Der Fall ist typisch: In einem Coiffeursalon in der Region Bern taucht eine Anzeigenverkäuferin auf. Die Geschäftsinhaberin hat fast keine Zeit, weil die nächste Kundin schon im Stuhl sitzt. Um die Verkäuferin loszuwerden, unterschreibt sie in aller Eile einen Werbevertrag.
Noch am gleichen Tag realisiert sie, dass ihr Werbebudget bereits aufgebraucht ist und dass sie einen Fehler gemacht hat. Deshalb widerruft sie den Vertrag sofort. «In solchen Fällen gibt es ja ein Rücktrittsrecht», denkt sie.
Wer unterschreibt, ist an Vertrag gebunden
Solches geschieht täglich. Gewerbetreibende erhalten häufig Besuch von aufdringlichen Verkäufern, die ihnen teure Werbung schmackhaft machen wollen – sei es in Telefonverzeichnissen oder Zeitungen, in Prospekten, auf Orts- und Stadtplänen, auf Tischsets, im Internet, auf Autos und Ortstafeln oder sogar auf Metalltafeln, an denen ein Defibrillator hängt. Viele beklagen sich später, man habe sie «überschnurret».
Was die meisten Gewerbler nicht beachten: Verträge sind im Prinzip einzuhalten. Wer also einen Vertrag unterschrieben hat, ist daran gebunden. Zwar ist im Gesetz ein 14-tägiges Rücktrittsrecht verankert – zum Beispiel bei Haustürgeschäften. Doch das gilt nur für «gewöhnliche» Konsumentinnen und Konsumenten. Das Gesetz spricht bei ihnen von Verträgen über Sachen oder Dienstleistungen, «die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Kunden bestimmt sind». Viele Gewerbetreibende treten trotzdem vom Vertrag zurück. Das dürfen sie – doch dann kann die Werbefirma gemäss Gesetz den vereinbarten Betrag verlangen – abzüglich des Aufwands, den sie wegen des vorzeitigen Rücktritts nicht erledigen muss.
Und das wird meist teuer. Dies zeigt ein Fall, der im September 2015 am Bezirksgericht Meilen ZH verhandelt wurde. Klägerin war die PMS Öffentlichkeitswerbung GmbH aus Rapperswil SG. Sie stellt Institutionen Autos gratis zur Verfügung. Die Autos sind mit Werbeaufschriften versehen – und diese Werbeflächen verkauft die PMS dem lokalen Gewerbe.
Im PMS-Vertrag steht, bei einem Rücktritt müsse der Gewerbler 80 Prozent des vereinbarten Preises zahlen – und das Gericht hat diese Forderung gestützt. Obwohl der Gewerbetreibende nach seinem Rücktritt für dieses Geld nichts erhält. Gemäss Gericht ist die Forderung von 80 Prozent «nicht übermässig».
Inserateverkauf an Gewerbler: So verhindern Sie böse Überraschungen
- Lassen Sie sich nicht unter Zeitdruck setzen. Seriöse Vertragsverhandlungen brauchen Zeit. Lassen Sie sich alle Unterlagen aushändigen, schlafen Sie darüber, und überlegen Sie sich das Ganze in aller Ruhe.
- Der versprochene Werbeeffekt ist oft weit übertrieben. Seien Sie deshalb skeptisch. Ein Beispiel: Die Felicitas Promotions AG aus Cham ZG verteilt bei Geburten und Hochzeiten Geschenkpakete an Mütter und Paare. Darin sind auch Gutscheinhefte enthalten. Ein Tiertaxi-Unternehmen aus dem Raum Winterthur war darin zwei Jahre lang mit einem Gutschein für eine kostenlose Taxifahrt vertreten und zahlte dafür über 700 Franken pro Jahr. Doch es wurde kein einziger Bon eingelöst.
- Geben Sie keine Inserate in Auftrag, die im Voraus zahlbar sind. So operieren nur unseriöse Firmen. Bei seriösen Firmen ist die Rechnung erst zahlbar, wenn das Inserat erschienen ist und ein Belegexemplar vorliegt.
- Unter Gewerbetreibenden gibt es kein Rücktrittsrecht. Ohne finanzielle Folgen können Sie den Vertrag in der Regel nur anfechten (innert eines Jahres), falls der Verkäufer Sie absichtlich irregeführt hat. Kommt es dann aber zum Prozess, müssen Sie vor Gericht beweisen können, dass man Ihnen beim Vertragsabschluss etwas vorgetäuscht hat.