Am 2. Mai kurz nach 8 Uhr morgens stehen in Genf Tausende von Menschen in kilometerlangen Schlangen für eine Tragtasche mit Lebensmitteln an. Das Genfer Bürgerkomitee «La Caravane de Solidarité» gibt Bedürftigen Reis, Teigwaren, Öl und Mehl im Wert von 20 Franken ab. Finanziert wurde die Aktion durch Spenden.
Drei Tage später tagt in Bern das Parlament. Auf der Traktandenliste steht der Vorstoss «Unabhängige und leistungsfähige Medien sind das Rückgrat unserer Demokratie». Darin fordern Nationalräte total 45 Millionen Franken Soforthilfe für Medienhäuser. Begründung: Inserateverlust der Verlage wegen der CoronaKrise.
Anders als die notleidenden Genfer nagen die Verlage keineswegs am Hungertuch. Im Gegenteil: Sie erzielen Jahr für Jahr hohe Gewinne. So machte etwa der grösste Schweizer Verlag, TX Group (ehemals Tamedia), in den vergangenen fünf Jahren jeweils 200 bis 245 Millionen Franken Gewinn. Bei Ringier waren es im gleichen Zeitraum jedes Jahr 80 bis 113 Millionen, bei der NZZ je 25 bis 50 Millionen Franken.
Trotz diesen Zahlen debattierte der Nationalrat nur gerade eine halbe Stunde lang über dieses Geschäft. Resultat: Gegen den Widerstand von Bundesrat sowie Teilen der SVP und FDP wurde die Soforthilfe für die Medien beschlossen. Der Ständerat hatte bereits am Vorabend mehrheitlich zugestimmt.
Staatshilfe auf Kosten des Steuerzahlers
So verteilt sich der Geldsegen im Detail: Die Verlage müssen der Nachrichtenagentur SDA bis auf Weiteres keine Abogebühren mehr zahlen. Diese übernimmt der Bund – also der Steuerzahler. Kosten: rund 10 Millionen Franken. Pikant: Die SDA gehört neu je zu 30 Prozent der österreichischen Nachrichtenagentur APA sowie zu 70 Prozent den grossen Schweizer Verlagen sowie der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG). Die Nachrichtenagentur ist eigentlich nicht gewinnorientiert. Sie hat aber in den letzten 5 Jahren trotzdem fast 30 Millionen an Dividenden an die Verlage ausgezahlt – und gleichzeitig fast einen Viertel der Angestellten entlassen. Das geht aus den Geschäftsberichten hervor. Die SDA erhält vom Bund übrigens jedes Jahr 2 Millionen Franken.
Ausserdem im Corona-Geschenkpaket: Die Regional- und Lokalzeitungen müssen der Post vorderhand kein Porto mehr zahlen. Das soll der Bund übernehmen. Kosten: Rund 25 Millionen Franken. Die meisten Regionalzeitungen gehören den grossen Verlagen TX Group, NZZ und CH Media. Sie profitieren also am meisten von diesem Geld.
Das gilt auch für eine weitere Tranche: Tages- und Wochenzeitungen mit einer Auflage von über 40 000 Exemplaren erhalten nach dem Willen des Parlaments einen Rabatt aufs Post-Porto. Das kostet die Steuerzahler rund 10 Millionen Franken.
Grossverlage zahlten fürstliche Dividenden
Im Vergleich zu den allein von den Grossverlagen in den letzten fünf Jahren ausgezahlten Dividenden sind diese Beträge relativ gering. Eine Auswertung der Geschäftsberichte durch den K-Tipp ergab: Die TX Group zahlte den Aktionären fast 230 Millionen Franken an Dividenden aus. Dem Unternehmen gehören unter anderem die Blätter «20 Minuten», «Tages-Anzeiger», «Berner Zeitung» und «Basler Zeitung». Die NZZ zahlte im gleichen Zeitraum 42 Millionen Franken aus. Die hohen Dividenden belegen, dass es den Grossverlagen finanziell gut geht.
Übrigens: Der K-Tipp erhält vom Bund keine Corona-Hilfe. Anspruch haben nach dem Willen des Parlaments nämlich nur Verlage, die gewinnorientiert sind. Das trifft auf den K-Tipp und die übrigen Mitglieder der Stiftungs- und Mitgliederpresse nicht zu.