Der Kanton Graubünden liess insgesamt 70 Fische aus dem Silsersee im Oberengadin sowie aus dem Lago Bianco und dem Lago Crocetta am Berninapass auf heikles Fluor untersuchen. Ergebnis: 10 von 40 Fischen aus dem bei Langläufern beliebten Silsersee enthielten die hochgiftige, in Skiwachs enthaltene Perfluoroctansäure PFOA. Dagegen waren die 30 Tiere aus den abseits vom Skisport gelegenen Seen Lago Bianco und Lago Crocetta frei davon. Auch weitere geprüfte Fische – aus dem Bodensee, dem Genfersee, dem Lago Maggiore und dem Lago di Lugano – enthielten laut dem Bündner Bericht keine PFOA.
Bereits vor gut einem Jahr zeigte ein vom K-Tipp und dem kantonalen Fischereiverband Graubünden beauftragter Labortest, dass Fische im Silser-, im Silvaplaner- und Champfèrersee mit PFOA belastet sind (K-Tipp 1/2021). Die Innereien von 13 der insgesamt 40 untersuchten Fische aus den drei Gewässern wiesen erhöhte Mengen der giftigen Fluorverbindung auf.
Über die drei Seen führt im Winter eine zwölf Kilometer lange Langlaufloipe. In der Nachbarschaft befinden sich zudem mehrere grosse Skigebiete. Die Innereien einer Äsche aus dem nahen St. Moritzersee enthielten ebenfalls PFOA. Drei Proben von Fischen aus dem Lago Bianco hingegen, über den keine Loipe führt, waren auch in der K-Tipp-Stichprobe frei von PFOA.
Schmilzt der Schnee, landet Gift in den Seen
Bündner Fischer beklagen seit Jahren den sinkenden Fischbestand in den Engadiner Talseen. Der kantonale Fischereiverband warnte bereits mehrfach, dass im Skiwachs enthaltenes Gift bei der Schneeschmelze in die Seen und so in die Fische gelange.
Immerhin: In der Schweiz darf Skiwachs mit PFOA seit Juni nicht mehr hergestellt, verkauft und verwendet werden. Skiwachse mit anderen schädlichen Fluorverbindungen sind jedoch weiterhin erlaubt.
Die im aktuellen Bündner Bericht publizierten PFOA-Werte sind deutlich tiefer als jene aus der K-Tipp-Stichprobe. Mögliche Gründe: Der K-Tipp liess alle Innereien der Fische untersuchen, der Kanton hingegen nur Muskelfleisch und Leber. Die Fluorbelastung variiert auch nach Grösse, Gewicht, Alter und Art der Fische.
Hinzu kommt: Wegen der Corona-Pandemie fand der letzte Engadin-Skimarathon mit über 14 000 Langläufern im März 2019 statt. Die vom K-Tipp geprüften Fische wurden im Sommer 2020 gefangen, diejenigen des Kantons Graubünden erst im Sommer 2021. Zudem bewirkte wohl das PFOA-Verbot in der EU und der Schweiz, dass in der Saison 2020/21 bereits weniger Skiwachs mit PFOA verwendet wurde als noch in der Saison 2019/20.
Vor allem Jungfische sind bedroht
Der Kanton gibt aufgrund seiner Messwerte Entwarnung für den Verzehr von Fisch aus Oberengadiner Seen. Die Fischer aber sind weiter besorgt. Laut Radi Hofstetter, Präsident des kantonalen Fischereiverbandes, sinkt der Abrieb von fluorhaltigen Wachsen nach der Eisschmelze im Frühling in hoher Konzentration auf den Seegrund und wird vor allem von frisch geschlüpften Jungfischen aufgenommen: «Im Frühstadium könnten bereits geringste Mengen zu starken Wachstumsstörungen oder zum Tod führen.»
Skiwachs mit Fluor auch für Menschen eine Gefahr
Das Bundesamt für Gesundheit rät von Skiwachs mit Fluor ab – unabhängig davon, ob die Produkte die inzwischen verbotene Perfluoroctansäure (PFOA) oder andere Fluorverbindungen enthalten. Laut dem Amt atmen Langläufer, Skifahrer und Snowboarder die giftigen Chemikalien während der Anwendung ein. Die Stoffe reicherten sich im Organismus an und verblieben so jahrelang im Körper. Skiwachse mit Fluorverbindungen seien deshalb nicht nur umweltschädlich, sondern auch eine «Gefahr für die Gesundheit». Wer noch Fluorwachse besitzt, sollte diese nicht im Kehrichtsack entsorgen, sondern in öffentlichen Sammelstellen oder Entsorgungshöfen. Ob Wachs Fluor enthält, ist auf der Verpackung für den Laien schwer erkennbar – deshalb fragt man am besten im Laden nach.