Matthias Sahli aus Bolligen BE ärgert sich: Kürzlich hat er die Jahresrechnung für den Wehrpflichtersatz erhalten. Mehrere Hundert Franken muss er zahlen. Und dies, obwohl er als Korporal beim Zivilschutz Dienst leistet. Der 25-Jährige findet das ungerecht. Denn er musste wegen Rückenbeschwerden aus der Rekrutenschule ausscheiden – gegen seinen Willen. «Die Armee war sehr stur», sagt Sahli rückblickend.
Er ist kein Einzelfall: Jährlich werden Tausende junge Männer – etwa ein Drittel der Stellungspflichtigen – als militärdienstuntauglich eingestuft.
Sieg in Strassburg – und doch kein Geld
Einer von ihnen hat sich mit Erfolg zur Wehr gesetzt: Sven Glor aus Oberglatt ZH ging bis vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg – und bekam Recht. Das Gericht befand vor fünf Jahren: Es sei diskriminierend, dass Dienstuntaugliche im Gegensatz zu Behinderten eine Ersatzabgabe leisten müssen. Es müsse die Möglichkeit eines Ersatzdienstes geben.
Der Bund muss Glor laut Gerichtsurteil den bezahlten Wehrpflichtersatz zurückzahlen und eine Gesetzesänderung in Angriff nehmen. Nur: Glor kämpft bis heute um sein Geld.
Und auch die Gesetzesänderung ist noch nicht in Kraft. Aber vier Jahre nach dem Strassburger Urteil gibt es zumindest eine Zwischenlösung: Seit dem 1. Januar 2013 ist es für Dienstuntaugliche möglich, in der Armee einen Ersatzdienst zu absolvieren.
Damit gibt es nun vier Dienstmöglichkeiten:
- den «normalen» Militärdienst für Taugliche
- den militärischen Ersatzdienst für Untaugliche
- den Zivilschutz für Untaugliche, die für den Zivilschutz geeignet sind
- den Zivildienst für Taugliche mit einem Gewissenskonflikt
Statt RS militärischer Ersatzdienst
Der neu geschaffene militärische Ersatzdienst wird in der Armee geleistet und dauert gleich lang wie der normale Militärdienst. Doch er ist körperlich weniger anspruchsvoll. Absolvieren kann man den Dienst zum Beispiel in einem Büro der Armee oder mittels einer handwerklichen Beschäftigung. «Die Leute tragen zwar eine Uniform, aber die Tätigkeit ist nicht weit weg von einem zivilen Beruf», erklärt Christoph Brunner, Informationschef Verteidigung bei der Armee (VBS).
Mit dem militärischen Ersatzdienst lässt sich viel Geld sparen. Denn Untaugliche zahlen vom 20. bis zum 30. Lebensjahr 3 Prozent ihres Einkommens, mindestens aber 400 Franken pro Jahr als Ersatzabgabe. Bei einem steuerbaren Einkommen von 80 000 Franken bedeutet dies 2400 Franken pro Jahr. Nach 10 Jahren hat ein Untauglicher mit diesem Einkommen dem Staat also 24 000 Franken abgeliefert – zusätzlich zu den übrigen Steuern.
Dank der Dienstuntauglichen erhielt die öffentliche Hand letztes Jahr fast 163 Millionen Franken. Davon kassierte der Bund gut 130 Millionen. Die Kantone erhielten 20 Prozent der Einnahmen fürs Einziehen der Abgabe im Auftrag des Bundes.
Viele Untaugliche zahlen nur aus Unwissen: Matthias Sahli hätte damals gerne einen Ersatzdienst geleistet. Er ist von der Armee aber nie über diese Möglichkeit informiert worden. Heute müssen die Untauglichen bei der Ausmusterung auf den militärischen Ersatzdienst hingewiesen werden. Wer jedoch vor dem 1. Januar 2013 ausgemustert wurde, wurde vom Militär nicht informiert. Diese Männer können indessen den Ersatzdienst nachholen und die bereits bezahlten Gelder zurückverlangen.
Zivilschutz: Zu wenig Bedarf
Matthias Sahli hätte allerdings auch die entsprechende Information wenig gebracht. Den militärischen Ersatzdienst darf nämlich nur leisten, wer sowohl für den Militärdienst als auch für den Zivilschutz untauglich ist. Sahli ist jedoch zivilschutztauglich. Er ist kein Einzelfall: Allein im letzten Jahr wurden über 5000 Männer für zivilschutztauglich erklärt. Sie sind damit gezwungen, die Ersatzabgabe zu zahlen.
Die Ersatzabgabe wird Zivilschützern immerhin um 4 Prozent pro Diensttag reduziert. Bei 25 Diensttagen jährlich zahlt man also nichts mehr. Doch die meisten Dienstpflichtigen erreichen diese Einsatztage bei weitem nicht. Zivilschützer leisten durchschnittlich nur fünf Tage Dienst. Anders gesagt: Die jährliche Ersatzabgabe wird bei einem Einkommen von 80 000 Franken im Durchschnitt gerade mal um 480 Franken reduziert: von 2400 auf 1920 Franken. Und viele Männer werden überhaupt nicht zum Zivilschutz aufgeboten, weil zu wenig Bedarf besteht. Ein Anspruch auf Einberufung besteht nicht. Diese Männer müssen also die ganze Ersatzabgabe zahlen – Dienstbereitschaft hin oder her.
Militärischer Ersatzdienst: Die Tipps
Wer keine Ersatzabgabe zahlen will, kann ein Gesuch um militärischen Ersatzdienst einreichen. Voraussetzung: Militär- und Zivilschutzdienstuntauglichkeit.
Das Vorgehen:
Bei weiteren Fragen zur Wehrpflichtersatzabgabe wenden Sie sich an die
Eidgenössische Steuerverwaltung
Wehrpflichtersatzabgabe
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Tel. 031 322 74 55
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