Ein Spagat auf Kosten der Renten
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Aufregung in vielen Betrieben: Die Pensionskasse wird massiv teurer. Grund: Versicherungsgesellschaften profitieren von einer Gesetzeslücke.
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K-Tipp 13/2003
20.08.2003
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Umwandlungssatz: Das ist in der jetzigen Pensionskassendiskussion einer der heissen Punkte. Etliche Versicherungsgesellschaften haben angekündigt, dass sie diesen Satz auf Anfang 2004 von 7,2 auf 5,8 Prozent senken werden. Ohne dass Kunden oder Politiker dazu etwas sagen können.
Der Umwandlungssatz bestimmt die Höhe der Altersrente. Pro 1000 Franken angespartes Pensionskassenkapital ergibt das bei einem Umwandlungssatz von 7,2 Prozent eine Rente von 72 Franken pro Jahr - oder e...
Umwandlungssatz: Das ist in der jetzigen Pensionskassendiskussion einer der heissen Punkte. Etliche Versicherungsgesellschaften haben angekündigt, dass sie diesen Satz auf Anfang 2004 von 7,2 auf 5,8 Prozent senken werden. Ohne dass Kunden oder Politiker dazu etwas sagen können.
Der Umwandlungssatz bestimmt die Höhe der Altersrente. Pro 1000 Franken angespartes Pensionskassenkapital ergibt das bei einem Umwandlungssatz von 7,2 Prozent eine Rente von 72 Franken pro Jahr - oder eben entsprechend weniger, falls der Satz tiefer ist. Ein Beispiel: Beträgt das Alterskapital zum Zeitpunkt der Pensionierung 300000 Franken, resultiert daraus bei einem Satz von 7,2 Prozent eine monatliche Rente von 1800 Franken, mit 5,8 Prozent gibts nur 1450 Franken.
Die Versicherungen können den Umwandlungssatz nur deshalb in eigener Regie diktieren, weil die meisten Versicherten einerseits obligatorisch, andrerseits überobligatorisch versichert sind - und weil für das Überobligatorium gesetzliche Leitplanken fehlen:
- Obligatorisch sind nur Jahreslöhne zwischen 25320 und 75960 Franken zwingend versichert. Das ergibt einen maximalen versicherten Lohn von 50640 Franken (Stand 2003). Der Umwandlungssatz beträgt hier per Gesetz 7,2 Prozent - und er kann erst sinken, wenn das Parlament dies so will.
- Viele sind aber zusätzlich im Überobligatorium - entweder weil sie mehr verdienen und damit einen grösseren versicherten Lohn haben oder weil sie Teilzeitler sind und von einer tieferen Eintrittsschwelle profitieren, also schon mit Löhnen versichert sind, die unter dem gesetzlichen Minimum von 25320 Franken liegen. Diese Besserversicherung ist vorteilhaft für den Arbeitnehmer.
Das Überobligatorium als Jongliermasse
Aber: Ein Umwandlungssatz für dieses Überobligatorium ist nirgends vorgeschrieben. Die Pensionskassen (PK) können hier nach Belieben schalten und walten.
Im Klartext: Wenn eine PK den Umwandlungssatz auf 5,8 Prozent senkt, so hält sie zwar formell (in einer Art Schattenrechnung) den gesetzlichen Satz von 7,2 Prozent für das Obligatorium ein. Aber sie holt das Geld für diesen Zins aus dem Überobligatorium, indem sie das Überobligatorium entsprechend tiefer verzinst. Mit dieser Verrechnung nutzen die Kassen das Überobligatorium als Jongliermasse.
Die Folge tragen die Versicherten, falls sie einer Sammelstiftung der grossen Versicherungen angehören: Die «Bilanz» hat ausgerechnet, dass Betroffene, die 2004 pensioniert werden, eine lebenslängliche Renteneinbusse von 10 Prozent hinnehmen müssen, falls sie ihr Altersguthaben zur Hälfte im überobligatorischen Bereich angespart haben.
Der gleiche Vorgang findet auch dann statt, wenn eine Pensionskasse eine Nullzinsrunde fährt. Auch dies ist nur möglich, wenn die Kasse das Reservoir des Überobligatoriums zur Verfügung hat, aus dem sie die Verzinsung des gesetzlichen Teils finanzieren kann (siehe K-Tipp 3/03).
Auch hier zahlen die überobligatorisch Versicherten die gesetzlich vorgeschriebene Verzinsung des Obligatoriums aus dem eigenen Sack. So wird das Zückerchen Überobligatorium zur bitteren Pille.
Ein möglicher Ausweg wäre der Verzicht auf das Überobligatorium. Solange Angestellte nur für den obligatorischen Teil versichert sind (was Arbeitgeber und -nehmer weniger kostet), muss die PK ohne Wenn und Aber die gesetzlichen Vorgaben erfüllen - und die werden vom Parlament oder vom Bundesrat festgesetzt und nicht in den Teppichetagen der profitorientierten Grosskonzerne.
Mehr noch: Ein Arbeitgeber könnte als Kompensation den Angestellten freiwillig Zuschüsse gewähren, damit diese einen zusätzlichen Batzen beispielsweise für die Äufnung der privaten 3. Säule zur Verfügung haben. Oder für einen besseren Risikoschutz für die Abfederung der finanziellen Folgen von Invalidität oder Tod.
Das Diktat der Grossen
Vogel friss oder stirb: Nach diesem Motto haben die grossen Sammelstiftungen von Zürich, Winterthur und Rentenanstalt tausenden von Kleinunternehmen die Anschlussverträge gekündigt. Die Firmen stehen nun vor der Wahl, eine Alternative zu suchen oder ab 2004 schlechtere Bedingungen zu akzeptieren.
Schlechtere Bedingungen, das bedeutet:
- Mehr Verwaltungskosten.
- Der Umwandlungssatz im Überobligatorium sinkt (siehe Artikel). Begründet wird dies mit der gestiegenen Lebenserwartung.
- Die Verzinsung des überobligatorischen Kapitalanteils wird tiefer. Grund: tiefere Erträge an den Börsen.
- Die Prämien für den Risikoteil steigen. Der Risikoteil umfasst die Pensionskassenleistungen für Versicherte im Fall von Invalidität (Rente für die versicherte Person) und Tod (Rente für die Hinterbliebenen).
Wichtig: Bei vielen autonomen Pensionskassen sind solch einschneidende Massnahmen nicht nötig.