Mehr als 1500 Leser aus der ganzen Schweiz machten mit: Sie füllten Trinkwasser aus dem Hahnen in eine Flasche und schickten es dem K-Tipp zu. Ein deutsches Labor untersuchte das Wasser auf Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Diese Stoffe werden in verschiedenen Produkten wie Textilien oder Teflonpfannen eingesetzt. Das Labor hat inzwischen einen grossen Teil geprüft – mit erschreckendem Resultat: Fast 400 der analysierten 872 Proben waren mit PFAS belastet.
Viele Schadstoffe in Basel, Bern und Zürich
Ein Blick auf die Schweizer Karte zeigt, dass besonders das Wasser in den Ballungsräumen Basel, Bern und Zürich solche Schadstoffe enthält (siehe Karte im PDF dieses Artikels).
Auch in der Westschweiz in und um die Städte Genf und Lausanne wurden vermehrt PFAS gefunden. Weitgehend frei von den Stoffen war das Trinkwasser aus Graubünden, dem Wallis und dem Tessin. Aus der Südschweiz wurden allerdings nur wenige Proben eingesandt.
Von den verschiedenen PFAS sind Perfluoroctansäure (PFOA) sowie Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) am besten erforscht. Beide Substanzen stehen laut dem deutschen Institut für Risikobewertung im Verdacht, Krebs zu verursachen und Kinder im Mutterleib zu schädigen.
Seit 2010 ist die Verwendung von PFOS in Europa verboten, seit 2020 die Verwendung von PFOA. Laut dem Schweizer Bundesamt für Umwelt bauen sich diese Stoffe in der Umwelt aber kaum ab.
Das zeigt auch die Analyse des K-Tipp: Mehr als 200 Proben waren mit PFOA verunreinigt, mehr als 200 mit PFOS. 22 Proben überschritten den von der US-Umweltbehörde EPA geforderten PFOA-Grenzwert von 4 Nanogramm pro Liter Wasser. Bei PFOS waren es sogar 75 Überschreitungen. Am meisten PFOS enthielten die Proben aus den Kantonen Aargau (14 Gemeinden), Zürich (15 Gemeinden) und Basel-Landschaft (9 Gemeinden).
Alle Proben bewegen sich innerhalb der Schweizer Grenzwerte. Das ist nicht erstaunlich. Denn der Höchstwert für PFOS liegt bei 300 Nanogramm pro Liter – das ist 75-mal mehr als der empfohlene Wert der US-Umweltbehörde EPA. Bei PFOA ist der Schweizer Höchstwert mit 500 Nanogramm sogar 125-mal höher.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA ist ähnlich streng wie die US-amerikanische Umweltbehörde: Sie legte für vier wichtige PFAS einen Summengrenzwert fest. Pro Kilogramm Körpergewicht und Woche sollte man nicht mehr als 4,4 Nanogramm zu sich nehmen.
Das vom K-Tipp-Labor untersuchte Wasser war in 17 Gemeinden so stark mit PFAS belastet, dass dieser Wert überschritten wird, wenn eine 60 Kilo schwere Person am Tag zwei Liter davon trinkt. Auffällig sind die hohen Werte im Zürcher Unterland: Das Trinkwasser aus Bülach, Glatt- und Hochfelden war stark belastet.
In Glattfelden und den meisten anderen Proben, die den EFSA-Wert überschritten, handelte es sich gemäss den Einsendern um private Quellen und nicht um Wasser aus den Reservoirs der Gemeinden.
Schweizer Grenzwerte werden überarbeitet
Die Wasserversorgung Bülach schreibt, man halte die Grenzwerte ein. Als einzelne Gemeinde habe man «kaum Handlungsmöglichkeiten». Kanton und Bund würden aber an einer Strategie arbeiten, um eine weitere Belastung mit PFAS zu vermeiden. Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen werden auch schweizerische Grenzwerte überarbeitet.
Die EU ist schon einen Schritt weiter: Die Europäische Chemikalienagentur ECHA prüft auf Antrag mehrerer EU-Länder ein Verbot aller PFAS.
Wird dieses umgesetzt, dürfen die giftigen Substanzen nur noch dann eingesetzt werden, wenn dies für die Industrie «unerlässlich» sei. Gemäss dem Österreichischen Umweltbundesamt geht es dabei etwa um Arbeitsschutzkleidung für die Feuerwehr oder Labortechniker. Denn: Nur mit PFAS behandelte Arbeitstextilien bieten zurzeit wirksamen Schutz vor Säuren oder Ölen.
Die Vernehmlassung in der EU dauert bis kommenden September. Selbst wenn die EU dann PFAS verbieten sollte, würde die Umsetzung lange dauern. Die Industrie hätte für eine Umstellung fünf Jahre Zeit, falls keine Ersatzstoffe zur Verfügung ständen. Für einige Produktkategorien würde sogar eine Übergangsfrist von zwölf Jahren gelten.
Dabei drängt die Zeit. So warnt etwa die Europäische Chemikalienagentur ECHA: «Selbst, wenn alle Freisetzungen von PFAS morgen eingestellt würden, wären sie noch über Generationen hinweg in der Umwelt und im Menschen vorhanden.»
PFAS sind weit verbreitet
- Es gibt mehrere Tausend Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Diese werden von der Industrie seit den 1950er-Jahren genutzt.
- Verbreitet eingesetzt werden PFAS in Schutzkleidern, Regenjacken sowie Teflonpfannen. Sie finden sich aber auch in Kosmetika, Medikamenten und Möbeln. Im Skiwachs sorgen PFAS dafür, dass die Ski besser gleiten. In Kleidern dienen sie als wasserdichte, aber atmungsaktive Schicht.
- Die Schadstoffe gelangen über das Abwasser oder über die Abluft von Industriebetrieben in die Umwelt. Gemäss dem deutschen Umweltbundesamt können sie sich über die Luft über riesige Distanzen verbreiten. Sie wurden sogar schon in der Antarktis nachgewiesen.
- PFAS gelangen auch über den Abrieb ins Trinkwasser. Das zeigte zum Beispiel eine K-Tipp-Stichprobe vor zwei Jahren: In 13 von 44 untersuchten Fischen aus Engadiner Seen wiesen Laborexperten PFAS nach. Der Schadstoff dürfte vom Skiwachs der Langläufer stammen (K-Tipp 1/2021).
So vermeidet man PFAS im Alltag
Komplett lassen sich PFAS nicht vermeiden – dazu sind die Substanzen zurzeit zu stark verbreitet. Aufgrund der vorliegenden Untersuchungsdaten lässt sich nicht beurteilen, ob Wasserfilter gegen PFAS nützen. Man kann im Alltag aber auf einige Produkte verzichten, um PFAS zu vermeiden:
- Pfannen: Anstelle von Teflonpfannen lassen sich Eisen- oder Keramikpfannen einsetzen. Diese sind in der Regel länger haltbar, da sie kratzfester sind. Allerdings ist die Antihaftwirkung geringer.
- Outdoor-Kleider: Die meisten Regenjacken sind mit PFAS beschichtet – es gibt zurzeit keine wirksamere Methode, um Kleider wasserdicht zu machen. Der K-Tipp prüfte 2022 Regenjacken: Erstmals erzielte mit dem Testsieger «Seven J Jacket» von Helly Hansen eine Jacke ohne PFAS ein sehr gutes Ergebnis (K-Tipp 14/2022).
- Imprägniermittel: Imprägniersprays mit PFAS sollte man nicht verwenden. Eine Alternative sind natürliche Fette oder Wachse.
- Teppiche: Statt auf imprägnierte Teppiche sollte man auf die natürliche Schmutzabweisung von Wollteppichen setzen.
- Geschirr: Einweggeschirr aus Karton ist vielfach mit PFAS behandelt. Mehrweggeschirr aus Glas oder Porzellan ist umweltfreundlicher.