K-Tipp-Leserin Barbara Köhl bestellte Anfang Oktober im Internetshop Trendbox einen Abflussstöpsel zum Preis von Fr. 29.95. Das Paket traf erst im Februar ein. Die Schaffhauserin bezahlte die Rechnung umgehend. Bis dahin waren aber bereits Mahnungen von Power Pay im Briefkasten gelandet. Power Pay schickte trotz Reklamationen der Kundin unbeirrt weitere Mahnungen. Im April beliefen sich die verlangten Gebühren auf Fr. 85.70. Power Pay beharrte auf der Bezahlung.
Power Pay ist eine Marke der MF Group AG, die für viele Unternehmen das Rechnungsinkasso betreibt, unter anderem für die Swiss und Media-Markt. Wer den eigenen Swisspass als Zahlungsmittel für Bahn und Bus benutzt, erhält monatlich ebenfalls eine Rechnung von Power Pay. Viele weitere Firmen delegieren das Inkasso an externe Rechnungssteller. Das gilt zum Beispiel für die SBB, Coop, Nespresso, Calida, Manor, Ochsner Sport oder Apfelkiste.
Firmen verlangen hohe Jahreszinsen
Kommt ein solcher Rechnungssteller ins Spiel, sind Kunden oft verunsichert. Das zeigen Reklamationen von vielen K-Tipp-Lesern. Kunden akzeptieren beim Kauf häufig die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Internethändler, inklusive jener von externen Rechnungsstellern, ohne die Bestimmungen durchzulesen.
Dadurch können erhebliche Kosten entstehen: Die MF Group etwa verlangt Jahreszinsen von 14,9 Prozent, wenn jemand die Rechnung nicht innert der gesetzten Frist bezahlt, bis zu 38 Franken für eine Mahnung und zusätzlich Gebühren für die Administration.
Schon in der ersten Mahnung, die Barbara Köhl erhielt, wurden 18 Franken Mahngebühr, Fr. 2.90 für Administration und 75 Rappen Zinsen berechnet. In der letzten Rechnung verlangte die MF Group sogar Fr. 85.70. Doch Köhl muss alle diese Zusatzgebühren nicht bezahlen. Denn sie beglich die Rechnung nach der Lieferung des bestellten Abflussstöpsels sofort.
Gebühren und hohe Zinsen wie bei Power Pay sind bei Rechnungsstellern keine Ausnahme. Auch Availabill, Cembra Pay, Swissbilling, Paycard und Klarna verlangen bei verspäteten Zahlungen zwischen 8 und 15 Prozent Zins plus Mahngebühren und weitere Inkassospesen.
Doch es ist umstritten, ob solch in den allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnten hohen Gebühren rechtswirksam sind. Kreditzinsen in dieser Höhe sind erlaubt. Anders ist die Rechtslage bei Verzugszinsen: Gemäss Gesetz schuldet ein Kunde 5 Prozent Verzugszins, wenn er eine Rechnung trotz Mahnung zu spät bezahlt.
Firmen dürfen mit ihren Kunden vertraglich einen höheren Verzugszins plus Mahngebühren vereinbaren. Ob diese auch gültig sind, wenn sie nur in den allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgeführt sind, wurde vom Bundesgericht aber bis heute noch nicht entschieden.
Mahngebühren sind oft überrissen
Rechtsprofessor Arnold F. Rusch, Dozent an der Uni St. Gallen, analysierte die AGB verschiedener Firmen. Er kam in der juristischen Fachzeitschrift «AJP» zum Schluss, dass ein Verzugszins, der höher ist als im Gesetz vorgesehen, ein strafendes Element enthalte. Das sei mit einer Konventionalstrafe vergleichbar. Eine solche kann man aber nicht im Kleingedruckten in einen Vertrag hineinschmuggeln.
Das Gleiche gilt für die Mahnschreiben. Diese werden meistens automatisiert verschickt, als Standardbrief. Papier, Couvert, Porto und Druckerschwärze kosten keine 2 Franken. Mahngebühren von 30 bis 40 Franken sind deshalb überrissen und ebenfalls vergleichbar mit einer Konventionalstrafe.
Einige Rechnungssteller geben sich nicht mit Zinsen und Mahngebühren zufrieden: Sie belasten sogar noch weitere Inkassokosten. Das erlebte ein K-Tipp-Leser, der im Shop Bergzeit für Fr. 66.65 einen Seidenschlafsack gekauft und vergessen hatte, die von Klarna gestellte Rechnung zu bezahlen.
Klarna wickelt die Rechnungsstellung für Bergzeit ab. Klarna gab die Rechnung dann zum Inkasso an die Firma Infoscore weiter. Diese erhöhte die Forderung auf total Fr. 231.30. Neben den Verzugszinsen von 8 Prozent und den Mahngebühren von 30 Franken verlangte Infoscore zusätzlich 35 Franken für eine angebliche Bonitätsprüfung und machte einen Verzugsschaden von Fr. 86.70 geltend. Säumige Zahler können solche Inkassokosten streichen – diese sind laut Gesetz nicht geschuldet.