Martin Heeb (Name geändert) wohnt in Oftringen AG. Der 60-Jährige arbeitet als Physiotherapeut und ist auf genug Schlaf angewiesen. Doch sein Nachbar im Einfamilienhausquartier hält zwei Hühner. Kürzlich kam noch ein Hahn dazu, der stets um 5 Uhr zu krähen beginnt.
Heeb erkundigte sich bei der K-Tipp-Rechtsberatung, was er gegen die Nachtruhestörung tun könne. Antwort: Betroffene sollten zuerst abklären, ob die Haltung von Nutztieren in Wohnquartieren in ihrer Gemeinde überhaupt erlaubt ist. Meist ist das der Fall, solange die Tierhaltung hobbymässig erfolgt und die Anzahl der Tiere klein ist. Verfolgt dagegen ein Tierhalter wirtschaftliche Zwecke, etwa mit einer Zucht oder Tierpension, sind Gehege nur in Gewerbezonen zulässig.
An Heebs Wohnort ist die Hühnerhaltung im Wohnquartier erlaubt. Aber auch der Halter eines Hahns muss die Ruhezeiten beachten. Diese sind im Polizeireglement der Gemeinde geregelt.
In Oftringen gilt das Polizeireglement der Vertragsgemeinden der Regionalpolizei Zofingen. Dieses schreibt eine Nachtruhe von 23 bis 6 Uhr vor. Der Tierhalter muss dafür sorgen, dass sein Hahn sich in dieser Zeit nicht draussen aufhält. Und der Stall muss lärmgedämmt sein.
Heeb suchte mit seinem Nachbarn das Gespräch, nachdem ihn der Hahn wieder einmal geweckt hatte. Der Nachbar gab den Hahn schliesslich weg: Er wollte ihn nachts nicht im Hühnerstall einsperren.
Auch Albert Manz (Name geändert) aus Schwanden GL litt unter Tierlärm. Die Nachbarin des Rentners sperrte ihren Hund den ganzen Tag auf die Terrasse. Dort bellte er unaufhörlich, und das teils ebenfalls schon um 5 Uhr morgens oder noch früher.
Albert Manz berichtete der K-Tipp-Rechtsberatung: «Die Hundehalterin ging mit dem Tier nie Gassi.» Mit der Besitzerin habe er nicht reden können, sie sei aufbrausend gewesen. Nachdem ein Polizist die Nachbarin aufgesucht hatte, habe sie den Hund am frühen Morgen jeweils in der Wohnung behalten.
Das ständige Gebell am Tag störte Manz und andere Nachbarn aber weiterhin. Sie beschwerten sich beim Vermieter der Nachbarin – seither ist der Hund weg.
700 Franken Busse für schlechte Haltung
Bellt ein Hund ständig, wird er nicht richtig gehalten. In diesem Fall können sich Nachbarn gestützt auf das Tierschutzrecht wehren. Das taten die Nachbarn einer Hausbewohnerin in der Stadt Zürich, die ihren bellenden Hund immer wieder längere Zeit allein in der Wohnung liess. Im Hundegesetz des Kantons Zürich steht: «Hunde sind so zu beaufsichtigen, dass Dritte nicht durch andauerndes Gebell oder Geheul belästigt werden.» Zudem müssen Halter gemäss Gesetz für genug Bewegung der Tiere sorgen.
Das Statthalteramt Zürich büsste die Nachbarin wegen Verstoss gegen das Hundegesetz und Vernachlässigung mit 700 Franken. Hinzu kamen 550 Franken Verfahrenskosten.
Auch das nationale Umweltschutzgesetz und die Lärmschutzverordnung schützen Bewohner vor Lärm. Die zuständige Lärmschutzfachstelle findet man unter Laerm.ch. Nützliche Informationen gibt es auch auf der Internetseite der Vereinigung kantonaler Lärmschutzverantwortlicher (Cerclebruit.ch).
Die Lärmschutzverordnung legt keine Grenzwerte für Tiergeräusche fest. Die Behörde muss im Einzelfall prüfen, ob der Lärm zumutbar ist oder nicht. Dabei kommt es auf den Standort – städtisches oder ländliches Gebiet, mit oder ohne Gewerbe – und auf die Wohndichte an. Bei der Umsetzung der Lärmschutzverordnung orientieren sich die Behörden am Leitfaden «Vollzugshilfe im Umgang mit Alltagslärm» des Bundesamts für Umwelt. Er ist im Internet zu finden unter Bafu.admin.ch " Publikationen " Lärm.
Béatrice Balsiger, Leiterin des Amts für Umwelt im Kanton Freiburg und Vizepräsidentin von Cercle Bruit, sagt: «Der Lärm muss über eine längere Zeit stören. Er wird am Tag und in der Nacht gemessen, dann wird ein Mittelwert berechnet.» Hält die Behörde den Lärm für übermässig, kann sie zum Beispiel festlegen, wie viele Hunde jemand höchstens halten darf. Hält das Amt den Lärm nicht für übermässig, aber störend, gibt es Empfehlungen.
Eine Datenbank mit Gerichtsentscheiden zu Tierlärm findet man unter Laerm.ch > Lärmlinks > Rechtsprechung. Unter «Alltagslärm» kann man «Tiere» auswählen. Beispiele:
- Ein Hundehalter in Rüti bei Büren BE wollte in einer Wohnzone eine Hundetrainingsanlage bauen. Sein Gesuch wurde abgewiesen und die hobbymässige Haltung von Hunden auf drei Tiere beschränkt.
- Die Gemeinde Ellikon an der Thur ZH knüpfte die Bewilligung zum Einbau von Pferdeboxen in einen Stall daran, dass höchstens zwei Pferde zu privaten Zwecken gehalten werden, die von 22 bis 7 Uhr im Stall sein müssen. Das Wiehern und Schnauben würde die Nachtruhe sonst erheblich stören.
- Das Halten eines Hahns ist laut dem Bezirksgericht Winterthur ZH in einem städtisch geprägten Wohnquartier ortsunüblich. Der Hahn muss deshalb von 20 bis 7 Uhr ins Hühnerhaus. Die Halter wehrten sich vergeblich mit dem Argument, das verstosse gegen das Tierschutzgesetz.
Das Gericht entschied: «Das Tierschutzgesetz verleiht dem Tierhalter kein Recht, mit der artgerechten Haltung Nachbarn zu belästigen.»
Gang vor Gericht kann teuer werden
Gut zu wissen: Wohneigentümer können sich auch mit einer nachbarrechtlichen Zivilklage wehren. Laut Zivilgesetzbuch ist jedermann verpflichtet, sich aller «übermässigen Einwirkung» auf das Eigentum der Nachbarn zu enthalten. Damit ist auch gemeint, dass niemand seine Nachbarn übermässigem Lärm aussetzten darf. Mieter können eine Klage wegen «Besitzesstörung» einreichen. Solche Verfahren können aber kostspielig werden.