Der Vater von Verena Eugster (Name geändert) aus Frauenfeld TG starb im März 2021. Er besass bei seinem Tod rund 30 000 Franken Bargeld, 50 000 Franken in Gold, Aktien im Wert von 500 000 Franken sowie ein Haus in Frauenfeld. Einzige Erben waren Verena Eugster und ihr Bruder.
Zeitaufwand im Detail aufgelistet
Der 82-jährige Thurgauer bestimmte im Testament einen Anwalt als Willensvollstrecker. Dessen Aufgabe ist es, die Erbschaft zu verwalten, offene Rechnungen zu zahlen und den Erben Vorschläge für die Teilung zu unterbreiten.
Im Fall von Eugsters Vater prüfte der Willensvollstrecker das Steuerinventar, erstellte die Steuererklärung per Todestag, traf sich mit den Erben, half beim Hausverkauf, rechnete die Grundstückgewinnsteuer ab und formulierte zum Abschluss den Teilungsvertrag. Diese Arbeiten dauerten rund ein Jahr.
Dafür stellte der Anwalt am Ende 59 Stunden zu 280 Franken in Rechnung. In seiner Honorarrechnung listete er detailliert auf, wie viel Zeit er wofür gebraucht hatte. Zusammen mit den Barauslagen und der Mehrwertsteuer kam er auf ein Honorar von 17 700 Franken.
Verena Eugster war über die Höhe der Rechnung erstaunt: «Das war keine schwierige Erbteilung. Wir waren nur zwei Erben, und wir waren uns von Anfang an einig», erzählt sie der K-Tipp-Rechtsberatung. Diese prüfte die Honorarrechnung des Willensvollstreckers und kam zum Schluss: Die Höhe der Rechnung ist korrekt. Der Stundenansatz von 280 Franken für einen selbständigen Anwalt ist an der unteren Grenze und der berechnete Zeitaufwand durchaus vertretbar.
Pauschalhonorare sind nicht zulässig
Das war bei Ruth Schmid aus Zürich nicht der Fall: Ihr verstorbener Mann hatte ebenfalls einen Anwalt als Willensvollstrecker bestimmt. Dieser erstellte aber keine detaillierte Honorarrechnung mit Angabe von Zeitaufwand und Stundenansatz. Er verlangte ein Pauschalhonorar in der Höhe von 2 Prozent des Nachlasses. Bei einem Vermögen von 3 Millionen Franken ergab dies eine happige Rechnung in der Höhe von 60 000 Franken.
Doch Pauschalhonorare sind unzulässig – so entschied das Bundesgericht bereits vor 70 Jahren (Urteil BGE 78 II 123 vom 20. März 1952). Als Ruth Schmid reklamierte, gab ihr Willensvollstrecker nach und erstellte eine neue und detaillierte Abrechnung. Für seine 60 Arbeitsstunden verlangte er einen Stundenansatz von 300 Franken und reduzierte sein Honorar somit auf 18 000 Franken.
Die Regeln bei kleinen Nachlässen
Wie hoch darf das Honorar des Willensvollstreckers sein, wenn nur ein kleines Nachlassvermögen vorhanden ist? Das Gesetz gibt darauf keine Antwort. Gemäss Rainer Künzle, Rechtsanwalt und ehemaliger Titularprofessor an der Universität Zürich, darf der Willensvollstrecker bei einem Nachlass von beispielsweise 30 000 Franken maximal 40 Prozent der Erbschaft in Rechnung stellen («K-Geld» 2/2021).
Das gilt beim Honorar des Willensvollstrec kers
- Der Erblasser kann das Honorar des Willensvollstreckers in seinem Testament oder in einem Erbvertrag festlegen. Tut er dies nicht, darf sein Willensvollstrecker für seinen Aufwand das übliche Honorar verlangen.
- Pauschalhonorare (von zum Beispiel 1 bis 3 Prozent des Nachlassvermögens) sind nicht zulässig.
- Das Honorar bemisst sich nach dem Zeitaufwand, der für die Verwaltung der Erbschaft nötig war, und einem angemessenen Stundenansatz.
- Der Stundenansatz richtet sich nach der Komplexität des Nachlasses und der damit verbundenen Verantwortung des Willensvollstreckers. Bei selbständigen Anwälten gilt ein Ansatz von 300 bis 500 Franken als angemessen. Bei Laien sind es 70 Franken pro Stunde.
- Bei kleinen Nachlässen bis 30 000 Franken darf das Honorar 40 Prozent der Erbschaft in der Regel nicht übersteigen.
- Neben dem Honorar hat der Willensvollstrecker Anspruch auf Spesenersatz.
- Der Willensvollstrecker darf sich sein Honorar und die Auslagen selber aus dem Nachlass auszahlen.
- Bezieht der Willensvollstrecker zu viel, können die Erben die Differenz zum angemessenen Honorar gemeinsam mit einer Klage zurückfordern – und zwar beim Gericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen.
Buchtipp
Vom Testament bis zur Erbteilung: Das Wichtigste über Erbvorbezüge, Ehe- und Erbverträge, Willensvollstrecker und Pflichtteile.