Der Fall ist spektakulär: Ski-Importeur Fischer Schweiz kaufte kürzlich in allen Filialen von Otto’s Sport Outlet den Fischer-Slalomski RC4 Worldcup SC auf. Denn Otto’s verkaufte den Ski für 629 Franken – und damit für mehr als ein Drittel unter dem Preis von Fachhändlern. Die Skifirma gab in einem Brief an die Händler zudem bekannt, Fischer International werde jenen Lieferanten im Ausland, bei dem Otto’s die Ski günstig bezogen hatte, per sofort sperren.
Nach schweizerischem Recht ist es allerdings verboten, Parallelimporte zu verhindern. Ein Hersteller oder Importeur darf es also nicht unterbinden, dass ein Schweizer Händler – statt beim Generalimporteur einzukaufen – ins Ausland fährt, sich dort mit einer Ware eindeckt, diese importiert und danach in der Schweiz verkauft. Das hielt Walter Stoffel, Professor für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Uni Freiburg, im «Kassensturz» fest.
Verstösst Fischer mit der Sperrung des Lieferanten von Otto’s also gegen das Kartellrecht? Die Wettbewerbskommission (Weko) hat «eine Vorabklärung im Zusammenhang mit diesem Sachverhalt eröffnet», so der stellvertretende Weko-Direktor Patrik Ducrey. Ein solches Verfahren läuft auch gegen Völkl in Baar ZG.
Fischer Sports Schweiz nahm mit Verweis auf die Weko-Vorabklärung gegenüber dem K-Tipp nicht Stellung. Dafür spricht Otto’s-Chef Mark Ineichen Klartext:
Herr Ineichen, die Aufkauf-Aktion des Skiherstellers Fischer bei Otto’s kam überraschend. Können Sie sich gegen solche Aktionen nicht schützen?
Wir legten für die neue Saison weit im Voraus ein grosses Lager an. Denn wir müssen stets mit Störmanövern von Herstellern oder von offiziellen Importeuren rechnen. Den betroffenen Ski haben wir bereits wieder in unseren Läden.
Ist es für Sie einfach, im Ausland genügend günstige Ski für die Schweiz einzukaufen?
Einfach nicht gerade. Denn es ist nicht möglich, die Ware nur bei einem einzigen Händler im Ausland zu beziehen. Wir müssen in der Regel mit mehreren Händlern zusammenarbeiten. Doch auch das macht uns widerstandsfähiger gegen Störmanöver von Herstellern und Importeuren.
Kommt es häufig zu solchen Störmanövern?
Wir erleben es fast täglich, dass versucht wird, uns am Verkauf der per Direktimport beschafften, nicht selten um 20 bis 50 Prozent günstigeren Ware zu hindern. Zurzeit führen wir gegen 70 000 Artikel im Sortiment – von Nahrungsmitteln über Kosmetika und Spielwaren bis hin zu Möbeln und Autos. So offensichtliche Störmanöver wie im Fall der Fischer-Ski sind allerdings selten.
Können Sie Namen einiger Hersteller nennen, die Otto’s besonders scharf ins Visier nehmen?
Das könnte ich schon, doch es ist heikel. Man hat es dann sofort mit Heerscharen von Anwälten zu tun. Und ich möchte möglichst wenig Zeit mit rechtlichen Streitigkeiten verbringen müssen.
Können Sie weitere – mit Fischer vergleichbare – Fälle nennen?
Besonders bei den Autos macht man uns und unseren Lieferanten das Leben schwer. Das läuft oft so ab: Wir kaufen bei einem Händler im Ausland Autos, importieren sie – und der offizielle Schweizer Generalimporteur schickt sofort seine Leute vorbei. Diese lesen die Chassisnummern ab. Daraus können sie eruieren, wer uns die Autos geliefert hat.
Es dauert dann meistens nur ein paar Tage, bis der betreffende Händler im Ausland Post oder Besuch des Herstellers erhält und im Extremfall die Markenvertretung verliert. Wir versuchen da Gegensteuer zu geben, indem wir bereits beim Autoverlad im Ausland die Chassisnummern abdecken. Doch das ist aufwendig.
Ihre Schilderungen lassen den Schluss zu, dass Otto’s von Markenartiklern fast lückenlos überwacht wird.
Das kann man so sagen. Und diese Überwachung funktioniert. Vor zwei Jahren etwa besuchten mein Bruder und einer unserer Einkäufer zusammen in Kanada eine Sportartikelmesse. Sie wurden aus der Messehalle geworfen. Offenbar wussten gewisse Hersteller, dass die zwei Schweizer dort auftauchen würden, und haben entsprechende Vorkehrungen getroffen.
Der Gegenwind, den wir spüren, ist zum Teil enorm. Und dies, obwohl wir nichts Illegales machen. Als Parallelimporteur schauen wir einfach, wo ein Artikel am günstigsten angeboten wird, und kaufen ihn dort statt beim Generalimporteur.
Otto’s verkauft auch Parfüms – und zwar in grossen Mengen. Gibts dort mit dem Direktimport weniger Probleme?
Hier ist den Herstellern inzwischen bewusst geworden, in welchen Mengen wir ihre Produkte absetzen. Wir schätzen, dass heute rund jedes zehnte Parfüm in der Schweiz von uns verkauft wird. Deshalb ist das Interesse diverser Hersteller, uns das Leben schwer zu machen, merklich gesunken. Das ändert aber nichts daran, dass wir auch Parfüms nach wie vor auf Umwegen bei verschiedenen Händlern im Ausland beschaffen müssen.
Lohnt sich denn für Sie der Verkauf solcher Produkte trotz der tiefen Preise?
Ja, das Ganze lohnt sich deshalb, weil Generalimporteure in der Schweiz oft viel zu hohe Margen haben. Würden sie für Händler und Konsumenten in der Schweiz angemessene Preise festsetzen, wäre der Parallelimport sehr schnell nicht mehr interessant.
So profitieren Konsumenten
Direktimport statt Bezug beim Generalimporteur: Das lohnt sich oft – nicht nur für Händler, auch für die Konsumenten. Denn Händler können Ware, die sie im Ausland günstig einkaufen und direkt importieren, in der Schweiz meist zu attraktiven Preisen verkaufen. Einige Beispiele aus dem Sortiment von Otto’s, der über 100 Filialen führt:
- Das Eau de Toilette «Homme Wild» von Joop (75 ml) kostete bei Otto’s Fr. 32.90, im Schweizer Internetshop von Joop Fr. 64.90.
- Fürs Eau de Parfum «Boss Woman» von Hugo Boss (50 ml) verlangte Otto’s Fr. 49.90, der Schweizer Web-shop von Boss Fr. 93.–.
- Die Pendelleuchte «Icy» von Lucide mit sieben Lampen kostete bei Otto’s Fr. 229.–, bei Aka Leuchten in Niederbipp BE Fr. 345.60.
- Die Gillette-Rasierklingen «Fusion» (8 St.) kosteten bei Otto’s Fr. 19.90, auf Coopathome.ch und auf Leshop.ch Fr. 26.80.
- Die Haarcoloration «Oleo Intense» von Syoss kostete bei Otto’s Fr. 5.95, in der Migros Fr. 11.10.
Preise erhoben am 11. November