Wer auf die Machenschaften von S. P. und seiner Zürcher Firma Multifarius GmbH hereinfällt, kann Geld verlieren. Die Multifarius verspricht seit vielen Jahren in Kleininseraten «Sofort Bargeld-Kredite». Derzeit tut sie es im «Blick» mit dem Spruch: «Wir bauen die Brücke für Sie!»
Doch die angebliche Brücke ist ein Schwindel. Denn die Firma Multifarius lockt Verzweifelte auf eine teure 0900er-Nummer. Das kostet viel Gebührengeld - aber Kredit gibts meist trotzdem nicht (siehe K-Tipp 11/04).
Auch Erna Käser (Name geändert) hatte im Jahr 2000 Geldprobleme. Doch sie erhielt von der Multifarius einen Kredit - dank einem fragwürdigen Konstrukt, das ihr die Multifarius schmackhaft machte. Käser verkaufte der Firma ihr eigenes Auto und mietete es von dieser gleich wieder zurück - laut «Mietvertrag» für 550 Franken im Monat.
So hatte Käser ihren Ford Transit weiterhin zur Verfügung, erhielt aber auch 8000 Franken Kredit bar auf die Hand ausbezahlt. Genauer: Zuerst musste sie der Multifarius 4000 Franken zahlen, damit ihr Kreditgesuch über 20000 Franken geprüft wurde. Die Multifarius gewährte nur 15000 Franken - und bei der Abholung wurden ihr noch zusätzliche 3000 Franken für Gebühren abgeknöpft.
Nachdem Käser 27 Raten oder insgesamt 14850 Franken überwiesen hatte, rechnete ihr der Berner Anwalt Konrad Rothenbühler vor, dass sie für die erhaltenen 8000 Franken einen Zins von 57,9 Prozent gezahlt hatte. Käser überwies ab sofort nichts mehr, ging vor Gericht und verlangte Geld zurück - mit Erfolg.
Gerichtsentscheid: Vertrag ist nichtig
Vor Gericht hatte es die Klägerin aber nicht mit der Multifarius zu tun, sondern mit der Treuhand-Genossenschaft des Verbandes Schweizerischer Nähmaschinenhändler (TGVSN) und ihrem Geschäftsführer Balz Oertli.
Grund: Die in Weinfelden TG domizilierte TGVSN hatte den Vertrag finanziert, also das Geld für den Kredit zur Verfügung gestellt, und sich im Gegenzug die Rechte am Vertrag abtreten lassen. Deswegen musste Käser die Raten für ihren Ford Transit bzw. für den Kredit an die TGVSN zahlen. Zudem stand im Mietvertrag, das Auto gehöre nun der TGVSN.
Nur: Der Vertrag ist ungültig. Das Bundesgericht hat im Juli 2004 entschieden, dass solche Geschäfte (Verkaufen und Zurückleasen) unter das Konsumkreditgesetz fallen - selbst wenn in den Unterlagen stets von einem Mietvertrag die Rede ist. Solche Kreditverträge sind nichtig.
Auf dieses Bundesgerichtsurteil konnte sich das Bezirksgericht Sense in Tafers FR im Fall Käser stützen. Es erklärte im Oktober 2004 den Vertrag zwischen Kundin Käser, Vermittlerin Multifarius und Geldgeberin TGVSN als nichtig. Die Frau darf das Auto behalten, die TGVSN muss ihr Geld zu-rückzahlen.
Oertli will das Urteil weiterziehen. Das ist nicht erstaunlich, denn Balz Oertli ist fast schon Dauergast bei den Schweizer Gerichten. Hintergrund: Die TGVSN ist in der Vergangenheit sehr häufig als Geldgeberin für solche ungültigen Kreditbeschaffungsverträge über zwielichtige Drittfirmen aufgetreten. In diesem Zusammenhang stand Geschäftsführer Oertli schon oft vor Gericht.
Auch im erwähnten Bundesgerichtsurteil vom Juli 2004 war Oertli Partei - und Verlierer. Damals ging es um ein Kreditgeschäft, das ihm eine berüchtigte Firma namens Autfit im Jahr 1998 vermittelt hatte. Diese Firma ist inzwischen Konkurs, gegen leitende Angestellte wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Auch der Autfit hatte Oertli Geld gegeben.
Hat Oertli das Gesetz bewusst umgangen?
Vor Bundesgericht hatte Balz Oertli den Ahnungslosen gespielt und behauptet, als Geldgeber habe er bzw. die TGVSN gar nicht gewusst, dass jemand einen Kredit erhielt. Doch das Bundesgericht glaubte ihm nicht: Oertli «musste wissen, worum es bei diesem Geschäft ging», heisst es im Urteil.
Damit ist ein für alle Mal klar: Die TGVSN-Geschäfte mit Autos sind allesamt ungültig.
Mehr noch: Es besteht der Verdacht, dass Oertli die ungültigen Geschäfte selber mit Absicht so inszeniert hat - um mit der hinterlistigen Konstruktion das Gesetz zu umgehen und im Hintergrund Geld zu verdienen.
Inzwischen ist Oertli sogar vorbestraft - auch wegen dieser dubiosen Geschäfte. Das Zürcher Obergericht verurteilte ihn am 28. Februar 2005 zu einer Busse von 4000 Franken, wegen «Sachentziehung» - das ist eine abgeschwächte Variante des Diebstahls.
Hintergrund war wiederum ein Auto, das die TGVSN 1997 für die Autfit AG finanziert hatte. Auch hier behauptete Oertli fälschlicherweise, der Porsche gehöre jetzt ihm, und liess ihn kurzerhand abholen, als der Halter die Raten nicht mehr zahlte. Doch ein Gericht hatte schon vorher festgestellt, dass Oertli wegen der Ungültigkeit des Vertrages nicht Besitzer des fraglichen Porsches geworden war.
Es war übrigens nicht das erste Mal, dass Oertli ein Auto selbstherrlich und widerrechtlich «entführte». Bereits 2003 musste ihn das Zürcher Obergericht verpflichten, ein von ihm abgeholtes Auto zurückzugeben.
Angesichts dieser Fakten stellt sich natürlich die Frage: Ist Balz Oertli für den TGVSN noch tragbar? Verantwortlich sind Verwaltungsratspräsident Peter Holenstein aus Bazenheid SG und Vize Max Seiler aus Rickenbach TG. Sie haben die Fragen des K-Tipp nicht beantwortet. Oertli selber hat zu den Vorwürfen auch keine Stellung genommen.
Balz Oertli ist übrigens Sekretär des VSN, also des Verbandes der Nähmaschinenhändler. Der VSN hat ebenfalls keine Stellungnahme abgegeben - obwohl die Aktivitäten Oertlis bzw. der TGVSN dem Image der Nähmaschinenhändler sicher nicht förderlich sind.
Kreditverleih: Keine Bewilligung beantragt
Nun befassen sich auch die Behörden mit der TGVSN. Spätestens Mitte letzten Jahres hätte Oertli beim Kanton eine Bewilligung für die Kreditverleihung beantragen müssen. Das ist bis heute nicht geschehen, bestätigt Judith Müller vom Thurgauer Amt für Wirtschaft und Arbeit.
Die Geschäftspartner der TGVSN sollten sich ebenfalls vorsehen, denn die Wirtschaftsauskunftei Creditreform beurteilt die Bonität der TGVSN mit der Zahl 353. Das ist eine «ungenügende» Bonität und verbunden mit dem Rat an Geschäftspartner, Kredite nur mit Sicherheiten zu geben.
Die Nähmaschinenhändler selber können mit der Dienstleistung der TGVSN auch nicht zufrieden sein. Gemeint sind die Kredite, welche die TGVSN den Käuferinnen von Nähmaschinen gewährt. Die TGVSN hat es bis heute nicht geschafft, diese Verträge dem neuen Konsumkreditgesetz anzupassen, das Anfang 2003 in Kraft getreten ist.
Kommt hinzu, dass die TGVSN in diesen Verträgen nach wie vor einen Zins von 15 Prozent kassiert - also das Maximum, das gesetzlich gerade noch erlaubt ist. Deswegen holen sich die meisten Nähmaschinenhändler ihre Kredite für Kundinnen heute von Banken, die - zum Beispiel Credit Suisse - 11,9 Prozent verlangen.
Ob sich die TGVSN angesichts dieser Fakten in der Zukunft noch halten kann, ist ungewiss. Deswegen hätte der K-Tipp auch gerne von der TGVSN gewusst, warum sie neuerdings gewisse ihrer (ohnehin ungültigen) Autoverträge an die Firma Call & Drive überträgt.
Denn im K-Tipp 12/01 stand zu dieser Firma ein pikantes Detail: Auf sie war eine teure 0900er-Nummer eingetragen. Und über diese Nummer zockte die eingangs erwähnte Multifarius von S. P. Kreditsuchende ab. Damals im Handelsregister der Call & Drive eingetragen: Balz Oertli.
TGVSN: Eine Treuhandfirma auf Abwegen
Viele Nähmaschinenhändler sind im Verband Schweizerischer Nähmaschinenhändler (VSN) zusammengeschlossen. Vor rund 60 Jahren gründeten VSN-Mitglieder die Treuhand-Genossenschaft des Verbandes Schweizerischer Nähmaschinenhändler (TGVSN) im thurgauischen Weinfelden. Sie konnte den Mitgliedern Kredite geben - etwa für den Umbau des Geschäfts.
Vor rund 20 Jahren kam die Kreditvermittlung für Private dazu, die heute noch läuft. Konkret: Will eine Kundin eine neue Nähmaschine nicht bar bezahlen, kann der Händler die Käuferin an die TGVSN verweisen. Dort erhält die Kundin einen Kredit, den sie der TGVSN in Raten abstottern muss. Dieses Geschäft untersteht dem Konsumkreditgesetz.
Vor rund zehn Jahren weitete die TGVSN ihre Aktivitäten auf die Finanzierung von Autos aus, die zu den im Text geschilderten Problemen führten.
Gerüchten zufolge hat die TGVSN bei diesen Auto-Geschäften viel Geld verloren - vor allem auch für Anwalts- und Gerichtskosten. Dem K-Tipp wollte die TGVSN dazu keine Auskunft geben.
Formvorschriften nicht eingehalten
Damit ein Konsumkreditvertrag gültig ist, muss er Folgendes enthalten:
- Hinweis auf das Widerrufsrecht innert 7 Tagen.
- Es muss erkennbar sein, wie viel die Dienstleistung zusammen mit dem Zins insgesamt kostet. Der effektive Jahreszins muss ausgewiesen sein.
- Es muss klar sein, wie viele Raten zu welchem Betrag wann fällig sind.
- Bevor ein Kreditgeber Geld verleiht, muss er prüfen, ob der Kunde kreditfähig ist, ob also die verlangten Raten in seinem Budget Platz haben.
Alle diese Elemente fehlen bei den Auto-Verträgen der TGVSN. Deswegen sind sie ungültig.