Flughafen-Radar: Massive Strahlung
Viele Anwohner des Zürcher Flughafens leiden nicht nur unter Fluglärm, sondern auch unter starkem Elektrosmog. Der Grund: Der Radar auf der Lägern. Die gemessenen Werte liegen weit über dem empfohlenen Wert.
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Gesundheitstipp 12/2003
03.12.2003
Thomas Grether - thgrether@pulstipp.ch
Die Kugel hoch oben auf dem Hügelzug der Lägern ist im Zürcher Unterland jedem ein Begriff. In ihrem Innern drehen sich zwei riesige Radare, mit denen Lotsen des Zürcher Flughafens den Flugverkehr überwachen.
Diese Radaranlage schleudert - ähnlich wie Handy-Sendemasten - gepulste Mikrowellen in den Luftraum. Die Strahlung reicht mindestens 350 Kilometer weit. Rund um den Zürcher Flughafen stehen insgesamt sieben Radare.
Jetzt gerät der Hauptradar auf der Lä...
Die Kugel hoch oben auf dem Hügelzug der Lägern ist im Zürcher Unterland jedem ein Begriff. In ihrem Innern drehen sich zwei riesige Radare, mit denen Lotsen des Zürcher Flughafens den Flugverkehr überwachen.
Diese Radaranlage schleudert - ähnlich wie Handy-Sendemasten - gepulste Mikrowellen in den Luftraum. Die Strahlung reicht mindestens 350 Kilometer weit. Rund um den Zürcher Flughafen stehen insgesamt sieben Radare.
Jetzt gerät der Hauptradar auf der Lägern in die Kritik. In unmittelbarer Nähe leben Tausende von Menschen. Anwohner wie Benita Meier (Name geändert) machen die Strahlung verantwortlich für gesundheitliche Beschwerden. «Ich habe Schwindel, Kopfschmerzen und bin ständig unruhig. Zudem habe ich immer wieder einen Schleier vor den Augen, die häufig flimmern», sagt sie. Alle diese Symptome seien neu. «Sie traten auf, kurz nachdem ich hier einzog.»
Betroffene klagen über Schwindel und Angstzustände
Benita Meier ist nicht die Einzige. Auch andere Einwohner der Region beklagen sich über Symptome, die laut Umweltmedizinern typisch sind für Elektrosmog: ständige Gereiztheit, Angstzustände, ein Ziehen am Hinterkopf und verschwommenes Sehen. «Der Schwindel ist so stark, dass ich nicht mehr aus dem Haus kann. Ich lag deshalb lange fast nur noch im Bett», erzählt Manfred Rogel (Name geändert). Die Betroffenen sagen übereinstimmend, dass sie sich «deutlich besser» fühlen, wenn sie für einen oder zwei Tage wegfahren. «Wir befürchten, wegen der Radarstrahlung unsere Häuser nicht mehr verkaufen zu können.»
Der Puls-Tipp liess die Strahlung des Lägern-Radars Mitte November von Hanspeter Jenny vom Baubiologie- und Messtechnik-Unternehmen ASMT aus Flawil messen. Laut Jenny ist die Strahlung eines Radars problematisch: Weil er sich um die eigene Achse dreht, trifft die Strahlung die Anwohner alle paar Sekunden mit voller Leistung - wie eine Ohrfeige.
Jenny führte die Messungen in der Primarschule und im Kindergarten von Schöfflisdorf ZH durch, etwa drei Kilometer vom Radar entfernt. Die Resultate sind erschreckend.
- Schulzimmer der Primarschule: Dauerhafte Strahlung von 100 Millivolt pro Meter mit einer Spitze von 460 Millivolt. Die Strahlung ist damit bis zu 20-mal stärker, als der so genannte Salzburger Vorsorgewert vorsieht. Dieser empfiehlt, in Wohnräumen 20 Millivolt pro Meter nicht zu überschreiten.
- Kindergarten: Dauerhafte Strahlung von 400 Millivolt pro Meter mit einer Spitze von 3000 Millivolt. Damit sind die Knirpse einer Strahlung ausgesetzt, die bis zu 150-mal stärker ist als der Vorsorgewert.
Führende internationale Wissenschaftler aus Technik, Biologie und Medizin legten den mittlerweile anerkannten Wert im Jahr 2002 in Salzburg fest. Der offizielle gesetzliche Schweizer Grenzwert gemäss NISV-Verordnung liegt bei 5500 Millivolt pro Meter. Er bezieht sich nicht auf biologische, sondern thermische Effekte. Deshalb sei er nicht anwendbar, sagt der Elektrosmog-Experte Josef Peter vom Institut für biologische Elektrotechnik Schweiz in Illnau.
Die Expertenkommission der Generaldirektion des EU-Parlaments schreibt die vorsorgliche Grenze bei 190 Millivolt fest. Mit bis zu 3000 Millivolt strahlt es im Schöfflisdorfer Kindergarten 15-mal stärker. Die EU-Richtwerte beziehen sich auf Handymasten und Basisstationen von Schnurlostelefonen. «Sie lassen sich aber auch für Radarstrahlung heranziehen, bei der es sich ebenfalls um gepulste Mikrowellen handelt», sagt Josef Peter.
Skyguide hat die Strahlung vor Ort nie gemessen
Mit den Resultaten konfrontiert, zeigt sich der Schöfflisdorfer Schulpflege-Präsident Hansruedi Jöhr besorgt. «Wir klären ab, ob der Kindergarten kurzfristig besser geschützt werden kann.» Insgesamt seien 235 Kinder betroffen. «Die Strahlung muss sofort reduziert werden», sagt Jöhr.
Josef Peter hat in der betroffenenen Region zusätzliche Messungen vorgenommen, teils zusammen mit einem Spezialisten der Deutschen Bundeswehr. Im Freien lag laut Peter der Wert sogar bei über 7000 Millivolt pro Meter. «Lässt man die Fenster offen, hat man die Strahlung in der Wohnung drin - selbst der Schweizer Grenzwert ist dann überschritten», sagt er.
Betreiberin dieser Radare ist die Firma Skyguide. Der Puls-Tipp konfrontierte die Verantwortlichen mit den Resultaten. Man habe die Strahlung der Radare nie vor Ort gemessen, räumt Skyguide-Mediensprecher Patrick Herr ein. Dies sei nicht vorgeschrieben und überdies auch nicht nötig. Denn Computer-Berechnungen hätten gezeigt, dass die Strahlung «weit von den Grenzwerten entfernt» sei. Im Januar werde der Radar, der auch vom Militär benutzt werde, ohnehin ersetzt. «Es ist uns ein Anliegen, im Interesse der Bevölkerung die Strahlung auf ein Minimum zu begrenzen.»
Wie gefährlich Mikrowellen sind, zeigt eindrücklich eine Studie, die Professor Abraham Lilienfeld von der Johns-Hopkins-Universität vor 25 Jahren durchführte - und die Professor John R. Goldsmith von der israelischen Ben-Gurion-Universität im Jahr 1995 zusätzlich auswertete. Tausende von Mitarbeitern der US-Botschaft in Moskau waren jahrelang Radarstrahlung ausgesetzt - im Schnitt 2660 Millivolt pro Meter. Dieser Wert liegt unter demjenigen im Kindergarten Schöfflisdorf.
Studie zeigt: 20-mal mehr Gehirntumor-Tote
Die Wissenschaftler analysierten rückwirkend die Krankengeschichten von 4800 bestrahlten Angestellten der Botschaft, die teilweise sogar in der Botschaft wohnten. Sie verglichen sie mit Daten einer Vergleichsgruppe, bestehend aus 7500 Botschaftsmitarbeitern in anderen Ländern. Die Resultate lassen aufhorchen:
- In der bestrahlten Botschaft in Moskau litten dreimal mehr Angestellte an Gedächtnisverlust und Konzentrationsstörungen als in anderen Botschaften.
- Bei der Analyse von 200 Blutproben der bestrahlten Botschaftsmitarbeiter zeigte sich, dass die Zahl der weissen Blutkörperchen im Schnitt 41 Prozent über dem Normalwert lag, was auf eine deutliche Stressreaktion des Immunsystems hinweist.
- Viermal mehr Frauen starben an Brustkrebs, fünfmal mehr an Gebärmutterhals- und Eierstockkrebs.
- Und sogar 20-mal mehr Angestellte starben an einem Gehirntumor.
Gerade bei Kindern sei besondere Vorsicht angebracht, warnt der Kinderarzt Aurelio Nosetti aus Luzern, der sich schon länger mit elektromagnetischer Strahlung auseinander setzt. «Der Schädelknochen von Kindern ist dünn. Deshalb durchdringt die Strahlung das Gehirn leichter.»