Eine Flut von Bettelbriefen
Hilfswerke werden immer massloser. Bis zu 15 Mal schreiben sie eine Person jährlich an. Und vergeuden so das ihnen anvertraute Geld.
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K-Tipp 02/2009
25.01.2009
Letzte Aktualisierung:
27.01.2009
Marco Diener
Nein, gegen Hilfswerke und andere Organisationen, die für ihre Arbeit auf Spenden angewiesen sind, hat Susanne Blaser aus Spiez BE nichts. Im Gegenteil: Sie spendet regelmässig.
Doch jetzt haben die Hilfsorganisationen den Bogen überspannt: Letztes Jahr hat Susanne Blaser von 178 verschiedenen Organisationen insgesamt 611 Briefe erhalten. Im Schnitt legte der Briefträger jeden Tag zwei Bettelbriefe in ihren Briefkasten. «Und wenn man die Briefe öffne...
Nein, gegen Hilfswerke und andere Organisationen, die für ihre Arbeit auf Spenden angewiesen sind, hat Susanne Blaser aus Spiez BE nichts. Im Gegenteil: Sie spendet regelmässig.
Doch jetzt haben die Hilfsorganisationen den Bogen überspannt: Letztes Jahr hat Susanne Blaser von 178 verschiedenen Organisationen insgesamt 611 Briefe erhalten. Im Schnitt legte der Briefträger jeden Tag zwei Bettelbriefe in ihren Briefkasten. «Und wenn man die Briefe öffnet, dann blicken einen grosse Kinderaugen an. Da ist es schwierig, mal nicht zu spenden», sagt die Rentnerin. Ärgerlich findet sie auch beigelegte «Geschenke», wie Postkarten, Etiketten, Notizblöcke und dergleichen: «Wenn man dafür nicht zahlt, kommt man sich fast als Dieb vor.»
Wenn sie einen Aufruf nicht befolgt, kommt prompt ein Anruf. Dann fragt ein Angestellter nach, warum sie diesmal nicht gespendet habe. «Ich erhalte im Schnitt zwei Anrufe pro Woche. Auch da fallen doch hohe Kosten an», kritisiert Susanne Blaser.
Der K-Tipp hat die 611 Bettelbriefe, die Susanne Blaser letztes Jahr erhalten hat, ausgewertet. Besonders negativ aufgefallen sind fünf Organisationen: Stiftung «Vier Pfoten» (15 Bettelbriefe), Terre des hommes (15), Morija (12), Leprahilfe (11) und Pro Infirmis (10).
Morija und Pro Infirmis bestätigen die Zahlen. Die Leprahilfe beteuert, dass «etwas schiefgelaufen» sein müsse. Und Terre des hommes Schweiz betont, in der Schweiz gebe es drei voneinander unabhängige Organisationen, die den Namen Terre des hommes trügen. «Vier Pfoten» verweigerte jegliche Auskunft. Morija, Leprahilfe, Terre des hommes Schweiz und Pro Infirmis geben zu, säumige Spender auch mal anzurufen, um nachzufragen, was los sei. Angeblich mit einer Erfolgsquote von 25 bis 50 Prozent.
Ausser Terre des hommes Schweiz tarnen alle angefragten Organisationen ihre Bettelbriefe zuweilen mit neutralen Couverts. Weil die Briefe so aus Neugier eher geöffnet werden, wie die Verantwortlichen zugeben.
Ganz wohl scheint es ihnen aber nicht mehr zu sein. «Auf dem Spendenmarkt», sagt René Stähli von der Leprahilfe, «herrscht zunehmende Konkurrenz. Dieser Trend verteuert auch die Spendenbeschaffung.» Und nun drängten auch noch internationale Organisationen in die Schweiz. Inzwischen kostet der Werbeaufwand die Hilfswerke 8 Prozent des Gesamtaufwands, für die Verwaltung gehen 17 Prozent drauf. Allein die 420 von der Schweizerischen Zertifizierungsstelle für Hilfsorganisationen anerkannten Spendensammler geben pro Jahr 625 Millionen Franken für Werbung und Verwaltung aus. Ein Spendenbrief ohne «Geschenkbeilage» kostet die Hilfswerke laut Experten im Schnitt 2 bis 3 Franken.
Wichtige Tipps zum Umgang mit Spenden
Als Spender sollte man folgende Punkte beachten:
- Berücksichtigen Sie lieber wenige Organisationen mit grösseren Spenden. Der Aufwand ist für beide Seiten geringer. Und Sie erhalten weniger Bettelbriefe.
- Wenn Sie anonym spenden wollen, zahlen Sie mit einem neutralen Einzahlungsschein am Postschalter – ohne Absender. Nachteil: Die Post zwackt der Hilfsorganisation eine Gebühr ab.
- Auf den Homepages der Hilfswerke kann man meist direkt einzahlen. Zwar müssen Sie die Felder für Name und Adresse ausfüllen. Sie können dort aber einfach «anonym» und «Musterdorf» hineinschreiben. Nachteil: Sie erhalten die für den Steuerabzug nötige Spendenbestätigung nicht.
- Sie können vom Hilfswerk auch schriftlich verlangen, dass Sie aus der Datenbank gestrichen werden.
- Wer keine adressierte Werbung erhalten will, kann sich beim Schweizer Direktmarketing-Verband auf die Robinsonliste setzen lassen: www.sdv-asmd.ch.