Pestizide darf man in Schweizer Gärten nicht nach Lust und Laune einsetzen. Seit bald 20 Jahren ist es verboten, Unkrautvernichter anzuwenden. Das gilt aber nur für befestigte Plätze, Wege, Dächer und Terrassen sowie entlang von Strassen und Gewässern. Grund: Bei Regen würden die giftigen Stoffe ins Grundwasser oder via Kanalisation in Bäche, Flüsse und Seen geschwemmt.
Für humusreiche Böden gilt das Herbizidverbot jedoch nicht. Auch für Schädlingsbekämpfungsmittel (Insektizide) und für Mittel gegen Pilzkrankheiten (Fungizide) gibt es keine generellen Verbote. Kein Wunder, sind all diese Pestizide in der Schweiz weit verbreitet: Laut Bundesamt für Landwirtschaft beträgt der Gesamtabsatz über 2000 Tonnen pro Jahr. Davon landen etwa 200 Tonnen in Privatgärten.
K-Tipp und «Saldo» spüren in ihren Tests immer wieder Substanzen aus Pestiziden in Nahrungsmitteln und im Wasser auf, die für die Gesundheit und die Umwelt schädlich sind. Allein in Tests der letzten zwei Jahre waren es rund 20 solcher Gifte.
Stichprobe in sieben grossen Gartencentern
Doch wie verbreitet sind diese Stoffe in Pestiziden, die beim Detailhändler im Regal stehen? Der K-Tipp hat bei der Landi sowie bei Coop Bau + Hobby, Migros Do it + Garden, Jumbo, Hornbach, Bauhaus und Obi nachgeschaut – und 26 Produkte mit folgenden Substanzen entdeckt:
Chlorpyrifos
Produkte mit diesem Stoff hat das Bundesamt für Landwirtschaft im Mai 2019 verboten. Für viele gelten jedoch noch Ausverkaufs- oder Aufbrauchfristen – teils bis Ende Mai 2021. Gemäss dem Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundes ist Chlorpyrifos sehr giftig für Wasserorganismen und gefährlich für Bienen. Es gefährdet aber auch andere Insekten und Vögel. Zudem steht es im Verdacht, bei Ungeborenen und Kleinkindern Hirnschäden zu verursachen.
Cyprodinil/Fludioxonil
Diese Substanzen sind sehr giftig für Wasserorganismen. Sie können allergische Hautreaktionen auslösen.
Glyphosat
Die Internationale Agentur für die Krebsforschung stuft Glyphosat als «wahrscheinlich krebserzeugend» ein.
Lambda-Cyhalothrin
Dieser Wirkstoff ist giftig für Wasserorganismen und gefährlich für Bienen. Er kann beim Menschen allergische Reaktionen auslösen.
Pyrethrine
Viele pyrethrinehaltigen Mittel sind gefährlich für Bienen und schädlich, teils gar sehr giftig für Wasserorganismen. Einige sind zudem ätzend und können schwere Augenschäden verursachen.
Spinosad
Auch dieser Stoff ist giftig für Wasserorganismen. Und er kann allergische Reaktionen auslösen.
Der K-Tipp wollte von den Bau- und Gartencentern wissen: Bleiben Produkte mit diesen Stoffen im Sortiment? Die häufigste Antwort: «Grundsätzlich ja, solange sie nicht verboten sind.» Einige Mittel stehen trotzdem auf der Abschussliste: So nimmt die Landi per Ende März die Chlorpyrifos enthaltenden Insektizide «Cortilan» und «Aerofleur Spray gegen Schädlinge» aus dem Regal. Letzteres verschwindet auch bei Jumbo – ebenso wie die pyrethrinehaltigen Produkte «Alaxon Gold», «Biorga Contra Insektizid Konzentrat», «Deril» und «Sanoplant Bio Spritzmittel». Hornbach wiederum lässt das Fungizid «Switch» mit den Wirkstoffen Cyprodinil und Fludioxonil ausgehen. Und Bauhaus «prüft mögliche Alternativen» zu Produkten mit Lambda-Cyhalothrin.
Die meisten Händler verweisen im Übrigen auf die Gefahrenhinweise auf den Verpackungen. «Die Migros appelliert hier auch an die Eigenverantwortung der Konsumenten», sagt Sprecherin Cristina Maurer Frank. Und Landi-Sprecherin Sandra Grossenbacher sagt, bei einer korrekten Anwendung bestehe «keine Gefahr für Mensch und Umwelt».
Immerhin: Die Gartencenter empfehlen Kunden nach eigenen Angaben auch Alternativen zu Pestiziden – etwa den Einsatz von Nützlingen, Seifenpräparaten oder Unkrautmatten. Das zeigt: Es wäre durchaus möglich, im Garten auf Pestizide zu verzichten.
Verbot chemischer Pflanzenmittel gefordert
Auch im Bundeshaus sind Pestizide ein Thema: Ein Vorstoss aus der Grünen Partei fordert, «den Verkauf von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln für die nichtberufliche Verwendung zu verbieten». Der Bundesrat stellt sich dagegen, das Parlament hat noch nicht entschieden.
Es geht auch ohne Pestizide
Hobbygärtner können einiges tun, damit sie im Garten ohne Gift auskommen.
Vorbeugen: Wählen Sie widerstandsfähige, für den Standort geeignete Pflanzensorten und beachten Sie den richtigen Saat- oder Pflanztermin. Ebenfalls empfehlenswert: Am Morgen statt am Abend giessen. Pflanzen und Boden trocknen so schneller. Das hält Pilzkrankheiten und Schnecken fern. Sinnvoll ist es zudem, Nützlinge zu fördern – etwa mit Wildbienen- und Insektenhotels, Nistkästen für Vögel sowie Ast- und Steinhaufen für Blindschleichen, Igel und Laufkäfer.
Hand anlegen: Schädlinge und Pilzkrankheiten kann man mit mechanischen Methoden und Hilfsmitteln bekämpfen. Also Schnecken und Raupen einsammeln, Blattläuse zerdrücken oder mit Wasser wegspritzen, von Pilzen befallene Pflanzenteile abschneiden und im Kehricht entsorgen, feinmaschige Schutznetze über Beete legen, (Sexuallockstoff-)Fallen platzieren. Auch Unkraut lässt sich mechanisch regulieren – mit Hacken, Jäten, Mulchen, Abflammen usw.
Hausmittel anwenden: Es gibt diverse Brühen, Pflanzenjauchen (sogenannte Kaltwasserauszüge) und Tees aus Wildpflanzen wie Brennnessel, Ackerschachtelhalm und Rainfarn, die man selber herstellen kann. Sie wirken zum Beispiel vorbeugend gegen Pilzbefall oder wehren Ameisen, Raupen und Läuse ab.
Weitere Informationen zu pestizidfreiem Gärtnern sind zu finden in der Broschüre «Biologisch gärtnern» von Grün Stadt Zürich (erhältlich unter Stadt-zuerich.ch/kleingaerten) sowie auf den Websites des Vereins Bioterra (Bioterra.ch), des Familiengärtner-Verbands (Familiengaertner.ch) und von Umweltorganisationen (Pronatura.ch, Greenpeace.ch, WWF.ch, Bund.net, Global2000.at).
Es gibt auch biologische Pflanzenschutzmittel
Wer nicht ganz auf Pflanzenschutzmittel verzichten will, sollte ausschliesslich biologische Produkte wählen. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick AG hat zusammen mit Grün Stadt Zürich eine entsprechende «Positivliste» erarbeitet. Sie ist erhältlich unter Shop.fibl.org («Positivliste» ins Suchfeld eingeben). Allerdings greifen auch solche Mittel in den Naturhaushalt ein und können zum Beispiel Nützlinge, Bienen und Fische schädigen.