Das Versprechen der Reederei MSC Kreuzfahrten ist gross: «So, wie uns ein besonders schönes Gedicht noch lange in Erinnerung bleibt, wird Ihr Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff MSC Poesia Sie in eine neue, unvergessliche Dimension stilvollen Reisens einführen.» Passagier «Hans» hat es etwas anders erlebt: «Das Schiff an sich ist sehr schön, es leidet nur unter dem denkbar schlechten Service und dem äusserst mangelhaft geschulten Personal», schreibt er auf der Internetplattform des Kreuzfahrtenverkäufers E-hoi.ch.
Solche Bewertungen lassen sich auf der Schweizer Website von E-hoi seit Mitte Oktober nachlesen. In Deutschland gibt es sie schon länger. Sie stammen laut E-hoi von «verifizierten Kunden»: Man fordere jeden Kreuzfahrtgast nach der Rückkehr per E-Mail auf, sein Urteil abzugeben – und zwar über einen personalisierten Link, um Fälschungen auszuschliessen.
Da kommt einiges zusammen, wie die Stichprobe des K-Tipp zeigt: Er hat Anfang November sämtliche Bewertungen auf E-hoi zu fünf grossen Reedereien gesichtet: Aida Cruises, Costa Kreuzfahrten, MSC Kreuzfahrten, Norwegian Cruise Line und Royal Caribbean International. Berücksichtigt wurden nur Bewertungen ab Anfang 2010, die erläuternde und damit auswertbare Kommentare enthielten – 711 an der Zahl, die sich auf total 61 Schiffe beziehen. Und diese Bewertungen verraten:
Unterhaltungs-, Wellness- und Sportangebote könnten auf Kreuzfahrten besser sein. In der Stichprobe gab es dazu die meisten Kritiken, total 194. Passagiere ärgerten sich über aufdringliche Animateure, defekte Fitnessgeräte und zu kleine Saunas. Auch Showprogramme («durchwegs albern»), Joggingstrecken («von Liegen verstellt»), Pools («Spucknapf») und andere Angebote begeisterten oft nicht besonders.
Ähnlich viel Kritik erntete die Gastronomie. Lange Wartezeiten in der Schlange oder am Tisch für ein Essen, das verkocht, nicht (mehr) heiss, ungewürzt oder sonstwie missglückt ist, machen keine Freude. Ebenso wenig Lärm, Hektik und enge Platzverhältnisse im Restaurant. Mängel dieser Art wurden insgesamt 185-mal angeprangert.
Auf 163 Beschwerden brachten es die Kabinen. Viele Passagiere empfanden sie als zu lärmdurchlässig, andere als übelriechend oder schlecht klimatisierbar. Auch Ausstattung und Grösse der Badezimmer wurden recht häufig beanstandet.
Je rund 130-mal bezog sich Kritik auf die Bereiche Bordatmosphäre («ständige Verkaufsanmache», «viel zu viele Leute» usw.), Kosten und Preise («überall Gebühren», «Bier teurer als auf dem Oktoberfest» usw.) sowie Servicequalität («unfreundlich», «schlafmützig» usw). Kritische Stimmen gab es auch zum Allgemeinzustand des Schiffs, zum Preis-Leistungs-Verhältnis, zur Sauberkeit und zur Kinderbetreuung an Bord.
Nicht alle Kreuzfahrer aber haben etwas zu bemängeln. Von den 711 Bewertungen waren 183 ausschliesslich neutral bzw. positiv abgefasst.
Zwischen den fünf Reedereien zeigten sich in der Stichprobe interessante Unterschiede (siehe Grafiken). So gab es z. B. bei den italienischen Gesellschaften Costa und MSC nicht für Unterhaltung/ Sport/Wellness am meisten Kritik, sondern für die Gastronomie. Bei der deutschen Aida lagen beide Bereiche gleichauf an erster Stelle, während die Gastronomie bei den US-Reedereien Norwegian Cruise Line und Royal Caribbean auf der Rangliste der meistkritisierten Bereiche nur Platz 5 bzw. 6 belegte.
Die Kabine wiederum war bei Royal Caribbean Kritikpunkt Nummer zwei – bei MSC nur Nummer sechs. MSC-Gäste stellte dafür der Service nicht zufrieden: Er wurde am zweithäufigsten gerügt. Bei Norwegian Cruise Line folgten diese Beschwerden erst an sechster, bei Aida an siebter Stelle.
Der K-Tipp hat die Reedereien mit den Resultaten der Stichprobe konfrontiert. Sie halten dazu fest, man nehme Passagierbewertungen sehr ernst. MSC und Royal Caribbean stellen nach eigenen Angaben schon an Bord Bewertungsformulare zur Verfügung. Und Norwegian Cruise Line gibt an, im Anschluss an Kreuzfahrten «standardisierte schriftliche Gästebefragungen» durchzuführen.
Ziel sei es, allen Kunden ein erstklassiges Kreuzfahrterlebnis mit Top-Service zu bieten, erklären die Reedereien. Sie haben also noch einiges zu tun.
Darüber ärgern sich Kreuzfahrt-Passagiere: Tabelle mit Details
«Sechs von sieben Nächten nicht geschlafen»
Verärgerte Passagiere von Kreuzfahrtschiffen sprechen Klartext. Hier einige beim Internetportal E-hoi erfasste Stimmen im Wortlaut:
«Nervig ist die ununterbrochene Berieselung mit Verkaufsangeboten – man kommt sich gelegentlich vor, als wäre man auf einer Kaffeefahrt!»
(Zur «AIDAdiva», 24. 9. 10)
«Fitnessbereich: toll. Sauna: toll. Poolbereich: hab ich gemieden, zu viel Saufen und Party untertags.»
(Zur «AIDAbella», 5. 9. 11)
«90 Prozent des Personals im Gastro-Bereich waren extrem unfreundlich und überfordert. Abräumen, wenn ein Teller benutzt und nicht mehr benötigt wird – warum? Abräumen, wenn Gäste gegangen sind – warum? Abräumen, wenn sich neue Gäste an diesen Tisch setzen möchten – warum?»
(Zur «Voyager of the Seas» von Royal Caribbean, 11. 6. 11)
«In meiner Aussenkabine liess die Sauberkeit sehr zu wünschen übrig, auch ein unangenehmer abgestandener Schweissgeruch war störend.»
(Zur «Brilliance of the Seas» von Royal Caribbean, 1. 2. 10)
«Ich habe sechs von sieben Nächten nicht geschlafen, weil irgend etwas (ein massives dumpfes Hämmern gegen den Schiffsrumpf) bis 2 Uhr nachts gestört hat. Ausserdem hört man jedes Zimmertür-Zuschlagen. (...) Kam total übermüdet aus dem Urlaub.»
(Zur «MSC Fantasia»,15. 10. 11)
«Die Preise für nicht eingeschlossene Leistungen sind viel zu hoch. Täglich werden (…) automatisch 7 Euro für Trinkgeld abgezogen. Pro Getränk wird dann noch zusätzlich eine Trinkgeldpauschale von 15 Prozent verrechnet. Das finde ich absolut nicht in Ordnung. Das ist eine wirkliche Ausnehmerei!»
(Zur «Costa Fortuna», 26. 7. 10)
«Die Situation im Selbstbedienungsrestaurant erinnert an einen militärischen Einsatz im Nahkampf. Ergattert man schliesslich einen Tisch (…), muss man das unmotivierte und komplett überforderte Personal freundlichst bitten, die Reste der Voresser zu beseitigen, um sich anschliessend in die Schlange zu reihen. So wartet man dann auf schlecht durchgebratenes Fleisch und lasche Pommes, gerne auch in Kombination mit altem Salat.»
(Zur «Costa Serena», 13. 6. 10)