Gewinne auf Kosten der Versicherten
Aktuelle Zahlen zeigen: Für Versicherungsgesellschaften ist das Geschäft mit der 2. Säule eine Goldgrube. Und das seit Jahren.
Inhalt
K-Tipp 20/2012
28.11.2012
Gery Schwager
Jürg Jost ist vom Fach. Der diplomierte Pensionsversicherungs-Experte war als Geschäftsleitungsmitglied bei einer Versicherungsgesellschaft mehrere Jahre fürs Pensionskassengeschäft zuständig. Heute führt Jost in Zürich die Pensionskassen- und Versicherungsberatung Risiko-Rating (www.risiko-rating.ch).
Der Fachmann hat dieses Jahr zum zweiten Mal einen...
Jürg Jost ist vom Fach. Der diplomierte Pensionsversicherungs-Experte war als Geschäftsleitungsmitglied bei einer Versicherungsgesellschaft mehrere Jahre fürs Pensionskassengeschäft zuständig. Heute führt Jost in Zürich die Pensionskassen- und Versicherungsberatung Risiko-Rating (www.risiko-rating.ch).
Der Fachmann hat dieses Jahr zum zweiten Mal einen Blick auf die Zahlen jener Lebensversicherungen geworfen, die im Geschäft mit der 2. Säule aktiv sind. Die Lebensversicherer verwalten die Pensionskassenguthaben von rund der Hälfte aller Angestellten in der Schweiz. Josts Analyse der Zahlen der fünf grossen Gesellschaften Swiss Life, Axa, Basler, Helvetia und Allianz Suisse zeigt:
- Das Geschäft mit der 2. Säule ist für die Lebensversicherer rentabel. Im Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2011 machte der Gewinn aus dem Pensionskassenbereich bei der Basler 4,49 Prozent der periodischen Prämien aus. Bei der Allianz Suisse waren es gar 7,66 Prozent (siehe Tabelle links unten). In Zahlen betrug dieser Gewinn allein im letzten Jahr bei der Swiss Life 214 Millionen, bei der Axa 178 Millionen, bei der Helvetia 56 Millionen, bei der Allianz Suisse 42 Millionen und bei der Basler 10 Millionen Franken – zusammen eine halbe Milliarde.
- Jeder der fünf Lebensversicherer erzielte über die letzten sieben Jahre eine durchschnittliche Rendite auf dem verwalteten Vermögen zwischen 2,99 Prozent (Helvetia) und 3,90 Prozent (Allianz Suisse, siehe mittlere Tabelle).
- Drei der fünf Gesellschaften belasteten den Versicherten im Mittel der Jahre 2005 bis 2011 allgemeine Verwaltungskosten von über 10 Prozent der Prämien. Am höchsten waren sie bei der Allianz Suisse mit 11,76 Prozent, am tiefsten bei der Axa mit 7,72 Prozent. In diesen Zahlen sind die Vermögensverwaltungskosten noch nicht enthalten.
Die Analyse von Jürg Jost basiert auf den Zahlen, die von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) erfasst und publiziert werden. Für die Versicherten sind das keine erfreulichen Daten. Denn je mehr Geld für Verwaltungskosten und die Gewinne der Lebensversicherungen aus der 2. Säule abfliesst, desto kleiner ist das Alterskapital der Kunden.
Immerhin: Der Teil der Prämie, den die Versicherungen und Vermögensverwalter in die eigene Tasche stecken, ist letztes Jahr leicht gesunken: 2011 nahmen sie für Verwaltungskosten, Vermögensverwaltungskosten und Gewinne total 19,5 Prozent der Prämienbeiträge weg, ein Jahr zuvor waren es noch 19,8 Prozent gewesen. Doch das ändert laut Jost nichts daran, dass «weiterhin grosses Sparpotenzial besteht».
Sehr hohe Gesamtkosten
Deutlich wird dies, wenn man die durchschnittlichen Gesamtkosten der Jahre 2007 bis 2011 der fünf Lebensversicherer mit denen von sechs unabhängigen autonomen Pensionskassen vergleicht: Bei den Versicherungen betrugen sie 20,6 Prozent, bei den Pensionskasssen 7,6 Prozent der Prämienbeiträge, wie Josts Untersuchung zeigt.
Zu den hohen Kosten kommt die tiefe Verzinsung der Alterskapitalien. So hat der Bundesrat beschlossen, dass Pensionskassenguthaben auch im nächsten Jahr bloss mit mickrigen 1,5 Prozent verzinst werden müssen. Dabei bescherten die Renditen auf Wertpapieren und Immobilien den Versicherungen und Pensionskassen ein einträgliches 2012.
Jost stellt dazu fest: «Es ist nicht zuletzt die Differenz zwischen der hohen Rendite und der tiefen Verzinsung des angesparten Alterskapitals, die für die Versicherer das Geschäft mit der beruflichen Vorsorge lukrativ macht».
Vergleichbarkeit wird bestritten
Die Versicherungen tun sich mit Josts Analyse schwer. Die Allianz sagt unter anderem: «Die ständig steigenden regulatorischen Auflagen (wie Transparenzvorschriften) wirken kostentreibend.» Swiss Life bestätigt die Zahlen zu Verwaltungskosten und Rendite, setzt aber – wie Axa und Helvetia – ein Fragezeichen hinter die Vergleichbarkeit der Kosten von Lebensversicherern und autonomen Pensionskassen. Diese würden nicht bei allen gleich erhoben und ausgewiesen.
Die Axa kann die in Josts Studie angegebenen Werte zur Rendite, zu den allgemeinen Verwaltungskosten und zum Betriebsergebnis nicht nachvollziehen. Die Helvetia spricht von «grundsätzlichen Fehlern» und verzichtet auf einen Kommentar. Und die Basler bestreitet die Zahlen zwar nicht, hält sie aber für «nicht aussagekräftig und für einen Vergleich nicht geeignet».