Wer im Internet Waren oder Dienstleistungen beziehen will, gibt Namen und Adresse preis. Oft muss er sich einloggen, beispielsweise mit Benutzername und Passwort. Damit ist aber nicht garantiert, dass es sich beim Besteller tatsächlich um die angegebene Person handelt. Deshalb soll es künftig einen staatlich geprüften elektronischen Identitätsausweis geben (E-ID). Mit diesem soll man via Internet Verträge abschliessen, Behördengänge erledigen oder abstimmen können.
So weit, so gut. Doch das Gesetz über den elektronischen Identitätsausweis sieht vor, dass nicht der Staat, sondern Privatunternehmen die digitale Identitätskarte ausstellen sollen. Ein Anwärter steht bereits am Start: Die Swiss Sign Group – ein Verbund von Unternehmen, die bisher durch Datenhunger und Gewinnmaximierung aufgefallen sind: Grossbanken, Versicherungsgesellschaften und staatsnahe Konzerne wie die Swisscom und die Post (siehe Box).
SP, Grünliberale und Grüne sind gegen E-ID
Die Herausgabe von elektronischen Identifizierungsmitteln, die zwar staatlich anerkannt sind, aber nicht vom Staat herausgegeben werden, weckt Widerstand. Organisationen wie die Digitale Gesellschaft ergriffen dagegen erfolgreich das Referendum. Unterstützung gab es von der SP, der GLP und den Grünen. Die Gegner des Gesetzes wollen sensible Daten der Bürger nicht in den Händen privater Unternehmen sehen, die eigene Interessen verfolgen. Am 7. März wird über das E-ID-Gesetz abgestimmt.
Die Swiss Sign Group stellt bereits seit einigen Jahren unter dem Namen «Swiss ID» elektronische Identitätsnachweise aus. Aktuell haben 1,5 Millionen Menschen eine Swiss ID. Schon heute übt die Post Druck auf Kunden aus, sich mit der Swiss ID zu registrieren. Wer etwa seine Post umleiten lassen und dafür ein Benutzerkonto eröffnen will, hat bei der Registrierung zwar die Wahl zwischen Swiss ID und seinem bisherigen Kundenlogin. Doch die Swiss ID ist optisch stark hervorgehoben und mit einem grossen «Empfohlen» gekennzeichnet. Während es beim normalen Login entmutigend heisst: «Wichtiger Hinweis: Sie werden in naher Zukunft eingeladen, Ihr Post-Benutzerkonto mit Swiss ID zu verknüpfen.» Der Medienkonzern Ringier («Blick», «Schweizer Illustrierte») fordert die Leser selbst für eine blosse Teilnahme an Wettbewerben auf, sich mit der Swiss ID anzumelden.
Heute ist die Swiss ID noch kostenlos. Das Bundesgesetz sagt aber nichts zur Höhe der Kosten der Ausweisausstellung. Darin heisst es nur, dass eine Eidgenössische Kommission dafür sorgen muss, dass der Ausweis «erschwinglich» sein muss. Mit andern Worten: Die privaten Herausgeber können die Kosten selbst bestimmen, solange der Preis erschwinglich ist. Der Unterschied zu staatlichen Ausweisen: Behörden dürfen nur kostendeckende Gebühren verlangen, sie dürfen damit keinen Gewinn erzielen. Das kontrolliert der Preisüberwacher.
Selma Frasa-Odok, Mediensprecherin der Swiss Sign Group, erklärt gegenüber dem K-Tipp, es bestehe «keine Gefahr, dass die Swiss ID früher oder später gebührenpflichtig» werde. Sie relativiert aber: Man gehe davon aus, dass eine staatlich anerkannte E-ID «substantiell» gebührenfrei ausgestellt werde. Und: «Ob auch eine E-ID auf höchster Sicherheitsstufe gebührenfrei ausgestellt werden kann, ist heute nicht sicher.»
Zentrale Daten von Privaten gespeichert
Weshalb haben Schweizer Konzerne so grosses Interesse daran, in einen elektronischen Ausweis zu investieren, wenn nicht aus finanziellen Gründen? Der Versicherer Swiss Life sagt gegenüber dem K-Tipp, die angeschlossenen Unternehmen könnten «bei der Verwaltung von digitalen Identitäten» Ressourcen sparen. Bei der Krankenkasse CSS heisst es, Ziel sei es, «dass möglichst viele Kunden von zahlreichen Schweizer Unternehmen ihre Prozesse vermehrt durchgehend digital abwickeln, ganz ohne Papier». Die UBS gibt an, dass es um «die langfristige Stärkung des Innovationsstandorts Schweiz» ginge. Davon würden am Ende alle Beteiligten profitieren.
Geld gibts in der Welt der Digitalisierung nicht nur in Form von Franken, sondern auch in Form von Daten. Google und Facebook etwa sind für die Benutzer scheinbar gratis. Die Gegenleistung besteht aber bekanntlich in der Kommerzialisierung der persönlichen Daten der Surfer. Laut Gesetz basiert der elektronische Ausweis je nach Sicherheitsstufe auf folgenden Daten: Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Geburtsort, Sozialversicherungsnummer, Staatsangehörigkeit und «Gesichtsbild». Wer künftig eine E-ID beantragt, muss seine Identität durch das Bundesamt für Polizei verifizieren lassen. Dabei müssen nicht nur Ausweisnummer und Name eingereicht, sondern auch Kontrollfragen beantwortet werden. Als Beispiele gibt die Bundespolizei AHV-Nummer, Geburtsort oder Ledigen-Namen der Mutter an. Für die Speicherung der zentralen Daten wären aber die Privaten zuständig.
Daniel Graf vom Referendumskomitee geht nicht davon aus, dass die an Swiss Sign beteiligten einzelnen Firmen einen Zugang zu den sensiblen Bewegungsdaten erhalten. «Heikler ist es hingegen, wenn auf den Plattformen von Ringier oder Tamedia zum Beispiel die Swiss ID Voraussetzung wird, um die Inhalte zu nutzen.» Damit könnte man dann bald riesige Datensammlungen mit einem persönlichen Profil der Kunden koppeln und für aggressive Internetwerbung benutzen. So wie es heute beispielsweise bereits Facebook exzessiv tut.
Diese Firmen stehen hinter der Swiss Sign Group
Hinter dem Konsortium Swiss Sign Group stehen zurzeit folgende Banken, Versicherungen, Krankenkassen und staatsnahen Betriebe: Banque Cantonale de Genève, Raiffeisen, Credit Suisse, Entris Banking, Luzerner Kantonalbank, Six Group, Zürcher Kantonalbank, UBS, Axa, Baloise, CSS, Helvetia, Mobiliar, Swiss Life, Swica, Vaudoise, Zürich sowie SBB, Schweizerische Post und Swisscom.