Beamte des Bundesamts für Energie verhandelten im September des letzten Jahres zwei Tage lang mit Axpo-Managern über ein Darlehen. Die Axpo erreichte ihr Ziel: Der Bund garantierte, dem grössten Schweizer Stromversorger im Fall einer finanziellen Notlage mit 4 Milliarden Franken unter die Arme zu greifen.
Erstaunlich: Zu den Sitzungen des Bundes mit dem Stromkonzern existieren angeblich keine schriftlichen Notizen. «Aufgrund der gebotenen Eile» seien «keine Protokolle angefertigt» worden, schreibt das Bundesamt auf Anfrage des K-Tipp. Und es behauptet weiter, die Besprechungen liessen sich «anhand der Darlehensverfügung nachvollziehen».
Ämter müssen ihr Handeln nachweisen
Der K-Tipp hatte die Protokolle angefordert, um aufzuzeigen, wie das Milliardendarlehen zustande kam. Gemäss Öffentlichkeitsgesetz sind Dokumente der Bundesverwaltung für alle Bürger grundsätzlich zugänglich. Und die Verwaltung ist gesetzlich verpflichtet, «jederzeit ihr Handeln nachweisen zu können», hält das Bundesarchiv auf seiner Website fest. Die Geschäftstätigkeit müsse «nachvollziehbar» und «transparent» dokumentiert sein. Doch das ist häufig nicht der Fall, wie Anfragen des K-Tipp zeigen, die sich auf das Öffentlichkeitsgesetz stützen. Beispiele:
Massnahmen bei einer Strommangellage
Herbst 2022: Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung tauschte sich mit diversen Branchen der Wirtschaft aus. Laut dem Amt wurde «über die Sitzungen nicht Protokoll geführt». Begründung: Die Diskussionen seien «in einem informellen Rahmen» erfolgt. Ergebnis: Während private Haushalte bei Stromknappheit etwa rasch eine tiefere Waschtemperatur hinnehmen müssten, würden Unternehmen länger geschont.
Kennzeichnung von Eiern
Frühling 2023: Eier wurden als «Freiland» verkauft, obwohl Hühner monatelang nicht ins Freie durften («Saldo» 1/2023 und 4/2023). Der K-Tipp wollte herausfinden, wie die Eierbranche auf die Deklaration der Eier Einfluss nahm. Doch von mehreren Treffen mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen fehlen Aktennotizen oder Protokolle. Begründung: Die Treffen hätten nur «dem Informationsaustausch» gedient. Ergebnis: Die täuschende Freilandkennzeichnung wurde erst nach dem Ostergeschäft geändert.
Runder Tisch zur Zuckerreduktion in Süssgetränken, 2019 bis 2023
Der K-Tipp wollte wissen, ob sich die Unternehmen beim zuständigen Bundesamt gegen eine Reduktion von zugesetztem Zucker in Süssgetränken aussprachen. Laut dem Amt wurde zu den Treffen «kein Protokoll oder Bericht verfasst». Begründung: reiner Informationsaustausch. Für die Konsumenten bleibt das magere Ergebnis: Die Hersteller versprechen nur unverbindlich, den Zuckergehalt über das gesamte Sortiment um 10 Prozent zu senken.
Laut ehemaligen Kadermitarbeitern des Bundes müssten alle Sitzungen der Bundesverwaltung schriftlich dokumentiert werden. «Es ist skandalös, dass es zu wichtigen Treffen keine Protokolle gibt», sagt der Historiker Sacha Zala von der Gesellschaft für Geschichte. «So kann man später die Entscheidungsprozesse nicht rekonstruieren.» Zudem verletze man die Rechte der Bürger und erschwere die Geschichtsschreibung. Zala vermutet, dass die Verwaltung ihre Dokumentationspflicht vernachlässigt, «damit sie heikle Inhalte nicht sofort herausgeben muss».
Das zeigte sich 2015 nach einem Cyberangriff auf den Rüstungskonzern Ruag: Bundesrat Guy Parmelin ordnete laut einem Bericht der Geschäftsprüfungskommission an, wichtige Gespräche nicht zu dokumentieren. Er wolle nicht, «dass diese eines Tages öffentlich würden».