Nach den Grossunternehmen sollen bald auch die privaten Haushalte in der Schweiz ihren Stromlieferanten frei wählen dürfen. Der Bundesrat hat die Gesetzesänderung zur vollen Öffnung des Strommarkts bereits aufgegleist. Allerdings: Mit der Wahl des Lieferanten werden die Konsumenten nur die Energiekosten auf ihrer Rechnung beeinflussen können. Was die Kosten für die Netznutzung betrifft, bleiben sie den Tarifen ihres örtlichen Stromversorgers ausgeliefert.
Und das fällt ins Gewicht, wie eine Stichprobe des K-Tipp zeigt: Bei 47 von 50 Schweizer Elektrizitätswerken zahlt ein Durchschnittshaushalt für die Netznutzung nämlich einen höheren Tarif pro Kilowattstunde (kWh) als für die elektrische Energie. Auch ist der Abstand zwischen Netznutzungsentgelt und Energiepreis bei fast drei Vierteln der Versorger im Vergleich zum Stand vor zehn Jahren gewachsen.
Hinzu kommt: 46 der 50 Stromversorger verlangen von den Haushalten höhere Preise für die Netznutzung als von mittelgrossen Unternehmen. Bei den Technischen Betrieben Glarus Nord etwa zahlt ein Durchschnittshaushalt 12,8 Rappen pro kWh für den Stromtransport durchs Netz, ein mittlerer Betrieb aber nur 7,44 Rappen pro kWh (siehe Tabelle im PDF).
«Die tarifliche Differenz ist gerechtfertigt und branchenüblich», sagt Geschäftsführer Tony Bürge dazu. Bei den Haushalten seien unter anderem die ganze Messung und Abrechnung im Preis enthalten. «Aufgrund der hohen Kundenanzahl bei gleichzeitig geringem Verbrauch fällt der pro Kunde anfallende Aufwand für Rechnungsstellung, Messwesen und Administration am stärksten ins Gewicht.»
Ähnlich argumentieren die anderen vom K-Tipp angefragten Versorger. Sie verweisen zudem auf das unterschiedliche Bezugsverhalten von Privat- und Industriekunden. Letztere würden das Netz viel gleichmässiger belasten und damit im Durchschnitt geringere Netzkosten verursachen.
Bündner werden zur Kasse gebeten
Das erklärt allerdings nicht, weshalb die Netznutzungstarife in der Schweiz so stark variieren. In der Stichprobe reichte die Bandbreite für Haushalte von 6,26 Rappen pro kWh bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich bis zu 14,14 Rappen pro kWh bei der Bündner Repower AG. Deren Sprecher Stefan Bisculm begründet den hohen Tarif unter anderem mit der Grösse und der Topografie des Versorgungsgebiets sowie dem hohen Anteil nicht ganzjährig genutzter Ferienwohnungen: «Repower muss lange Verteilnetze zu Siedlungen und Streusiedlungen bauen, wo der Stromabsatz relativ klein ist.» Das gebe hohe Kosten, die auf nur wenige Kilowattstunden verteilt werden könnten. Auch andere Elektrizitätswerke mit hohen Netznutzungstarifen verweisen auf Faktoren wie Topografie, Siedlungsdichte und Länge des Leitungsnetzes.
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Ebenfalls massgebend sind Effizienz und Gewinnstreben der einzelnen Stromversorger, wie die Eidgenössische Elektrizitätskommission festhält. Als staatliche Regulierungsbehörde überwacht sie unter anderem die Strompreise.
Stromnetz doppelt in Rechnung gestellt
Besonders stossend in diesem Zusammenhang: Die Elektrizitätswerke erhielten mit Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes vor gut zehn Jahren die Möglichkeit, ihre meist weitgehend abbezahlten Netze neu zu bewerten und den Kunden über eine Erhöhung der Netztarife nochmals in Rechnung zu stellen. Viele machten davon Gebrauch.
Darum wählte der Präsident der Elektrizitätskommission, Carlo Schmid-Sutter, in einem Referat kürzlich deutliche Worte. Zwar, stellte er fest, verfüge die Schweiz über ein sicheres und qualitativ gutes Stromnetz. Weniger erfreulich sei aber, «dass wegen der Aufwertungen und Neubewertungen die Endverbraucher das Netz teilweise mehr als einmal bezahlen mussten».