Viehschau Expo Bulle, Samstag, 2. April 2016: Dick, prall gefüllt und von fetten Adern überzogen – so präsentieren sich die Euter der Kühe, die hier in Reih und Glied stehen. An einigen wird noch Hand angelegt – mit einer Haarschneidemaschine trimmt ein Bauer die Rückenhaare seiner schwarz-weiss gefleckten Holstein-Kuh, die in einem speziellen Stahlgitter steht. Der Züchter gibt noch ein wenig Haarlack und etwas weisse Farbe aus der Sprühdose auf die Beine. Anderswo werden die Euter eingefettet und nochmals nachrasiert. Aus einem Euter tropft Milch: Schnell verklebt es ein Bauer mit Leim.
Kühe leiden unter übervollen Eutern
Der K-Tipp war im freiburgischen Bulle, um sich selber ein Bild von einer der grössten Schweizer Messen mit Milchleistungskühen zu machen. Solche Ausstellungen stehen seit Jahren in der Kritik. Das Hauptproblem sind die prallvollen Euter der Kühe, die den Tieren Schmerzen bereiten können. Die Kuhbesitzer melken die Tiere absichtlich nicht oder verspätet, um die Euter in voller Pracht präsentieren zu können. Denn die Grösse der Euter ist eines der wichtigsten Verkaufsargumente.
Melkzeiten: Zu lange Pausen sind verboten
Eine Tierärztin des Schweizer Tierschutzes kommt nach dem Besuch der Expo Bulle zum Schluss: 90 Prozent der Kühe, die dem Publikum in der Arena im Kampf um den Tagessieg gezeigt wurden, hatten ein übervolles Euter. «Wenn Milch heraustropft und das Vieh kaum oder nur schwankend gehen kann, ist das ein klares Zeichen dafür.» Zudem seien Euter verklebt worden, was den Tieren schade.
Auch Grégoire Seitert, Kantonstierarzt des Kantons Freiburg, bestätigt gegenüber dem K-Tipp, dass es an der Messe in Bulle «übervolle Euter» gab.
Laut einem Ehrenkodex der Schweizer Rinderzüchter sind zu lange Zwischenmelkzeiten offiziell verboten. Auf dem Rundgang durch die Expo in Bulle liess sich der K-Tipp von Stefan Widmer begleiten. Er ist selber Bauer und Leiter des Richterteams, das an Viehschauen die Siegerkühe prämiert. Er sagt: «Wir können bei übervollen Eutern Punkte abziehen. Wir bestrafen übervolle Euter.» Widmer relativiert aber: «Einige Euter sind sicher am Limit, aber nicht darüber.»
Die Tierschutzverordnung lässt dazu keinen Spielraum offen: «Lange Zwischenmelkzeiten, welche die natürliche Form des Euters verändern oder zu einem unnatürlichen Füllzustand führen, sind verboten.» Eine aktuelle Studie der Universität Bern, vom Bundesamt für Veterinärwesen in Auftrag gegeben, kommt zum Schluss: «Übervolle Euter beeinträchtigen das Wohlbefinden und die Gesundheit von Milchkühen.»
Die Forscher der Uni Bern stellten bei Holstein-Vieh fest, dass Kühe, die während 24 Stunden nicht gemolken werden, in den letzten 6 Stunden vor dem Melken weniger fressen. Zudem haben sie ein festeres Euter und stellen beim Gehen die Hinterbeine auseinander, um das unter Druck stehende Euter zu entlasten. Nach 24 Stunden lief bei allen Testkühen Milch aus. Und: Viele Tiere entwickelten ein Ödem – eine Wasseransammlung – in der Unterhaut des Euters.
«Bis 14 Stunden nicht gemolken»
Professor Adrian Steiner, der Verfasser der Melkzeit-Studie, ist überzeugt: «Viele Euter an Viehausstellungen werden sicher länger als 12 bis 14 Stunden nicht gemolken.» An der Expo Bulle wurden nach Auskunft der Organisatoren die Euter der Siegerkühe und der zweitplatzierten Kühe jeder Kategorie überprüft. Das Resultat: Man habe keine Ödeme gefunden.