Fixer Buchpreis bringt den Lesern nichts

In der Diskussion über die Buchpreisbindung dominieren Meinungen statt Fakten. Der K-Tipp beantwortet die wichtigsten Fragen zur Abstimmung vom 11. März.<br />

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K-Tipp 04/2012

19.02.2012

Letzte Aktualisierung:
21.02.2012

cet/res

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Bis ins Jahr 2007 gab es in der Deutschschweiz die Buchpreisbindung. Verlage und Importeure diktierten die Preise der Bücher. Folge: Sie waren überall gleich teuer.

Am 2. Mai 2007 hat der Bundesrat die Buchpreisbindung aufgehoben. Begründung: Sie stelle eine unzulässige Preisabsprache dar. Nun soll die Buchpreisbindung per Gesetz wieder eingeführt werden. Dagegen wurde das Referendum ergriffen. Darum kann das Stimmvolk am 11. März entscheiden.

Der K-Tipp beantwortet die zehn wichtigsten Fragen zur Abstimmung.

1. Was will das neue Gesetz erreichen?

Es will wörtlich «die Vielfalt und die Qualität des Kulturgutes Buch fördern» und «möglichst vielen Leserinnen und Lesern den Zugang zu Büchern zu den bestmöglichen Bedingungen gewährleisten».

2. Was ändert sich bei einem Ja?

Dann kosten die Bücher in der Schweiz überall gleich viel. Die Preise werden von den Verlagen diktiert. Die Buchläden müssen sich daran halten. Der weitaus grösste Teil der in der Schweiz verkauften Bücher stammt aus deutschen Verlagen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen: Die deutschen Verlage verlangen in der Schweiz deutlich höhere Preise. Die Verlage wollen von der Hochpreisinsel Schweiz profitieren. Mit der Buchpreisbindung könnten sie dies wirksam durchsetzen. Das kennt man auch von den Zeitschriften: Fast alle deutschen Zeitschriften sind in der Schweiz erheblich teurer, weil die Kioske sie zum vom Verlag diktierten Preis verkaufen.

3. Werden die Bücher in der Schweiz bei einem Ja also eher teurer?

Ja. Laut einer Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz hat die Aufhebung der Buchpreisbindung im ersten Jahr «keine statistisch signifikanten Veränderungen» der Buchpreise ausgelöst. Auch der Landesindex der Konsumentenpreise für «Bücher und Broschüren» stützt diese Aussage: Die Preise blieben von 2007 bis 2010 stabil. Im letzten Jahr sanken sie um 6,3 Prozent. Eine Stichprobe des K-Tipp hat diese Tendenz bestätigt (siehe Kasten). Heute können kostenbewusste und finanziell weniger betuchte Kunden den Händler mit dem günstigsten Angebot auswählen.

4. Kann der Preisüberwacher nach einer Annahme gegen überhöhte Preise einschreiten?

Seine Kompetenzen sind beschränkt. Das Gesetz sieht bloss vor, dass der Preisüberwacher maximal zulässige Preisdifferenzen zum Ausland beantragen kann. Wo diese Obergrenze liegen soll, ist nicht definiert. Der Preisüberwacher wird bei einer Buchpreisbindung nicht verhindern können, dass Kunden für Bücher aus dem Ausland zu viel bezahlen müssen.

5. Fördert die Buchpreisbindung die Vielfalt von Büchern?

Laut den Befürwortern der fixen Buchpreise werden die Verlage bei einer Ablehnung der Vorlage künftig weniger neue Titel herausbringen, weil sich nur Bestseller wirtschaftlich lohnen. Fakt ist: Die Zahl der neuen Buchtitel in der Schweiz pendelte in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau zwischen jährlich 10 000 und 11 000 Titeln. Dies zeigen der Indikator des Bundesamtes für Statistik sowie die Jahresberichte der Nationalbibliothek. Dort wird die Zahl der Bücher erfasst, die in der Schweiz jährlich erscheinen und über den Buchhandel angeboten werden. Die letzten fünf Jahre ohne fixe Buchpreise führten zu keinem spürbaren Rückgang der Neuerscheinungen.

6. Fördert die Buchpreisbindung gute Literatur?

Laut den Befürwortern führen fixe Buchpreise zu einer Förderung von guten Büchern. Dafür gibt es keine Belege.

7. Kann man mit einem Ja die Buchhandlungen unterstützen?

Die Befürworter fixer Preise argumentieren, seit der Aufhebung der Buchpreisbindung im Jahr 2007 hätten in der Deutschschweiz bereits 13 Prozent der Buchhandlungen schliessen müssen. Nur mit einer Preisbindung könne die Existenz der Schweizer Verlage und Buchhandlungen gesichert werden. Fakt ist: Die Zahl der Buchhandlungen war auch in den Jahren mit Buchpreisbindung rückläufig. So wurden im Jahre 1995 in der Schweiz 705 Buchhandlungen gezählt. Während der nächsten zehn Jahre mit Buchpreisbindung verschwanden 101 Betriebe oder über 14 Prozent aller Buchhandlungen. Fazit: Die Zahl der Buchhandlungen ist am Abnehmen – egal ob mit fixen Buchpreisen oder ohne.

8. Überleben kleine Buchhandlungen dank Preisbindung länger?

In dieser Frage gehen die Meinungen unter den Händlern auseinander. Eine Minderheit kann mit dem Wettbewerb gut leben und schätzt die Flexibiliät bei der Preisfestlegung. Die Mehrheit der Mitglieder des Buchhändler- und Verlegerverbandes erhofft sich von fixen Preisen aber eine wirtschaftliche Verbesserung.

9. Gilt das Gesetz auch für E-Bücher?

Nein. Bücher, die vom Internet heruntergeladen und auf speziellen Geräten wie iPad und Kindle gelesen werden können, sind vom Gesetz ausgenommen. Für sie gilt die Preisbindung nicht.

10. Gilt das Gesetz auch für Buchkäufe per Internet und im Ausland?

Laut Artikel 2 untersteht nur der gewerbliche Bücherimport der Buchpreisbindung. Der Einkauf von Büchern durch Privatpersonen im Ausland ist vom Gesetz nicht betroffen. Dies bestätigt auch Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Der SBVV ist anderer Ansicht. Die Frage sei zwar im Gesetz nicht geregelt, aber auch ausländische Internethändler müssten sich an die Schweizer Preise halten.

Rechtlich gesehen steht es ausländischen Internet-Läden wie amazon.de frei, zu welchem Preis sie den Schweizer Kunden Bücher anbieten wollen. Eine erhebliche Preisdifferenz zu den Preisen in der Schweiz würde den hiesigen Buchhandlungen massiv schaden.

Stichprobe: Viele Bücher sind günstiger geworden

Der K-Tipp hat in einer Stichprobe die Preise für 20 zufällig ausgewählte, identische Bücher vor der Buchpreisbindung und heute unter die Lupe genommen. Verglichen wurden jeweils die Preise in derselben Buchhandlung oder Online-Plattform. Fazit: Nur 6 der 20 Titel sind teurer geworden, die andern blieben gleich teuer, oder die Preise sanken. Drei Beispiele:

Der Roman «Dae nid weis was Liebi heisst» von Werner Marti kostete zur Zeit der Buchpreisbindung bei Lüthy, Balmer und Stocker Fr. 48.–. Heute verkauft derselbe Laden das Buch für Fr. 43.20.
Der Architekturband «Neues Wohnen in der Schweiz» kostete bei Stauffacher zur Zeit der Preisbindung Fr. 120.–. Heute ist er dort für Fr. 109.– erhältlich.
«E Gott gheilegti Ehe» von Margrith Gimmel kostete bei Lüthy, Balmer und Stocker während der Preisbindung Fr. 32.–. Heute gibts das Buch dort für Fr. 28.80.

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