Vor bald zwei Jahren schickte das Stimmvolk die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative bachab. Die Initianten hatten gefordert, Direktzahlungen nur noch an Bauern zu zahlen, die keine Pestizide einsetzen. Die zweite Initiative verlangte gar ein vollständiges Verbot von Chemikalien.
Die Bauern sahen in den beiden Volksbegehren ei-ne Bedrohung. Im Vorfeld der Abstimmungen vom Juni 2021 gaben sie sich deshalb kompromissbereit. So schrieb der Bauernverband bereits im Juni 2019: «Wir propagieren den Verzicht auf vier Wirkstoffe, die am häufigsten im Grundwasser gefunden werden.» Das betreffe «problematische Pflanzenschutzmittel» zur Bekämpfung von Unkraut und Schimmelpilzen.
Dabei handelt es sich um die Pestizide Bentazon, Chloridazon, Fluopicolid und S-Metolachlor. Sie kommen vor allem beim Anbau von Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben, Bohnen, Erbsen und Spinat zum Einsatz. Mit dem propagierten Verzicht zeige die Landwirtschaft, «dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst ist», schrieb der Verband damals.
Pestizidmenge zum Teil noch gesteigert
Doch von Verzicht kann keine Rede sein. Die Bauern setzten die problematischen Stoffe in den zwei Jahren nach dem Versprechen von 2019 weiter ein – zum Teil sogar in noch grösseren Mengen. Das zeigen die aktuellsten Verkaufszahlen des Bundesamts für Landwirtschaft.
Im Jahr 2019 wurden 400 Kilo Fluopicolid verkauft, 2021 waren es gar 600 Kilo. Von S-Metolachlor wurden 2021 immer noch 13 Tonnen verkauft (2019: 22,15), von Bentazon 4,5 Tonnen (2019: 5). Chloridazon wurde 2020 europaweit verboten.
Besonders heikel ist das Pestizid S-Metolachlor. Es richtet in der Umwelt grossen Schaden an: Laut EU-Pestiziddatenbank ist der Stoff «sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung». Zudem verursacht er möglicherweise Krebs, wie mehrere US-Studien zeigten.
Auch eine Studie von 2021 im Auftrag des Bundesamts für Umwelt stufte den Stoff als «eher kritisch» ein. Trotzdem erteilten die kantonalen Pflanzenschutzdienste im Februar für 2023 eine Sonderbewilligung für S-Metolachlor: Es soll das Unkraut Erdmandelgras in Mais, Sonnenblumen und Brachen bekämpfen.
Warum verspritzen die Bauern die Gifte weiterhin? Der Bauernverband sagt auf Anfrage: S-Metolachlor dürfe «nur noch in Fällen, bei denen keine Alternative vorhanden ist», eingesetzt werden. Für Bentazon gebe es keinen guten Ersatz, daher sei es nach wie vor im Einsatz.
In Frankreich plant die zuständige Behörde nun ein Verbot von S-Metolachlor – «zum Schutz des Grundwassers». Die Behörden in der Schweiz hingegen warten ab: Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit schreibt, es sei «keine sofortige Überprüfung» von S-Metolachlor vorgesehen.