Zehn Gemeinden zählt das Berner Zulgtal, über 5000 Leute leben dort. Rudolf Reusser ist Gemeindepräsident von Unterlangenegg. 930 Einwohner zählt die Gemeinde. Die Situation im Zulgtal bezeichnet er als «schwierig»: Am 1. April schloss die Poststelle in seinem Dorf.
Dasselbe Schicksal ereilt die Poststelle in Heimenschwand in der Gemeinde Buchholterberg. Beat Haldimann, Gemeindepräsident von Buchholterberg, fühlt sich verschaukelt. Zwei Jahre lang habe die Gemeinde mit der Post Gespräche geführt, um eine Schliessung zu vermeiden. Haldimann: «Die Gespräche waren eine Alibiübung.» Der Bitte, die angeblich rückläufigen Frequenzzahlen der betroffenen Poststellen offenzulegen, sei die Post nicht nachgekommen. Sie habe sich aufs Geschäftsgeheimnis berufen. «Wir machten uns die falsche Hoffnung, sie spiele mit offenen Karten und behandle die Gemeindevertreter als Partner», so Haldimann.
Ab kommendem August gibt es in Heimenschwand statt einer Poststelle nur noch eine Postagentur. Tönt gut, ist aber ein massiver Leistungsabbau: Für Schaltergeschäfte müssen die Bewohner von Buchholterberg das Tal verlassen und nach Steffisburg fahren.
Talbewohner, die auf den Bus angewiesen sind, müssen so lange Fahrten in Kauf nehmen. Beispiel: Wer mit dem Bus von Innereriz nach Steffisburg fährt, ist rund eine Stunde unterwegs – mit Stopps an 27 Haltestellen. Vor rund sechs Jahren besassen die Erizer noch eine eigene Post.
Die Post sagt, der normale Hausservice garantiere der Bevölkerung eine qualitativ hochstehende postalische Versorgung vor Ort. Fakt ist aber: Ist niemand zu Hause, muss man den Eingeschriebenen in der Regel in Steffisburg abholen. Auswärts Tätige seien regelmässig mit dieser Problematik konfrontiert, sagt Daniel Jost, Gemeindepräsident von Eriz. Besonders für ältere Personen bedeutet jede Filialschliessung einen grossen bis unzumutbaren Mehraufwand. Einerseits seien sie in ihrer Mobilität eingeschränkt. Andererseits wären sie auf Poststellen angewiesen, um Alltägliches wie Zahlungen erledigen zu können, so Jost.
Eriz habe sich in Gesprächen gegen die Schliessungspläne der Post mit allen Mitteln gewehrt – allerdings vergebens, bilanziert Daniel Jost: «Wir waren von Anfang an chancenlos.»
Auch Rudolf Reusser sagt, er habe bei den Gesprächen mit der Post wenig von «einer einvernehmlichen Lösung» gespürt. Man habe ihm mündlich eine Zahl zur Höhe des Defizits genannt und mehrfach unterstrichen, der Umsatz der Poststelle Unterlangenegg sei eingebrochen. Er habe gefragt: «Ist es nicht der Auftrag der Post, die Region zu bedienen?» Die Post habe ihm nur geantwortet, «dass sie in jedem Fall rentieren muss».
Gegnerisches Komitee schweigt zum Abbau der Postfilialen
Service vor Gewinn: Post, SBB, Swisscom & Co. sollen einen guten Service zu vernünftigen Preisen bieten, statt einen möglichst hohen Gewinn anzustreben. Das will die Initiative Pro Service public, über die das Schweizer Stimmvolk am 5. Juni befindet.
Die schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) und der Schweizerische Gemeindeverband (SGV) bekämpfen die Initiative an vorderster Front. Ihr Hauptargument: Die Initiative schwäche Bergregionen. Doch die Initiative will genau das Gegenteil: Öffentliche Betriebe sollen das Wohl der Bevölkerung zum Ziel haben, nicht möglichst hohe Gewinne für die Bundeskasse. Anders gesagt: Guter Service muss wichtiger sein als Profit.
Dass das heute weit herum nicht mehr der Fall ist, zeigt das Beispiel des Zulgtals, wo es bald keine Poststelle mehr geben dürfte. Der K-Tipp hat das Komitee im Fall Zulgtal um eine Stellungnahme gebeten. Was unternimmt das SGV und SAB konkret gegen den Poststellenabbau in Gegenden wie dem Zulgtal? Das Komitee blieb eine Antwort schuldig.
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