoxid-Belastungen in der Luft mitverantwortlich. Auch in der Schweiz nimmt das Problem zu: Fast 40 Prozent aller Neuwagen fahren mit Diesel.
Die Umweltorganisation «Deutsche Umwelthilfe» prangert seit Jahren Abgassünder an. Seit Bekanntwerden des VW-Abgasskandals hat sie die Berner Fachhochschule mit Messungen von Dieselautos beauftragt. Resultat: stark erhöhte Stickoxid-Emissionen. Beispiele:
- Opel Zafira 1.6 CDTi: Im offiziellen Testmodus bzw. mit zwei Rädern auf der Prüfrolle lag der Van unter dem Grenzwert der Euro-6-Abgasnorm von 80 Milligramm pro Kilometer. Sobald die Tester den offiziellen Testmodus geringfügig veränderten, z. B. praxisnah mit allen Rädern auf Rollen, wurde der Grenzwert um ein Mehrfaches überschritten.
- Renault Espace 1.6 dCi: Im offiziellen Prüfzyklus machten die Tester acht Messungen. Sechsmal lagen die NOx-Werte über dem Grenzwert von 80 mg/km, zweimal darunter. Als man von der Testnorm abwich und beispielsweise die Emissionen mit warmem statt mit kaltem Motor bestimmte, wurde der Grenzwert um das 13- bis 25-Fache überschrittten.
- Mercedes C 200 CDI: Das fünf Jahre alte Auto musste nur die weniger strenge Abgasnorm Euro 5 mit 180 mg Stickoxid pro Kilometer erfüllen. Im offiziellen Prüfzyklus war das problemlos. Bei Messungen mit warmem Motor ergaben sich aber mit 337 und 352 mg/km doppelt so hohe Werte.
Der deutsche TV-Sender ZDF veranlasste Messungen im realen Fahrbetrieb – auch mit dem erwähnten Mercedes. Resultat: Bei gleicher Fahrweise auf der Strasse stiessen dieser Wagen, ein BMW 320d und ein VW Passat 2.0 TDI Blue Motion viel mehr Stickoxide aus als im gleichen Fahrzyklus im offiziellen Labortest.
Alle Hersteller bestreiten Probleme. Opel schrieb, eigene Messungen hätten gesetzeskonforme Abgaswerte ergeben. Es gebe keinen Unterschied bei Messungen mit zwei oder vier Rädern. Trotzdem kündigt Opel «eine freiwillige Serviceaktion» an. Dabei soll u. a. beim Zafira die Abgasreinigung verbessert werden. Renault teilt mit, dass alle aktuell erhältlichen Modelle die Vorschriften einhalten. Und auch der französische Hersteller verspricht, über die bestehenden Normen hinaus «ein verbessertes System zur Stickoxid-Abgasreinigung anzubieten.» BMW und Mercedes sagen, ihre Autos seien auf dem zum Verkaufszeitpunkt geltenden «Stand der Technik».
Das gleiche Statement gab Mercedes vor wenigen Tagen ab, als die Deutsche Umwelthilfe ihr jüngstes Beispiel präsentierte: einen modernen Mercedes-C-Klasse-Diesel: Bei Messungen der niederländischen Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung habe das Auto im realen Verkehr die Stickoxidgrenzwerte um mehr als das Zehnfache überschritten.
Daraufhin räumte Mercedes ein, dass die Abgasnachbehandlung «in Abhängigkeit vom jeweiligen Betriebszustand innerhalb des zulässigen Rahmens flexibel geregelt sei, um den Motorschutz zu gewährleisten». Im Klartext: Mercedes reduziert die Abgasbehandlung, um den Motor zu schützen. Dies könne dann etwa beim Betrieb der Klimaanlage oder der Sitzheizung zu Abweichungen vom Grenzwert führen.
«Anwälte drohten uns»
Die gemeinnützige Deutsche Umwelthilfe beauftragt die Berner Fachhochschule regelmässig mit Untersuchungen zum Abgasausstoss von Autos. Grund: «In Deutschland will dies niemand für uns tun. Die Angst, lukrative Aufträge der einheimischen Autoindustrie zu verlieren, ist bei Prüfstellen zu gross», sagt Geschäftsführer Jürgen Resch dem K-Tipp. Der Autoindustrie sind auch die Veröffentlichungen der Ergebnisse ein Dorn im Auge: «Im Vorfeld drohten uns BMW- und Mercedes-Anwälte mit Klagen und Schadenersatzforderungen, sollten wir den Eindruck irgendeiner Manipulation bei Abgaswerten à la VW erwecken», so Resch. Trotzdem hat der Umweltverband fürs laufende Jahr weitere Messungen angekündigt.