Geld verlieren mit der Versicherung
Jeden Tag verkaufen Hunderte schlecht ausgebildete Verkäufer Fondspolicen - insbesondere der Pax-Versicherung. Die Zahl der unzufriedenen Kunden ist gross.
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K-Tipp 16/2003
01.10.2003
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Die Versprechen zum Thema Sparen klangen gut. «Sie können stets auf das einbezahlte Geld zurückgreifen.» «Sie dürfen die Prämienzahlung auch mal einstellen.» «Sie können den langfristigen Vertrag jederzeit ändern - ohne Verluste.» Und das bei einer Rendite-Erwartung von 7 Prozent pro Jahr.
Verständlich also, dass Trudy Müller (Name geändert) unterschrieb, als ihr 1999 ein Verkäufer sein Sparprodukt schmackhaft machte.
Es wurde ein Reinfall. Nach vier...
Die Versprechen zum Thema Sparen klangen gut. «Sie können stets auf das einbezahlte Geld zurückgreifen.» «Sie dürfen die Prämienzahlung auch mal einstellen.» «Sie können den langfristigen Vertrag jederzeit ändern - ohne Verluste.» Und das bei einer Rendite-Erwartung von 7 Prozent pro Jahr.
Verständlich also, dass Trudy Müller (Name geändert) unterschrieb, als ihr 1999 ein Verkäufer sein Sparprodukt schmackhaft machte.
Es wurde ein Reinfall. Nach vier Jahren hatte die Sparerin 27000 Franken eingezahlt. Als sie krank wurde und das Geld dringend gebraucht hätte, war ihr Guthaben auf 14500 Franken geschrumpft.
«Der WNB hat mich reingelegt», bilanziert das Opfer seine Erfahrung mit dem Verkäufer.
Der WNB ist ein umstrittener, schneeballähnlich aufgebauter Strukturvertrieb. Seine Mitarbeiter verkaufen fast nur im Freundes- und Bekanntenkreis. Gleichzeitig versuchen sie, ihre Opfer als Mitarbeiter zu gewinnen; so wandern sie in der Hierarchie (Struktur) nach oben und verdienen mehr.
WNB-Mitarbeiter verkaufen meist nur ein einziges Produkt - ohne vorher das Bedürfnis des Kunden abzuklären. Ähnlich operieren die Strukturvertriebe ITE (inzwischen im Konkurs) und First.
Im konkreten Fall war das Sparprodukt eine Fondspolice der Pax, also eine Sparversicherung, deren Nachteile der K-Tipp schon oft aufgezeigt hat (zuletzt in den Ausgaben 2/03 und 7/03). Der grösste Haken: Wer die langfristige Verpflichtung kündigt und keine Prämien mehr zahlt, verliert viel Geld, weil die Gesellschaften hohe Kosten für Verwaltung und Verkäuferprovisionen verrechnen.
Auch die Börse trug zu den Verlusten bei
Das ist auch der Grund für Trudy Müllers Enttäuschung. Dazu kamen Börsenverluste mit der Fondspolice, weil bei diesem Typ von Sparversicherung das Geld nicht fest verzinst, sondern den Launen der Börsen ausgesetzt wird - und die Kurse sind in den vergangenen Jahren getaucht.
Beim K-Tipp häufen sich in letzter Zeit Reklamationen von Pax-Kunden, die vom WNB vermittelt wurden:
- Eine Frau aus Ermensee LU investierte 10700 Franken und hatte davon nach vier Jahren 60 Prozent verloren. Die WNB-Verkäuferin war eine Arbeitskollegin aus dem Gesundheitswesen. «Diese Frau hatte von Versicherungen und Fonds keine Ahnung», erinnert sich das Opfer.
- Ein Mann aus Oberbipp BE zahlte innert acht Jahren 18200 Franken ein. 2003 erhielt er noch 7000 Franken ausbezahlt. Ein Kollege, der beim WNB war, hatte ihm die Fondspolice als ganz normalen Sparplan verkauft, ohne auf die Verluste bei vorzeitiger Auflösung hinzuweisen.
- Eine Frau aus Zumikon ZH zahlte 9300 Franken ein und verlor 6400 Franken. Der WNB-Verkäufer war der Freund einer Kollegin.
- Eine Frau aus Emmenbrücke LU vertraute der Pax 5200 Franken an. Sie muss 4000 abschreiben. Sie wurde vom WNB-Verkäufer an ein zweitägiges Seminar mitgenommen, weil er sie als Mitverkäuferin anwerben wollte. Die Seminarteilnehmer machten auf sie keinen guten Eindruck: «Ich hatte das Gefühl, dass beim WNB jeder Trottel mitmachen kann.» Im Übrigen habe sie den Anlass eher als Gehirnwäsche empfunden.
Die Erfahrungen dieser Opfer decken sich mit den Klagen, die der K-Tipp seit Jahren zu hören bekommt: WNB-Vermittler verkaufen aggressiv, sie nutzen den Vertrauensbonus unter Freunden und Bekannten schamlos aus, sie versprechen zu viel und verschweigen die Nachteile der von ihnen verkauften Fondspolicen. Meist heisst es wahrheitswidrig, der Kunde könne jederzeit frei über sein ganzes eingezahltes Geld verfügen.
«Dass sich die Pax mit solchen Leuten einlässt, finde ich schlimm», urteilt Trudy Müller. Sie ist nicht allein mit diesem Vorwurf. Die Pax-Versicherung wird seit Jahren kritisiert, weil sie mit zwielichtigen Verkaufsorganisationen zusammenarbeitet. Doch solche Vorwürfe verpuffen bei der Pax wirkungslos - zu gross sind offenbar die Profite, die sich mit dieser Kooperation erzielen lassen.
Anders beispielsweise die Generali: Sie arbeitet schon seit mehr als drei Jahren nicht mehr mit der Firma WNB (und auch nicht mit First und ITE) zusammen. «Die Verkaufsmethode der WNB passte nicht mehr zur Vertriebsphilosophie der Generali», sagt Vertriebs- und Marketingleiter Marco Baur. Andere Versicherungsgesellschaften haben sich gar nicht erst auf Strukturvertriebe eingelassen.
Dass die Pax bei der Auswahl ihrer Verkäufer wenig Skrupel hat, zeigt auch der Fall des in der Schweiz wohnhaften Kroaten Bozo K. Er hat der Pax insgesamt 19200 Franken überwiesen und davon 11000 verloren. Der Verkäufer - ebenfalls ein Kroate - habe ihn nicht auf das Börsenrisiko aufmerksam gemacht, sagt K.
Wegen seiner begrenzten Deutschkenntnisse war er auch nicht in der Lage, die Versicherungsbedingungen zu lesen.
In einem Brief an die Pax schreibt K.s Anwältin, der Verkäufer habe den Kunden in die Irre geführt. Und sie fordert die Pax auf, gegen solche Missstände «energisch vorzugehen». In ihrer Antwort schreibt die Pax, aufgrund der Unterlagen müsse die Beratung korrekt abgelaufen sein.
Sparversicherung als Geldvernichtung
Sogar fest angestellte Pax-Agenten informieren nicht immer offen über die Nachteile ihres Produkts. Dies zeigt der Fall eines in der Schweiz lebenden US-Amerikaners, der insgesamt 14400 Franken einzahlte. Er habe mehrmals nachgefragt, ob er über sein Geld verfügen könne, wenn er in die USA zurückkehre - der Agent habe das jeweils bejaht. Als es dann soweit war, erhielt dieses Pax-Opfer nur noch 5200 Franken. Inzwischen hat die Pax entschieden, 4000 Franken nachzuzahlen.
Fazit: Sparversicherungen und Fondspolicen sind nur etwas für Leute, die felsenfest davon überzeugt sind, dass sie die abgemachte Laufzeit auch wirklich einhalten und die Prämien zahlen wollen und können. Steigt man frühzeitig aus, wird die Lebensversicherung zur Geldvernichtungsmaschine. Das gilt für alle Fondspolicen und konventionellen Lebensversicherungen - nicht nur für diejenigen der Pax.
Der K-Tipp hat die Pax auch nach dem Anteil derjenigen Kunden gefragt, die frühzeitig aussteigen und Geld verlieren. Die Antwort ist ausgeblieben.
Dank K-Tipp: Rentenanstalt zahlt mehr
Stephan Heimberg aus Aesch BL hat der Rentenanstalt für eine gemischte Lebensversicherung 17500 Franken gezahlt. Als er die Versicherung auflösen wollte, schrieb der Rentenanstalt-Berater, der Rückkaufswert betrage 13600 Franken. Heimberg kündigte.
Doch die Rentenanstalt schickte nur 9100 Franken; der mitgeteilte Rückkaufswert sei falsch gewesen, hiess es. Man bedaure das. Erst als der K-Tipp bei der Direktion intervenierte, bügelte die Rentenanstalt ihren Fehler aus und überwies Heimberg die Differenz zum zugesagten Wert.
Das Beispiel zeigt: Eine früh aufgelöste Lebensversicherung ist auch dann ein Verlustgeschäft, wenn das Geld nicht wie bei den Fondspolicen an die Börsen geht, sondern wie im konkreten Fall nach herkömmlicher Art fest verzinst wird.
Kommt das Aus für den WNB-Strukturvertrieb?
Im Parlament steht demnächst die Revision des Gesetzes über den Versicherungsvertrag zur Debatte (K-Tipp 14/03). Das könnte den Strukturvertrieben ein Ende setzen: Vorgesehen ist, dass frei schaffende Versicherungsvermittler in ein Register eingetragen werden müssen. Der Eintrag setzt voraus, dass sie über «ausreichende berufliche Qualifikationen» verfügen.
Hinter den Kulissen laufen bereits Vorbereitungen für eine neunmonatige intensive Vollzeit-Ausbildung. Es ist absehbar, dass die WNB-Mitarbeiter, die heute schon nach einer Schnellbleiche von zwei Tagen Versicherungen verkaufen, von der Bildfläche verschwinden müssen.
Der WNB hat dazu keine Stellung genommen.