Jeden Tag sterben in der Schweiz laut dem Bundesamt für Statistik seit Jahren täglich im Durchschnitt knapp 200 Menschen. Über 75 Prozent davon sind älter als 70, über 60 Prozent älter als 80. Diese Altersgruppen wachsen seit Jahren. Fast alle der vom Bundesamt für Gesundheit publizierten Corona-Toten sind über 70-jährig. Die meisten wären im Jahr 2020 laut der langjährigen Statistik auch ohne eine Covid- 19-Ansteckung gestorben.
Während der Corona-Pandemie ging das allenthalben vergessen. Die «Neue Zürcher Zeitung» titelte «Das Sterben dauert an», der «Tages-Anzeiger» wusste im November: «Die Schweiz ist auch bei den Covid-Todesfällen an der Weltspitze.» Anfang Januar erfuhren die Leser immerhin, dass unter den Covid-Toten auch Verstorbene aufgelistet sind, bei denen die Ärzte explizit festhielten, dass der Patient nicht an einer Corona-Infektion gestorben war.
Der Hintergrund: Das Bundesamt für Gesundheit führt eine Statistik, aus der hervorgeht, welche Verstorbenen positiv getestet wurden – die Todesursache ist aber nicht erfasst. Trotzdem werden sie von den meisten Medien als Covid-Tote gezählt. Das Bundesamt für Statistik hingegen führt eine Statistik zu den Todesursachen. Diese Daten für das Jahr 2020 liegen aber erst 2022 vor.
Das heisst: Angaben zu den Todesursachen des Jahres 2020 gibt es aktuell noch nicht. Es steht lediglich fest, wie viele Leute im vergangenen Jahr insgesamt gestorben sind.
Konkret: Bis Woche 52 starben 2020 in der Schweiz laut dem Bundesamt für Statistik 73 694 Menschen. In dieser Zahl sind zwei Tage aus dem Jahr 2019 enthalten, weil das Bundesamt wochenweise rechnet. Andererseits fehlen noch die Zahlen für vier Tage aus der Kalenderwoche 53. Wer beides berücksichtigt, kommt auf ziemlich genau 74 100 Verstorbene im Schaltjahr 2020. Bei einer Bevölkerung von 8 655 118 sind das 856 Verstorbene auf 100 000 Einwohner.
Höhere Sterblichkeit in früheren Jahren
Diese Zahl liegt über den Vorjahren: 2019 waren es 788 Todesfälle pro 100 000 Einwohner, ein Jahr vorher 785, im Jahr 2015 mit einer starken Grippewelle 812. Anfang des Jahrhunderts gab es aber schon Jahre mit höherer Sterblichkeit. Pro 100 000 Einwohner starben zum Beispiel im Jahr 2000 in der Schweiz 869 Menschen – also mehr als im vergangenen Jahr. Im Jahr 2003 waren es gleich viel wie 2020: 856 pro 100 000 Einwohner.
Das Jahr 2003 war geprägt von aussergewöhnlich warmen Tropennächten und zusätzlich einer Grippeepidemie. Im Jahr 2000 titelte der «Blick» schon Mitte Januar: «Die halbe Schweiz liegt flach.» Die Spitäler seien wegen des Moskau-Virus, eines Grippevirus, voll ausgelastet. Und das nicht nur wegen der vielen eingelieferten Grippeopfer, sondern auch wegen der im Spital angesteckten Patienten. Durch krankes Personal würden ganze Stockwerke angesteckt. Zusätzlich werde es eng, weil Personal ausfalle.
Medien dramatisieren die Lage laufend
Trotz solchen Erfahrungen wird die Zahl der Verstorbenen des Corona-Jahres 2020 in den Schweizer Medien extrem dramatisierend dargestellt. Selbst die Radiosendung «Echo der Zeit» von SRF berichtete am 23. Dezember mit der Schlagzeile «Makabres Spitzenjahr» von einer hohen Übersterblichkeit. Die Folge solcher Berichterstattung: Viele Leute wagen sich kaum mehr aus dem Haus – aus Angst vor Covid-19 und einer möglichen Lungenentzündung.
Auch dazu die bisher vorliegenden Zahlen: Im Jahr 2020 wurden in der Schweiz rund 19 000 Personen wegen Covid-19 in ein Spital eingewiesen, viele mit massiven Lungenproblemen. Doch eine Lungenentzündung ist nicht erst seit Covid-19 eine lebensbedrohliche Erkrankung. Laut der «Medizinischen Statistik der Krankenhäuser 2017» des Bundesamts für Statistik liegt sie auf Platz eins der häufigsten Gründe für einen Spitaleintritt. Und das noch vor Schlaganfall und Herzinfarkt.
Die Lungenentzündung ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten. In der Schweiz erkrankten vor der Corona-Epidemie jährlich im Durchschnitt 65 000 bis 82 000 Menschen daran, wie die ärztliche Fortbildungszeitschrift «Swiss Medical Forum» schreibt. Nicht alle müssen ins Spital. 47 560 wurden gemäss der «Medizinischen Statistik der Krankenhäuser 2020» im Jahr 2018 deswegen hospitalisiert, 2019 waren es 49 685. Die Zahl der 2020 wegen einer coronabedingten Lungenentzündung Hospitalisierten liegt noch nicht vor, liegt aber sicher unter 19 000 Patienten.
Deutschland und Österreich: Ähnliche Sterblichkeit wie in der Schweiz
In Österreich zeigt sich ein ähnliches Bild wie in der Schweiz: Die Zahl der Verstorbenen war im Jahr 2020 höher als im Vorjahr, aber Grippeepidemien forderten auch hier schon mehr Opfer. Auf 100 000 Einwohner kommen im vergangenen Jahr 956 Verstorbene. 2019 starben 941, ein Jahr zuvor 952 und 2017 waren es 949 Menschen. Aber: 2015 starben mit 968 Personen mehr als im Corona-Jahr. Quelle für diese Daten ist die Statistik Austria. Für 2020 liegen definitive Zahlen erst bis Kalenderwoche 47 vor. Der K-Tipp hat sie aufs ganze Jahr hochgerechnet.
In Deutschland liegen die Todeszahlen 2020 bis Woche 48 vor: Es sind 876 688. Auf 52 Wochen hochgerechnet, ergibt das rund 949 750 Verstorbene. Bei 83,1 Millionen Einwohnern macht das auf 100 000 Einwohner 1140 Todesfälle. 2018 war gemäss den Angaben des Statistischen Bundesamtes Deutschland die Zahl mit 1150 leicht höher, in den anderen Vorjahren ein wenig tiefer: 1130 (2015), 1100 (2016), 1130 (2017), 1120 (2019).