Verena Sutter (Name geändert) aus Schaffhausen arbeitete während zweieinhalb Jahren in einem Callcenter der Ostschweiz. Sie akquirierte im Auftrag von verschiedenen Unternehmen Neukunden. «Man war sehr zufrieden mit mir», sagt die 34-jährige gelernte Büroangestellte. Im vergangenen Oktober sei sie in einer Sitzung noch ausdrücklich gelobt worden, sie mache einen guten Job. Doch nur vier Tage später erhielt sie unerwartet die fristlose Entlassung.
Der Protest zeigte Wirkung
«Die Leistung hat die letzten Monate spürbar abgenommen», begründete der Geschäftsführer die Kündigung in einem Brief. Im Oktober habe sie die vereinbarte Zahl von Anrufversuchen um 45 Prozent verfehlt, heisst es im Schreiben. «Ein krasser Verstoss gegen den Arbeitsvertrag und ein massiv gestörtes Arbeitsverhältnis, weshalb wir das Arbeitsverhältnis per heute fristlos auflösen.» Die junge Frau bestreitet die Vorwürfe und vermutet einen anderen Grund für die Entlassung: «Wir sind zu viele Mitarbeiter und haben zu wenig Arbeit.»
Verena Sutter protestierte nach Erhalt der Kündigung sofort mit einem eingeschriebenen Brief gegen die Entlassung. Sie bot an, weiterhin zur Arbeit zu erscheinen. Ihr Schreiben zeigte Wirkung: Der Geschäftsführer zog die fristlose Kündigung zurück. Am Ende einigten sich die beiden auf eine Auflösung des Arbeitsvertrags per Ende Jahr.
Eine fristlose Entlassung wegen «spürbarer Abnahme der Leistung» wird von Gerichten nicht akzeptiert. Die Gerichtspraxis zeigt: Fristlose Kündigungen ohne Vorwarnung müssen gut begründet sein. Sie sind nur dann zulässig, wenn derart wichtige Gründe vorliegen, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist. Eine ungenügende Arbeitsleistung, wie sie Verena Sutter vorgeworfen wurde, reicht dafür nicht.
Drei «Fristlose», die rechtmässig waren
Als rechtmässig taxierte das Bundesgericht zum Beispiel folgende fristlose Kündigungen:
Ein Lastwagen-Chauffeur überfuhr ein Stoppsignal und kollidierte mit einem Personenwagen. Der Fahrer des Lastwagens wurde dabei verletzt, und das Auto erlitt Totalschaden. Der Arbeitgeber kündigte dem Chauffeur fristlos – das Bundesgericht gab der Firma schliesslich recht.
Eine Kassierin arbeitete zehn Jahre lang tadellos in der Migros. Dann stahl sie zwei Packungen Cracker und Aufschnitt. Sie wurde erwischt und fristlos entlassen. Das Bundesgericht bestätigte die fristlose Entlassung, obwohl der Wert der gestohlenen Waren gering war. Entscheidend sei der mit dem Diebstahl verbundene Vertrauensbruch.
Ein Maler-Vorarbeiter bezeichnete seinen Vorgesetzten vor versammelter Belegschaft als «profitgeiles Arschloch». Das Bundesgericht beurteilte im Februar 2005 die fristlose Kündigung als rechtmässig.
Verwarnung bei geringen Verstössen
Andere rechtmässige Gründe für eine fristlose Entlassung sind beispielsweise das Annehmen von Schmiergeldern, Tätlichkeiten, Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder der eigenmächtige Bezug von Ferien.
Bei geringeren Verfehlungen muss ein Arbeitgeber den Angestellten vor der Entlassung zunächst verwarnen. Zum Beispiel dann, wenn der Arbeitnehmer wiederholt zu spät zur Arbeit kommt. Oder wenn er während der Arbeitszeit übermässig telefoniert und im Internet surft.
Ungerechtfertigte Entlassung: Protestieren Sie schriftlich
Verlangen Sie vom Arbeitgeber eine Begründung für die fristlose Kündigung, und bieten Sie Ihre Arbeitskraft weiterhin an. Aus Beweisgründen sollten Sie den Brief eingeschrieben schicken. Ein Musterbrief ist zu finden im «Saldo» Ratgeber «Arbeitsrecht» (siehe Buchtipp unten).
Wenn es zu keiner Einigung mit dem Arbeitgeber über eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kommt, können Sie Klage einreichen. Zuständig ist die Schlichtungsbehörde am Arbeitsplatz oder am Sitz des Arbeitgebers. Die für Sie zuständige Behörde finden Sie unter www.zivilgerichte.ch.
Sie können den Lohn bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und eine Entschädigung fordern. Die maximale Entschädigung beträgt sechs Monatslöhne. Sie wird vom Gericht festgesetzt.
Buchtipp:
Weitere Infos zu Kündigungen finden Sie im aktualisierten «Saldo»-Ratgeber Arbeitsrecht: Was Angestellte wissen müssen.
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