Seit rund drei Jahren ist eCall bei neuen Automodellen in der EU und in der Schweiz obligatorisch. Das System stellt bei schwereren Unfällen automatisch eine Sprachverbindung zwischen Insassen und Notrufzentrale her. Dabei übermittelt es auch einen sogenannten Mindestdatensatz, der Informationen zum Unfallort, zum Auto und zur Anzahl Insassen enthält. Der Standort ist mittels installierter SIM-Karte eruierbar.
K-Tipp-Recherchen ergaben: Fast keine Alarmzentrale der Schweiz kann den Datensatz von eCall empfangen. Dies bestätigt das Bundesamt für Kommunikation: «Von den 54 in der Schweiz betriebenen Polizeinotrufzentralen sind heute nur einzelne mit eCall-Empfängern ausgerüstet. Deshalb können eCall-Unfalldaten bei einem Notruf 112 in der Schweiz nicht flächendeckend empfangen und ausgewertet werden.» Einzig die Sprachverbindung zwischen den Autoinsassen und der Notrufzentrale lasse sich herstellen.
Hintergrund: Die Polizei-Notrufzentralen sind kantonal organisiert und technisch unterschiedlich ausgerüstet. Das Bundesamt für Kommunikation schreibt dem K-Tipp: Man entwickle zurzeit mit den Mobilfunkanbietern einen «Lösungsansatz». Wann das Projekt umgesetzt sei, könne man noch nicht sagen.
Das Projekt ist schon länger in der Schwebe. Schon vor der Einführung des eCall-Systems am 31. März 2018 schrieb das Bundesamt für Strassen: «Die zuständigen Polizeien bereiten sich derzeit darauf vor, die Zusatzdaten von eCall zu empfangen.»
Die Autoindustrie nutzt die Internetverbindung, um verschiedene Zusatzfunktionen aus der Ferne an- oder abschalten, die Autobesitzer via Abo-Kosten regelmässig bezahlen müssen (K-Tipp 19/2020).
Autobauer hat Zugang zu Kundendaten
Zum anderen kommen die Autobauer so zu einer riesigen Menge an Daten über ihre Kunden. Jim Farley, ehemals Ford-Europa-Chef und heutiger Ford-CEO, gestand schon vor der serienmässigen Einführung von eCall ein: «Wir kennen jeden Autofahrer, der die Verkehrsregeln bricht. Und weil das Ortungssystem GPS in den Autos installiert ist, wissen wir, wo und wie jemand das tut.»
Die Aussagen Farleys bestätigten die Tests des deutschen Automobilclubs ADAC sowie des europäischen Automobilclub-Dachverbands FIA (K-Tipp 8/2016): Moderne Autos erfassen, speichern und versenden viele Daten. Zum Beispiel:
- gefahrene Kilometer auf Autobahnen, Überlandstrassen und in der Stadt, was Rückschlüsse auf das Nutzungsprofil erlaubt
- die exakte GPS-Position jedes Fahrzeugs
- Betriebsstunden der Fahrzeugbeleuchtung
- die Zahl der elektronischen Sicherheitsgurtstraffungen, die der Fahrer bei abrupten Bremsmanövern auslöst
- maximale Motordrehzahl je nach Kilometerstand
- Daten, die ein via Bluetooth kabellos verbundenes Handy hinterlässt.
Positionsbestimmung in Echtzeit in China
Die ständige Überwachung von Autofahrern durch die Hersteller hat sich in China die Regierung zunutze gemacht: Um dort für ein Elektroauto eine Zulassung zu erhalten, müssen BMW, Daimler, Ford, General Motors, Tesla oder VW, die exakten Positionsdaten des Wagens in Echtzeit übermitteln. Ein VW-Sprecher bestätigte gegenüber dem «Spiegel»: «Ohne diese Überwachungssysteme darf in China kein Elektroauto zugelassen werden.»
Rund 4 Millionen sind im Land schon unterwegs. China behauptet, die Daten würden nur für die Verbesserung der öffentlichen Sicherheit und der Infrastruktur benötigt.