Gestörte Leitung zu den Kunden
Telekomfirmen drücken sich mit einseitigen Vertragsklauseln vor Schadenersatz-Zahlungen bei Internet- und Telefonunterbrüchen. Besonders hart trifft es Gewerbetreibende.
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K-Tipp 5/2005
09.03.2005
Thomas Müller - tmueller@ktipp.ch
Wenn Tobias Toggweiler an Cablecom denkt, gerät sein Blut in Wallung: «Mein Internet-Zugang ist eine regelrechte Lotterie. Mal funktioniert er, mal nicht - und manchmal braucht eine E-Mail innerhalb von Basel einen halben Tag.»
Dabei nennt sich das Angebot, das Toggweiler für seine Buchhandlung und Fotogalerie abonniert hat, «hispeed». «"Schneckenpost"» wäre passender», scherzt der Kunde, der in den letzten sechs Monaten rund 30-mal beim Cablecom-Kundendienst reklamiert ...
Wenn Tobias Toggweiler an Cablecom denkt, gerät sein Blut in Wallung: «Mein Internet-Zugang ist eine regelrechte Lotterie. Mal funktioniert er, mal nicht - und manchmal braucht eine E-Mail innerhalb von Basel einen halben Tag.»
Dabei nennt sich das Angebot, das Toggweiler für seine Buchhandlung und Fotogalerie abonniert hat, «hispeed». «"Schneckenpost"» wäre passender», scherzt der Kunde, der in den letzten sechs Monaten rund 30-mal beim Cablecom-Kundendienst reklamiert hat. Genützt hat es nichts.
Volle Abogebühr trotz lausiger Leistung
Seinen Schaden beziffert Toggweiler inzwischen auf gegen 3000 Franken: «Ich kann zum Teil tagelang keine Kunden bedienen, weil die Kataloge im Internet nicht zugänglich sind und ich keine Bestellungen übermitteln kann. Ganz zu schweigen von den Umtrieben, die mich schon unzählige Arbeitsstunden gekostet haben.»
Doch für den finanziellen Verlust will Cablecom partout nicht aufkommen: «Die Probleme stehen im Zusammenhang mit dem Netzausbau in Basel», erklärt Firmensprecher Stefan Hackh, «und laut unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen können Kunden wegen Arbeiten am Netz keinen Schadenersatz beanspruchen.» Der Gipfel: Trotz der häufigen Pannen verlangt Cablecom von Toggweiler weiterhin die volle Abogebühr.
Abgesichert hat sich die Kabelnetzbetreiberin im Kleingedruckten. Dort heisst es in bestem Juristendeutsch: «Das Ausbleiben von Funktionsstörungen und Unterbrüchen wird von Cablecom nicht garantiert.» Die Konkurrenten Sunrise, Swisscom und Tele2 bremsen ihre Kunden mit der Formulierung aus, dass sie «keine Gewährleistung für ein unterbruchs- und störungsfreies Funktionieren» ihrer Dienstleistungen übernehmen.
Ihre Haftung für Schäden haben die Telekomanbieter in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufs gesetzliche Minimum beschränkt, nämlich auf Fälle, in denen ein Mitarbeiter einen Schaden «absichtlich oder grobfahrlässig» verursacht hat. Dies zu beweisen, wäre im Streitfall Sache des Kunden - ein meist aussichtsloses Unterfangen.
Benachteiligung ist nicht verboten
Trotzdem sind solche einseitigen Vertragsklauseln laut dem Basler Rechtsprofessor Ernst Kramer grundsätzlich zulässig: «Verboten ist nur, Kunden im Kleingedruckten in irreführender Weise zu benachteiligen. Wer die Schikane klipp und klar umschreibt, ist auf der sicheren Seite.»
Deshalb fordert Kramer zusammen mit mehreren Berufskollegen seit langem ein Gesetz gegen missbräuchliche AGB-Klauseln (siehe K-Tipp 03/98). «Leider ist immer noch keine Regelung in Sicht», bedauert er. Zur Erinnerung: Die Schweiz ist seit bald zehn Jahren das einzige Land Westeuropas, das Unternehmen erlaubt, Konsumentinnen und Konsumenten im Kleingedruckten krass zu benachteiligen.
Sunrise liess Geschäftsmann im Regen stehen
Die Telekomfirma Sunrise kappte versehentlich die Internet-Verbindung eines Gewerblers. Sie wollte jedoch nur einen Teil des Schadens ersetzen.
Plötzlich war die Internet-Leitung tot. Jürg Stäheli, Inhaber einer Management-Beratungsfirma in Zürich, konnte nicht mehr via Mail mit Kunden und Mitarbeitern kommunizieren. «Das war der Super-Gau, weil bei uns alles übers Internet läuft», erinnert er sich.
Der Spuk dauerte ganze zehn Tage und kostete Stäheli rund 6500 Franken. Zahlreiche Leerstunden, Aufwand des Internet-Supporters, Sekretariatsarbeiten und Spesen schlugen dabei zu Buche. Die Rechnung schickte der Geschäftsmann der Telekomgesellschaft Sunrise. Denn diese hatte aus Versehen seinen Internet-Anschluss bei einem anderen Provider abgestellt. Der Hintergrund: Ein Mitarbeiter der Sunrise-Partnerfirma Ranger Switzerland hatte auf einem Anmeldeformular für Neu-Kunden fälschlicherweise die Telefonnummer von Stäheli eingesetzt.
Wer nun glaubt, Sunrise habe den Schaden umgehend wieder gutgemacht, irrt sich. Ganze drei Monate dauerte es, bis sich die Telefongesellschaft entschuldigte. Dann räumte sie zwar einen «gravierenden Fehler» ein, war aber dennoch nicht bereit, den ganzen Schaden zu übernehmen.
Jürg Stäheli reichte deshalb Klage ein. Vor Gericht einigte man sich Ende 2004 auf einen Vergleich, mit dem sich Sunrise verpflichtete, Stäheli 2000 Franken zu zahlen. «Ich habe dem mickrigen Vergleich zugestimmt, um das neue Jahr ohne Altlasten zu beginnen», erklärt der Firmeninhaber.
Doch dann der Clou: Sunrise überwies Stäheli die 2000 Franken nicht, sondern machte ihm stattdessen eine Gutschrift auf seiner privaten Telefonrechnung. Erst als der Geschäftsmann reklamierte, kam das Geld - für Stäheli «ein weiterer Beweis für die Renitenz dieses Unternehmens».