Geld eintreiber im Schulzimmer

In der Schulfernsehsendung «My School» des Schweizer Fernsehens wird das Thema Schulden vom umstrittenen Inkassounternehmen Intrum Justitia abgehandelt.

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K-Tipp 18/2012

26.10.2012

Letzte Aktualisierung:
29.10.2012

Beatrice Walder K-Tipp

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Die TV-Sendung «My School» ist jeweils im Morgenprogramm des Schweizer Fersehens (SF) zu sehen. Es handelt sich um Lehrbeiträge, die SF im Auftrag der Deutschschweizer Bildungsdirektionen und des Bundesamts für Berufsbildung für die Sekundarstufe (13- bis 16-Jährige) produziert. In der Schweiz gehören die Sendungen zum Schulalltag: Sie werden im Unterricht live oder als Aufzeichnung gezeigt.

Im «Dossier Schulden» hat «My School» den Lehrauftrag einseitig erfüllt. Beim Thema «Schulden eintreiben» kommt hauptsächlich die Inkassofirma Intrum Justitia zu Wort – und das unwidersprochen.

Intrum treibt im Auftrag von Unternehmen mittels Mahnungen und Betreibungsandrohungen angebliche Forderungen ein. Doch die Beträge sind längst nicht immer geschuldet oder nicht in der behaupteten Höhe. Das Vorgehen der Intrum stösst immer wieder auf Kritik. So auch bei Mario Roncoroni, dem Geschäftsleiter der Schuldenberatung Bern. Er findet es «skandalös», dass eine Schulsendung allein aus der Optik der Geldeintreiber «informiert».

Der K-Tipp hat sich die Sendung angeschaut und stellt den Behauptungen von Intrum und SF Fakten gegenüber:

Behauptung: Laut dem Intrum-Geschäftsführer Thomas Hutter wird es immer schwieriger, Geld einzukassieren.
Fakt ist: Zu dieser Behauptung gibt es keine Zahlen. Das Problem der Geldeintreiber: Sie überprüfen vor dem Versand der Mahnungen und Betreibungsandrohungen nicht, ob die Forderungen berechtigt sind.

Behauptung: Der Schuldner muss Intrum neben dem Rechnungsbetrag noch eine Mahngebühr und eine Entschädigung für Arbeitsaufwand und Verzugsschaden zahlen.
Fakt: Das Gesetz kennt keine Mahngebühren. Sie sind nur geschuldet, wenn sie im Vertrag zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart und betragsmässig festgelegt sind. Eine Entschädigung für Arbeitsaufwand ist nicht geschuldet. Der Verzugszins beträgt laut Gesetz 5 Prozent. Höhere Zinssätze sind auch hier nur geschuldet, wenn dies im Vertrag klar vereinbart ist. Bei berechtigten Forderungen schuldet man bei Zahlungsverzug also nur den Grundbetrag plus Verzugszins.

Behauptung: Laut Mitarbeitern des Intrum-Callcenters sind die Schuldner aggressiv, obwohl sie den Leuten Lösungsvorschläge wie zum Beispiel eine Zahlung in Raten anbieten würden.
Fakt: Aggressiv sind die Methoden von Intrum. So drohen die Mitarbeiter mit Einträgen im Betreibungsregister und in einer Datenbank, falls man die Rechnung nicht begleicht. Und: Eine Ratenzahlungsvereinbarung sollte man nicht unterschreiben. Sonst zahlt man auch bei berechtigten Forderungen zu viel.

Behauptung: Wenn ein Schuldner trotz mehrerer Aufforderungen nicht zahlt, schaltet Intrum das Betreibungsamt ein. Als Beispiel wird im Bericht das Betreibungsamt Winterthur genannt: Dieses arbeite eng mit der Inkassogesellschaft zusammen und sende dem Schuldner einen Zahlungsbefehl.
Fakt: Betreibungsämter arbeiten nicht mit Inkassobüros zusammen. Sie leiten nur Zahlungsbefehle weiter. Und das ungeprüft. Das Betreibungsamt Winterthur erklärt gegenüber dem K-Tipp, Intrum Justitia sei «ein Kunde wie jeder andere», es gebe «keine spezielle Zusammenarbeit oder Partnerschaft».
Grundsätzlich gilt: In der Schweiz kann jeder jeden betreiben. Gegen eine ungerechtfertigte Betreibung kann man sich wehren. Wenn man innert zehn Tagen beim Betreibungsamt Rechtsvorschlag erhebt, ist die Betreibung gestoppt.

Behauptung: Mit dem Begleichen der Forderung ist die Sache nicht erledigt. Der Schuldner wird als schlechter Zahler in eine Datenbank eingetragen.
Fakt: Gegen falsche Einträge in Bonitäts-Datenbanken kann man sich wehren und eine Berichtigung oder Löschung der Eintragung verlangen.
Das Bundesamt für Berufsbildung will zum Inhalt der Sendung nicht Stellung nehmen. Dafür sei das Schweizer Fernsehen verantwortlich. Auf den Vorwurf, «My School» informiere einseitig, geht SF-Sprecher Martin Reichlin nicht konkret ein. Er räumt nur ein, dass «der Beitrag nicht auf alle Fragen rund ums Thema Antworten liefert». Er werde demnächst «neu überarbeitet». Intrum Justitia hält an den Aussagen in der Sendung fest.

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