Die Zürcher Sprachschul-Vermittlerin EF Education AG verspricht in ihren Hochglanzprospekten für Austauschschüler: «Das beste Jahr deines Lebens.» Die Gastfamilien würden sorgfältig ausgewählt und intensiv auf ihre Gäste vorbereitet.
Davon liess sich auch die 16-jährige M. B. aus dem Kanton Aargau überzeugen. Sie wollte während eines Austauschjahres in den USA ihr Englisch verbessern. Die Eltern zahlten für das High School Year im Voraus über 14'000 Franken.
Doch schon kurz nach ihrer Ankunft im US-Bundesstaat Minnesota beginnt für M. B. ein Leidensweg:
Nach der Flucht hin- und hergeschoben
Der Gastvater macht wiederholt sexuelle Anspielungen: «Wow, manchmal träume ich von dir.» Und: «Es wäre schlimm, wenn meine Frau erfahren würde, dass ich mir schon Pornos im Internet angeschaut habe.» Nach neun Wochen verlässt Michelle die Gastfamilie fluchtartig.
Eine lokale EF-Betreuerin nimmt sie vorübergehend bei sich auf. M. B.: «Zwei Wochen lang wurde ich von einem zum anderen Betreuer hin- und hergeschoben, bis EF eine neue Gastfamilie fand.»
Auch hier klappts nicht: Jedes Mal, wenn die Gastmutter auf Reisen geht, wohnt M. B. bei EF-Betreuern. Und: Als ihre Gastmutter erfährt, dass sich die 16-Jährige in einen gleichaltrigen Jungen aus der Schule verliebt hat, verbietet sie ihr den Kontakt – Diskussion sinnlos.
Schliesslich tritt EF-Betreuer Steve Bruns auf den Plan: M. B. solle ihre Sachen packen, sie werde frühzeitig nach Hause geschickt. Bis es soweit ist, muss sie bei Bruns wohnen. Sie erzählt: «Ich durfte nicht mehr aus dem Haus. Steve schrie mich immer wieder an. Er befahl mir, das Haus zu putzen, den Boden auf den Knien zu schrubben.»
Sechs Monate früher als geplant ist M. B. wieder in der Schweiz – die EF Education AG hat sich laut Baumanns Eltern nicht erkundigt, ob und wie sie angekommen sei. Der K-Tipp hat die EF mit den Vorfällen konfrontiert – aber dazu keine Stellungnahme erhalten.
«Schüler sind immer selber schuld»
Danielle Grijalva, Direktorin des Komitees für Sicherheit der ausländischen Studenten, weiss: «Das Problem von EF und ähnlichen Organisationen ist, dass sie nicht genug passende Gastfamilien finden. Deshalb werden die Kinder ständig hin- und hergeschoben.»
Grijalvas Non-Profit-Organisation in Kalifornien setzt sich für Austauschschüler in den USA ein und wird jährlich mit über hundert Fällen konfrontiert, die ähnlich gelagert sind wie der von M. B..
Danielle Grijalva weiss: «Wenn es zu Problemen kommt, heisst es immer, die Schüler seien selber schuld – aber nie die Gastfamilie, der Betreuer vor Ort oder die Vermittlerorganisation.» Sie kritisiert zudem das Besoldungssystem für EF-Betreuer, die auf Provisionsbasis arbeiten.
Pro Austauschschüler gebe es mindestens 300 Dollar. Je mehr Schüler EF-Betreuer unterbringen würden, desto mehr Boni bekämen sie.
Für EF ist das kein Problem: «Wir können nicht erkennen, warum Prämien für erfolgreiche Vermittlungen einen negativen Einfluss auf die Suche nach geeigneten Gastfamilien haben.»
K-Tipp und «Saldo» haben seit 2003 mehrfach über die EF Education AG berichtet. Der Tenor war stets derselbe: überforderte Betreuer, ungeeignete Familien.
Sprachschule richtig wählen
Wer einen Sprachaufenthalt plant, sollte sich frühzeitig ins Bild setzen:
- Fragen Sie ehemalige Austauschschüler nach ihren Erfahrungen. Im Idealfall hat einer bei derselben Gastfamilie gewohnt.
- Vergleichen Sie Angebote, Preise und Bewebungsbedingungen mehrerer Anbieter.
- Wenn möglich im Voraus Kontakt mit der Gastfamilie aufnehmen.
- Informieren Sie sich über unabhängige Anlaufstellen vor Ort.
- Infos: Intermundo, Non-Profit-Jugendaustausch-Organsiationen, Bern, Tel. 031 326 29 20, www.intermundo.ch
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