Ein Werbevideo der Firma Swiss Serenity AG auf der Internetplattform Youtube: «Sind Sie arbeitslos? Das ist eine gute Nachricht!», sagt eine Stimme euphorisch. «Während dieser Zeit laufen Ihre hart erarbeiteten Guthaben aus der zweiten Säule frei herum. Das Geld könnte Ihnen besser nutzen.»
Der Werbespot von Swiss Serenity mit Sitz im jurassischen Pruntrut wurde auf Youtube bereits über eine halbe Million Mal angeschaut. Im Clip heisst es weiter: Insgesamt seien in der Schweiz Milliarden Franken an Vorsorgegeldern verloren. Das Unternehmen sagt, es spüre das Geld für Kunden auf.
Suchauftrag an Swiss Serenity erteilt
Auch ein K-Tipp-Leser aus dem Kanton Waadt schaute das Video von Swiss Serenity an. Er hatte seine Arbeitsstelle verloren und wollte sich einen Überblick verschaffen über seine Guthaben der zweiten Säule. Er gab Swiss Serenity den Auftrag, nach diesen Geldern zu suchen.
Wenig später erhielt der Mann ein E-Mail mit dem Hinweis, es seien mehrere Konten gefunden worden. Die «Mission» von Swiss Serenity sei es nun, diese Gelder aus den mager verzinsten Freizügigkeitskonten zu ziehen. Das Unternehmen versprach dem Kunden, das Geld zurückzuverlangen, damit er dies nicht selber machen müsse. Zu diesem Zweck solle der Waadtländer im Internet ein Formular ausfüllen und eine Vollmacht unterzeichnen.
Hohe Provision für überwiesenes Geld
Swiss Serenity riet dem Leser, sein in der zweiten Säule gespartes Geld ihren Genfer Partnerbanken zu übergeben, da es bei diesen «sehr gute Anlageoptionen» gebe. In den Werbevideos ist die Rede von 3 Prozent Jahreszins. Was das Unternehmen dem Leser verschwieg: Bei jedem Geldtransfer zwackt Swiss Serenity 3 Prozent Provision ab. So steht es auf der Internetseite der Firma. Der Waadtländer hätte für die Überweisung seines Pensionskassenguthabens von 270'000 Franken also 8100 Franken bezahlt.
Der Leser ging darauf nicht ein. Anschliessend erhielt er mehrere E-Mails, die suggerierten, sein Guthaben sei von Swiss Serenity blockiert worden.
Gegenüber dem K-Tipp verteidigt Geschäftsführer Robin Bader die hohe Provision von Swiss Serenity: «Warum bezahlen die Leute für ein Restaurant, statt zu Hause zu kochen? Wegen des Services!»
Einen ähnlichen «Service» verspricht die Kala Swiss AG, eine Firma mit Sitz in Delémont, ebenfalls im Jura. Deren Geschäftsführer Diego Rohner wurde Mitte Februar in einem Beitrag des «Tages-Anzeigers» als Experte für Vorsorgegelder zitiert. Sein Unternehmen habe seit 2020 für 48'000 Kunden mehr als 600 Millionen Franken auffinden können, sagte Rohner. Belege dafür lieferte er keine. Nicht erwähnt wurde im Beitrag, dass Kala Swiss bei einem Geldtransfer zu einer Bank ebenfalls eine Kommission von 3 Prozent verlangt.
Kostenlose Suche via Zentralstelle.ch
Gut zu wissen: Wer eine Stelle aufgibt, muss ein Freizügigkeitskonto einrichten und das gesparte Vorsorgegeld dorthin überweisen. Ohne einen solchen Auftrag an die bisherige Pensionskasse fliesst das Geld nach einer bestimmten Zeit an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG. Das heisst: Vergessenes Pensionskassengeld ist nicht verloren, wie Swiss Serenity und Kala Swiss behaupten. Vielmehr können Versicherte ohne viel Aufwand selber herausfinden, welche Kasse vermisstes Geld verwaltet. Dafür reicht eine Anfrage bei der Zentralstelle 2. Säule aus.
Unternehmen wie Swiss Serenity und Kala Swiss tun also nichts anderes, als diese Anfrage im Auftrag ihrer Kunden einzusenden. Die Zentralstelle 2. Säule hat vom Bund den Auftrag, nach vergessenen Pensions-kassenguthaben zu suchen.
Wer einen Suchantrag stellt, erhält innert 90 Tagen eine Aufstellung von der Zentralstelle, und zwar kostenlos. Eine Anfrage kann sich vor allem für Leute lohnen, die oft temporär arbeiteten, häufig die Stelle wechselten oder viele Nebenjobs ausübten.
Die Firma Swiss Serenity schrieb bis vor kurzem auf ihrer Internetseite, sie arbeite mit vier Partnern zusammen: den Genfer Privatbanken Gonet und Mirabaud, der Stiftung Lemania Pension Hub und der Zugerberg Finanz AG. Nach Anfragen des K-Tipp verschwanden die Namen dieser Unternehmen von der Internetseite.
Mirabaud und Lemania Pension Hub bestreiten gegenüber dem K-Tipp, geschäftliche Verbindungen mit Swiss Serenity zu haben.
Vorsorgegeld: So startet man den Suchauftrag
Wer vor einem Jobwechsel steht, muss der bisherigen Pensionskasse mitteilen, wohin sie das Altersguthaben überweisen soll: auf ein Freizügigkeitskonto oder eine neue Pensionskasse.
Wer dies unterlässt, muss damit rechnen, dass die bisherige Pensionskasse das Geld nach sechs Monaten an die Stiftung Auffangeinrichtung BVG überweist.
Für die Suche nach vermissten Vorsorgegeldern ist die Zentralstelle 2. Säule zuständig. Sie ist im Internet zu finden unter der Adresse Zentralstelle.ch. Dort klickt man auf den Bereich «Suche nach Guthaben» und lädt ein Formular herunter. Dieses Formular ausfüllen, ausdrucken und samt Unterschrift senden an: Zentralstelle 2. Säule, Sicherheitsfonds BVG, Geschäftsstelle, Postfach 1023, 3000 Bern 14.