Der Branchenverband Callnet reagiert auf die vielen Reklamationen von genervten Konsumentinnen und Konsumenten. Er gibt sich einsichtig: Der Verband spricht von einer «Belastung der Konsumenten». Und: «Die Schmerzgrenze scheint erreicht zu sein.»
Deshalb hat sich die Branche nun selber einen Ehrenkodex auferlegt. Der K-Tipp hat ihn unter die Lupe genommen. Fazit: Die «Belastung» der Konsumenten bleibt an der Schmerzgrenze, weil der Ehrenkodex wenig bringt.
Das zeigt sich etwa an den Anrufzeiten, die weit in den Abend reichen. Anrufe sind zugelassen ab 8 bis 20.30 Uhr, an Samstagen ab 9 bis 16 Uhr. Eine Mittagsruhe ist nicht vorgeschrieben.
Überhaupt nicht geregelt ist der Einsatz von Wählcomputern, die vorgegebene Nummern automatisch anwählen und erst dann – in der Theorie – einen Callcenter-Agenten zuschalten, wenn am anderen Ende jemand den Anruf entgegennimmt.
Beim K-Tipp häufen sich die Reklamationen von Leserinnen und Lesern über diese maschinelle Belästigung, weil diese Technik pannenanfällig ist. Es kommt immer wieder vor, dass Angerufene abnehmen, und dann meldet sich niemand vom Callcenter.
Ein Sperrfeuer von Anrufversuchen
Lästig ist auch, dass Computer pausenlos anrufen, wenn niemand zu Hause ist. Der Telefonapparat von Clarissa Randazzo aus Zürich registrierte am 22. November 2007 nicht weniger als 15 vergebliche Anrufversuche – und das in der Zeit zwischen 9.07 und 15.11 Uhr.
Der Befund ist klar: Der Ehrenkodex hätte eine maximale Zahl von (vergeblichen) Computer-Anrufversuchen pro Tag festlegen müssen – zum Beispiel zwei. Immerhin: Der Ehrenkodex verbietet Anrufe mit unterdrückten Nummern.
Nur: Wenn Konsumenten die Nummer auf ihrem Display ablesen können und zurückrufen wollen (etwa, um zu reklamieren), bekommen sie meist nur ein Tonband zu hören, auf dem die Callcenter-Firma nicht einmal den eigenen Namen nennt. Es heisst dann nur: «Wir haben versucht, Sie zu erreichen…»
Auch da hätte es für den Ehrenkodex Handlungsbedarf gegeben. Wer Werbeanrufe erhält, sollte mit der Werbefirma in Kontakt treten können, um weitere lästige Telefonanrufe unterbinden zu können.
Doch der Ehrenkodex verpflichtet die Firmen nicht, auf solchen Ton-bandansagen den eigenen Namen zu nennen.
Hilfreich wäre auch, wenn sämtliche Nummern, von denen aus die Callcenterfirmen anrufen, im Telefonbuch eingetragen wären (bzw. im Internet auf www.directories.ch). Doch das ist meist nicht der Fall und wird vom Ehrenkodex auch nicht verlangt.
Einen gewichtigen Vorteil hat der Kodex allerdings. Die Branche verpflichtet sich, künftig den Stern-Eintrag in den Verzeichnissen der Swisscom zu beachten. Das war bisher nicht der Fall. Theoretisch sollte es nun also nicht mehr vorkommen, dass Leute mit Stern-Eintrag Werbeanrufe erhalten.
Theoretisch: Denn die schwarzen Schafe der Branche werden den Ehrenkodex nicht unterschreiben – und weiterhin wahllos anrufen. Das gilt auch für Callcenter aus dem Ausland.
Weiterhin illegale Tonbandaufnahmen
Der Ehrenkodex versagt auch beim Thema «Aufnehmen der Gespräche». Viele Callcenter-Firmen nehmen grundsätzlich jedes Verkaufsgespräch mit Kunden auf. Das ist illegal, wenn der Angerufene zuvor nicht orientiert wird (siehe K-Tipp 14/07).
Dem Ehrenkodex hätte es gut angestanden, diesen Grundsatz festzuschreiben. Raphael Raetzo vom Branchenverband Callnet sagt, der neue Ehrenkodex solle «die qualitativ hochwertigen Firmen stärken und die schwarzen Schafe unter Druck setzen». Und: «Kritiken am Ehrenkodex werden natürlich geprüft und eventuell in einer zweiten Phase umgesetzt.»
So kommen Sie zum Stern-Eintrag
Der Stern beim Eintrag im Telefonbuch besagt, dass diese Person keine telefonische Werbung wünscht. Er ist kostenlos. Wer ihn will, kann anrufen (Tel. 0848 86 80 86) oder ihn über das Internetformular aktivieren unter www.directories.ch > Ihr Eintrag > Eintrag ändern.