Gänse und Enten halten eisige Temperaturen problemlos aus. Der Grund: Unter ihren Federn befinden sich flauschige Daunen, die sie auch vor extremer Kälte schützen. Aufgrund dieser isolierenden Eigenschaften der Daunen benutzt sie die Industrie als Füllmaterial für Duvets oder Kleidung.
Daunenjacken sind beliebt. Die aktuellen ultraleichten Jacken sind dünner als mancher Wollpullover. Sie wiegen kaum mehr als ein T-Shirt und geben trotzdem auch bei Minustemperaturen ausreichend warm.
Ganze Hautfetzen abgerissen
Die Daunen sind ein Nebenprodukt der Geflügelfleischproduktion: Die Vögel werden nach der Schlachtung gerupft – so die Theorie. Doch die Praxis sieht oft anders aus: Züchter reissen den Gänsen und Enten die Daunen bei lebendigem Leib aus. Dabei werden den Tieren teilweise ganze Hautfetzen abgerissen – und anschliessend ohne Betäubung wieder angenäht. Das berichten die Tierschutzorganisationen Vier Pfoten und Soko Tierschutz.
Diese tierquälerische Praxis nennt sich Lebendrupf. Bis zu viermal pro Jahr können Gänse auf diese Weise traktiert werden. Einmal gewaschen, sind solche Daunen nicht mehr von Schlachtrupf zu unterscheiden.
In den letzten Jahren hatten Tierschützer Bilder von grossen Gänsefarmen in Ungarn, Polen und China veröffentlicht, in denen Tiere bei lebendigem Leibe gerupft wurden. Die grossen Hersteller von Outdoor-Daunentextilien, wie Patagonia und The North Face, beteuerten, diese Praxis werde für ihre Produkte nicht angewendet.
Von den grausamen Bildern aufgeschreckt, kündeten sie zudem an, dafür zu sorgen, dass mit dieser Praxis Schluss gemacht wird. Patagonia versprach zum Beispiel, mit dem «Traceable Down Standard» die höchste Tierschutzsicherheit in der Bekleidungsindustrie zu bieten.
Gängige Praxis in Polen und Ungarn
Doch nach wie vor werden Gänse auf Farmen der grössten europäischen Daunenexportländer Ungarn und Polen lebendig gerupft. Das beweisen die jüngsten Bilder, die Friedrich Mülln von der Organisation Soko Tierschutz dem K-Tipp vorlegte (siehe Bild rechts). Müllns Fazit nach fünf Wochen verdeckter Recherche vor Ort: «Geändert hat sich rein gar nichts. In Ungarn – in der Gegend der Städte Hajdunanas und Komadi – haben wir in 14 Farmen Tiere gefilmt, die durch Lebendrupf verletzt wurden. In Polen – in der Nähe von Gorzow – waren es fünf Betriebe.»
Hersteller und Händler schweigen sich aus
Der K-Tipp forderte deshalb ein Dutzend Hersteller und Händler von Outdoor- und Modejacken auf, die Herkunft ihrer Daunen offenzulegen. Die Redaktion wollte konkret wissen: Auf welchen Farmen haben die Tiere gelebt, deren Daunen und Federn für die aktuell verkauften Daunenjacken verwendet wurden? Wo und wann wurden diese Tiere geschlachtet? Und an wen wurden die Daunen verkauft?
Das Resultat der Umfrage ist ernüchternd. Kein einziger Händler oder Hersteller konnte oder wollte die Herkunft der Dauen bekanntgeben. Ralph Lauren, Tommy Hilfiger und The North Face haben auf die Fragen des K-Tipp nicht einmal reagiert.
Mehrere Händler und Hersteller legen zwar Zertifikate vor, die den Verzicht auf Lebendrupf angeblich garantieren. Doch diese Zertifikate haben einen elementaren Mangel: In den Betrieben sind keine unangekündigten Kontrollen vorgesehen.
Immerhin: Die Schweizer Firma Mammut war als einzige in der Lage, für ihre Daunenlieferkette Schlachthöfe und Händler zu nennen. Sie schreibt allerdings: «Für unsere aktuell auf dem Markt befindliche Kollektion ist die Rückverfolgbarkeit bis zur Farm leider nicht möglich.» Dies sei erst auf nächsten Winter der Fall.
Tipp: Eine Alternative zu Daunen sind Kunstfasern – zum Beispiel Primaloft. Primaloft-Jacken sind vergleichsweise leicht. Im Vergleich zu Daunen haben sie verschiedene Vorteile: Sie geben auch bei Nässe warm. Und oftmals sind sie sogar preisgünstiger als vergleichbare Jacken mit Naturdaunen.
Zertifikate und faule Ausreden
Die heutigen Angaben zum Nachweis der Herkunft von Daunen sind wenig wert. Kontrollen werden oft im Voraus angekündigt.
Keine Daunen aus Lebendrupf: Dazu verpflichten sich nach eigenen Angaben alle Händler und Hersteller, die auf die K-Tipp-Fragen geantwortet haben. Doch konkrete Angaben zur Lieferkette blieben sie fast alle schuldig.
Einige reagierten mit faulen Ausreden. So schrieb die Medienstelle von Haglöfs, man solle sich an die «entsprechenden Partner in der Schweiz» wenden. Auf die Nachfrage, wer diese seien, reagierte Haglöfs nicht mehr.
Marmot beteuert, ab Herbst 2015 auf unproblematische Daunen umzustellen. Dies werde durch den «Responsible Down Standard (RDS)» garantiert.
Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten begrüsst zwar solche Bestrebungen. Es müssten allerdings viel strengere Regeln zur Kontrolle eingeführt werden. So wäre es in erster Linie wichtig, dass Kontrollen unangekündigt stattfinden und Farmen nicht, wie das vorgesehen ist, 48 Stunden im Voraus informiert werden.
Die Medienstelle von Patagonia in Deutschland verweist auf einen hauseigenen Standard, der den lückenlosen Herkunftsnachweis liefere. Auf die konkreten Fragen des K-Tipp, woher genau die Daunen stammen und wie sie verarbeitet werden, gabs allerdings auch von Patagonia keine Antworten.
Vaude gibt offen zu, es gebe keine «hundertprozentige Kontrolle über die Haltebedingungen der Tiere», von denen ihre Daunen stammen. Deshalb werde die Firma eine unabhängige Organisation damit beauftragen, die gesamte Lieferkette zu überprüfen. «Bisher haben wir dies bereits bis zu den Schlachtbetrieben erreicht. Wir wollen den Prozess aber bis zu den Gänsefarmen ausdehnen», schreibt Vaude dem K-Tipp.
S.Oliver, Migros und Jack Wolfskin verweisen auf die Kontrollberichte des IDFL (International Down and Feather Laboratory). Gemäss dem IDFL sind «unangekündigte Kontrollen möglich». Allerdings schliesst IDFL jede Garantie für die Angaben im Schlussbericht aus. Laut IDFL geht es dabei nur um den «Haftungsausschluss».